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begreife ich nicht«, stotterte sie.

      »Du begreifst manches nicht, Charlotte«, antwortete der junge Mann. »Und einiges willst du nicht begreifen. Dafür habe ich Verständnis.«

      »Aber Bettina sagte doch, dass zwischen euch alles klar ist«, begehrte sie auf.

      »Hast du dir eigentlich keine Gedanken darüber gemacht, dass es mehr als eigenartig ist, wenn eine Frau sich etwas einredet, obwohl sie gerade das Kind eines anderen zur Welt gebracht hat? Es tut mir sehr leid, wenn du dich dadurch gekränkt fühlst, Charlotte, aber ich habe nur Mitleid mit Bettina.«

      »Mitleid? Mitleid mit meiner Tochter? Wie findest du das, Jonas?«, richtete sie das Wort an ihren Mann, und ihre Stimme überschlug sich dabei.

      »Du kannst meinen Sohn nicht zwingen, dieses Spiel mitzumachen, Charlotte«, sagte er. »Jon wird sich jetzt auch seine eigene Meinung ge­bildet haben, und was Dr. Laurin damals gesagt hat, mag nicht so abwegig sein.«

      Charlotte sank in sich zusammen. »Ich bin doch bereit, jedes Opfer zu bringen, aber ihr seid nicht bereit«, flüsterte sie. »Ihr tut doch nichts, was ihr helfen könnte.«

      »Das hast du auch nicht getan, Charlotte«, meinte Jonas mit fester Stimme. »Bettina wollte das Kind doch nur, um Conny an sich zu binden. Sie war bereits schwanger, als die Hochzeit stattfand.«

      »Das ist nicht wahr«, widersprach Charlotte heftig.

      »Rechne doch nach. Ich habe mich zunächst auch täuschen lassen. Gellinger vielleicht auch. Vielleicht hat er sich aber auch seine Gedanken gemacht und mehr gewusst, als er zugeben wollte. Herrgott, es ist doch nicht unverzeihlich, wenn man schon vor der Heirat ein Kind erwartet.«

      »Conny ist schuld, nur er!«, stieß Charlotte hervor. »Niemals hätte sich Bettina ihm freiwillig hingegeben.«

      »Tu nicht päpstlicher als der Papst«, sagte der ältere Bernulf. »So genau hast du es auch nicht genommen, Charlotte. Wir wollen jetzt mal hübsch bei den Tatsachen bleiben. Ich will nicht, dass mein Sohn sein Leben ruiniert, nur weil Bettina ihn jetzt unbedingt haben will.«

      »Ich habe nichts mehr zu sagen«, stieß Charlotte hervor. »Ich gehe zu Bett.«

      »Du bleibst!«, sagte ihr Mann. »Jetzt werden die Karten auf den Tisch gelegt. Du kannst dich nicht drücken. Setz dich wieder!«

      Sie setzte sich, denn so hart hatte er sie noch niemals angesprochen.

      Er fuhr fort: »Bettina kam damals zu dir und hat gesagt, dass sie Conny heiraten wolle. Du warst zunächst dagegen, aber sie hat geheult und gejammert, und du hast wie immer nachgegeben, obwohl ich auch gegen diese Heirat war. Du hast mich angefleht, Bettina eine schöne Hochzeit auszustatten. Das habe ich getan. Jedenfalls hast du dann nichts mehr gegen Conny einzuwenden gehabt. Stimmt’s? Natürlich darf ich nicht vergessen, dass Bettina in Ohnmacht fiel, als ich zuerst nein sagte.«

      »Willst du jetzt mich anklagen, Jonas?«, jammerte Charlotte.

      »Ich klage niemanden an. Ich zähle Tatsachen auf, weil es jetzt nicht nur um Bettina geht, sondern auch um Jon. Ich habe dir bisher jeden Wunsch erfüllt – und Bettina auch. Sie wollte ihren Conny, sie hat ihn bekommen. Und dann kam sie daher und erzählte uns glücklich, dass sie ein Kind erwartet, und ich habe mich gefreut. Doch dann kam Conny und teilte uns sehr dezent und diplomatisch mit, dass Dr. Laurin seine Bedenken hätte wegen Bettinas labilem Zustand. Daraufhin wolltest du ihn gleich anzeigen, aber du hast es nicht getan. Stattdessen haben wir Bettina zu Gellinger gebracht.«

      »Und er sagte, dass es gut wäre, wenn sie ein Kind bekommen würde.«

      »Ja, das sagte er. Er schloss aber nicht aus, dass Bettinas Zustand diffizil sei. Er wollte von dir wissen, wie ihre Pubertät verlaufen sei. Du sagtest, dass sie niemals Schwierigkeiten gehabt hätte, aber sie hatte Schwierigkeiten. Ich weiß es von eurer Hanna.«

      »Hanna ist dumm und ungebildet«, begehrte Charlotte auf.

      »Lass jetzt diese Ausreden«, fauchte er sie an.

      »Ich habe auch mit Bettinas Freundin Sibylle gesprochen«, warf Jon ein. »Sie hat mir berichtet, dass Bettina manchmal von Sekunde zu Sekunde abschlaffte oder völlig unmotiviert einen hysterischen Ausbruch bekam. Versteh doch, Charlotte, wir können ihr nur helfen, wenn wir die ganze Wahrheit wissen.«

      »Ich wusste sie doch auch nicht«, weinte Charlotte auf. »Ich konnte mir das alles nicht erklären. Bettina war immer sensibel. Kein Arzt sagte mir, was der Grund dafür sein könnte. In der Pubertät sind Mädchen oft sehr eigenartig.«

      »Beruhige dich, Charlotte«, sagte Jonas Bernulf, »niemand will dir was. Wir alle wollen Bettina helfen, aber es sollen nicht noch mehr Menschen zerbrechen. Jon wird uns erklären, was er herausgefunden hat.«

      »Ich habe nichts herausgefunden, aber Dr. Dietsch vertritt die gleiche Meinung wie Dr. Laurin. Bettina leidet an einer Störung des Zentralnervensystems. Durch die Schwangerschaft, die eine Veränderung der Hormonbildung mit sich bringt, hat sich ihr Zustand verschlechtert. Ihre Reaktionen sind jetzt schon anormal.«

      »Was soll das bedeuten?«, fragte Charlotte entsetzt.

      »Es kann bedeuten, dass sie unter schweren Gleichgewichtsstörungen leiden wird, dass sie sich nicht mehr auf den Füßen halten kann. Ich will nicht zu schwarz malen, vielleicht wird es nicht gar so schlimm werden. Man muss sie physisch und psychisch stabilisieren. Aber dabei müsstest du uns in erster Linie helfen, Charlotte. Und vielleicht hilft ihr auch das Kind, wenn sie es lieben lernt. Bisher gibt es dafür keine Anzeichen. Sie zeigt kein Interesse an dem Baby. Sie will umworben werden, aber dafür bin ich das falsche Objekt. Ich kann nicht heucheln.«

      Charlotte starrte ihn aus trüben Augen an.

      »Aber was kann ich tun?«, fragte sie leise.

      »Vor allem solltest du offen mit ihr reden. Ihr auch sagen, dass sie die Heirat mit Conny erzwungen hat. Nicht so krass, wie ich es jetzt sage, aber du könntest ihr andeuten, dass sie schon schwanger war, als sie vor den Traualtar trat.«

      »Das kann ich nicht. Das ist mir unbegreiflich«, schluchzte Charlotte.

      »Stell dich nicht so an, Charlotte«, sagte Jonas Bernulf, »du warst auch kein Kind von Traurigkeit. Und das ist doch alles menschlich.«

      »Ich verstehe nicht, wie du über die intimsten Dinge so reden kannst«, warf sie ihm vor.

      »Warum denn nicht? Was man tut, soll man auch verantworten. Ich fand dich sehr begehrenswert, und wir waren beide in einem Alter, in dem man noch nicht entsagungsvoll auf alles verzichtet, was das Leben lebenswert macht. Jedenfalls glaubte ich, dass es lebenswert ist. Zweifel kommen mir erst jetzt. Ich denke, dass du sehr viel dazu beitragen könntest, dass sich alles wieder normalisiert. Mir hängt das Herumgerede und Getue nachgerade zum Hals heraus, um es ganz deutlich zu sagen. Ich bin kein Tattergreis, und du bist eine Frau von knapp fünfundvierzig Jahren. Bettinas seltsame Krankheit ist nicht einmalig, und mag sie auch schwer ergründlich sein, werden wir damit leben müssen. Es genügt, dass Conny auch damit fertig werden muss, aber Jonas hat ein Recht, sich sein Leben besser einzurichten. Um es ganz deutlich zu sagen, Charlotte, wenn wir morgen einen bildschönen Jüngling zu Bettina schicken, wird sie sich auch einbilden, dass er der einzige Mann ist, der sie glücklich machen kann.«

      »So darfst du nicht reden, Jonas.« Sie legte die Hände vors Gesicht und schluchzte.

      »Wir können es ja probieren«, sagte er. »Ich will nicht nur Bettina helfen, Charlotte, sondern auch dir und damit uns, denn bald weiß ich auch nicht mehr weiter. Aber vielleicht erklärt sich auch Conny bereit, uns zu helfen – um des Kindes willen. Er ist doch für Bettina viel attraktiver als Jon. Wenn du einverstanden bist, werde ich ihn darum bitten. Er ist auf Sparflamme gesetzt. Er darf nicht mehr fliegen, weil er mit den Nerven fertig ist. Aber Sandra ist sein Kind, genauso wie Bettinas Kind. Und ich glaube, ihn richtig einzuschätzen, wenn ich sage, dass er für sein Kind einiges zu tun bereit ist, wenn er sich von uns nicht angegriffen fühlen muss. Wir sollten gemeinsam alles daran setzen, Bettina zu helfen. Wie sind die Aussichten, Jon?«

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