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      Ungeachtet der Gefahren, die auf den nächtlichen Straßen lauerten, marschierte ich los. Mein Ziel war der ungemütliche kleine Raum in meinem ehemaligen Handelskontor, auf den ich eigentlich nur im äußersten Notfall zurückgreifen wollte. Doch es wurde langsam zur schlechten Angewohnheit, dort zu übernachten, da mich ein Notfall nach dem anderen ereilte. Ich gelangte relativ unbeschadet zu dem unscheinbaren Gebäude im Hafenviertel, sah man von einem blauen Fleck ab, den ich mir zuzog, als mich ein Schiffer anrempelte, der wohl allzu tief ins Glas geschaut hatte.

      Die Türangeln hatten immer laut gequietscht, wenn ich eingetreten war. Nun bewegten sie sich geräuschlos. Der neue Besitzer musste sie geölt haben. Nachdem ich das Portal auf- und sorgfältig wieder zugeschlossen hatte, stieg ich im Dunkeln die Treppe nach oben. Ich brauchte kein Licht, denn ich kannte das Gebäude wie meinen neuen Weinkeller. Schließlich hatte ich hier mehrere Jahre lang Tag und Nacht gearbeitet. Oben stieß ich die Tür zu meinem Zimmer auf, zündete eine Öllampe an und leuchtete hinter den Türflügel, unter das Bett und in alle Ecken, bevor ich die Zimmertür hinter mir schloss. Der Raum war gewöhnlich nicht abgeschlossen und es wäre ein Kinderspiel gewesen, sich hier einzuschleichen. Aber die Luft war rein.

      Auf dem Tisch stand ein Korb mit Äpfeln und Birnen, der bei meinem letzten Aufenthalt noch nicht da gewesen war. Der neue Besitzer des Weinkontors, ein brummiger Gallier mittleren Alters war bestimmt nicht so aufmerksam gewesen, mir Obst aufs Zimmer stellen zu lassen. Ich hatte ihm aber trotz seiner Grantigkeit das Handelskontor überlassen, weil er mir einen guten Preis geboten hatte.

      Aber wer hatte mir dann den Korb vorbeigebracht? Aulus Calpurnius und seine Begleiterin wollen auch mich vergiften, durchfuhr es mich. Ich musste dringend mit dem Weinhändler reden und ihm nochmals einschärfen, nicht jeden x-beliebigen Fremden auf mein Zimmer zu lassen. Schlecht gelaunt ging ich zum Tisch, beugte mich vor und beäugte argwöhnisch die delikat und saftig aussehenden Früchte, bis ich ein Stück Papyrus bemerkte, das unter dem Korb hervorlugte. Mit spitzen Fingern zog ich es heraus. Mir stockte vor Überraschung der Atem, als ich Pinas Handschrift erkannte.

      Du solltest dich nicht ausschließlich von Wein und Zwischenmahlzeiten ernähren lautete ihre fürsorgliche Nachricht.

      Hin- und hergerissen zwischen Enttäuschung, dass ich abwesend war, als das Mädchen mich besucht hatte und Freude über ihr Geschenk, stand ich einige Sekunden lang reglos im Raum und schaute auf die weißgetünchten Lehmfüllungen des Fachwerkbaus. Ich fühlte mich völlig ausgelaugt, ich brauchte eine Rasur und sehnte mich nach einem Bad in der Therme. Außerdem hatten die Appetit-Happen, mit denen Julia Marcella mich abgespeist hatte, nicht lange vorgehalten, weshalb ich schließlich nach einem Apfel griff und herzhaft hineinbiss. Dabei entfuhr mir ein Seufzer, als ich an meine geliebte Pina denken musste, die ich heute vergeblich anzutreffen versucht hatte.

      Dann ließ ich mich auf den einzigen und obendrein ungepolsterten Stuhl fallen. Zwar hatte ich überhaupt keine Lust, Junius Petronius zu schreiben. Aber mir graute bereits vor dem Kater, der mich unweigerlich am folgenden Morgen plagen würde. Daher brachte ich die lästige Arbeit doch lieber noch vor dem Zubettgehen hinter mich.

      »Gegrüßt seist du, Decurio, mit Freude und Dankbarkeit denke ich an die Gastfreundschaft zurück, die du meinem Bruder und mir in Agrippina gewährt hast«, begann ich und schmunzelte bei der Vorstellung, was für ein Gesicht der Adressat beim Lesen dieser Zeilen ziehen würde.

      Ich spielte mit dem Gedanken anzudeuten, dass ich ihn bald wieder beehren würde, verwarf diesen Plan aber sofort wieder. Diese Drohung sollte ich mir für den Fall aufheben, dass der Decurio nicht auf meine Anfrage reagierte. Also beschränkte ich mich darauf, mein Bedauern darüber zu äußern, zwei seiner Freunde knapp in Mogontiacum verpasst zu haben und höflich nachzufragen, ob er mir über deren Verbleib Auskunft geben könne. Als Absender gab ich den Namen meines Bruders an, damit er das Schreiben unter die Militärpost mischen konnte. Nachdem ich diese Arbeit erledigt hatte konnte ich guten Gewissens zu Bett gehen. Kaum hatte ich das Licht gelöscht, ertönte aus der Ferne Donnergrollen. Ich hoffte auf ein Gewitter, das endlich die Luft klären würde. Aber es fiel kein Tropfen, nur ein heftiger Wind kam auf, der die Balken knarren ließ. Schlaflos wälzte ich mich auf meinem harten Lager hin und her und grübelte darüber nach, wer wohl Interesse gehabt haben könnte, den Schmied umzubringen. Aber beim derzeitigen Stand der Ermittlungen fiel mir leider nur Julia Marcella ein.

      Nach einer viel zu kurzen Nacht wachte ich mit einem dröhnenden Kopf und trockenem Hals auf. Ich fühlte mich, wie von der schrecklichen Scylla verschlungen und wieder ausgespuckt und brauchte ein paar Sekunden, um in die Wirklichkeit zurückzufinden. Wieder einmal nahm ich mir vor, in Zukunft weniger Wein zu trinken. Zumindest sollte ich mich in nächster Zeit zurückhalten, um mich meines lästigen Auftrags so schnell wie möglich zu entledigen. Doch wenn ich ehrlich war, gab ich der Suche auch im nüchternen Zustand nicht die geringste Erfolgsaussicht.

      Die Sonne stand noch zu tief, um den Raum ganz zu erhellen. Missmutig schlüpfte ich aus dem Bett und wankte zum Fenster. Es war ein dunstiger Morgen, der einen weiteren heißen Tag ankündigte. Verlassen und leer lag der Hof unter mir. Bald würde der neue Weinhändler das Hoftor entriegeln und die ersten Kunden einlassen. Um einen klaren Kopf zu bekommen, beugte ich mich hinaus und atmete tief durch, trat aber sofort wieder zurück. Ich hatte ganz vergessen, wie intensiv es im Hafenviertel nach Brackwasser, Teer und verfaultem Fisch stank. Angewidert drehte ich mich um, benetzte mein Gesicht mit Wasser aus der Schale neben dem Fensterbrett und verspeiste dann eine Birne zum Frühstück. Anschließend streifte ich mir eine frische Tunika über und verließ mit dem Brief in der Hand die Kammer.

      Im Vorraum erblickt ich die Schlafnische, die ich für Cicero hatte einrichten lassen und bedauerte meinen Leibsklaven auf das Landgut zurückgeschickt zu haben. Die Untersuchungen zogen sich wieder einmal länger als geplant hin und ich hätte dabei Hilfe gebrauchen können. Noch immer etwas benommen, stieg ich die Treppe ins Erdgeschoß hinunter, wo sich die Lagerhalle des Weinkontors befand. Dort lief der neue Besitzer bereits eilig hin und her und gab seinen beiden Sklaven Anweisungen, während draußen schon Kunden auf die Ladenöffnung warteten. Ich spürte einen Anflug von Neid. So gut waren die Geschäfte nicht gegangen, als Respectus und ich den Laden geführt hatten. Daran war bestimmt Lucius schuld, der gelangweilt im Laden herumgelungert hatte, ehe er dann zu allem Überfluss zur Armee durchgebrannt war.

      »Gestern Abend hat eine Frau nach dir gefragt. Sie hat darauf bestanden, in deinem Zimmer auf dich zu warten. Bevor ich das Kontor abschloss, habe ich sie natürlich hinauskomplimentiert«, sagte der Weinhändler, nachdem er mir missmutig einen guten Morgen gewünscht hatte. Er war groß und kräftig gebaut. Sein kantiges Gesicht mit dem dichten rotbraunen Bart, den skeptischen blauen Augen und den schmalen Lippen war vom langen Aufenthalt in den Kellern und Lagerräumen aschfahl. Obwohl er sicher unter dreißig Jahren alt war, hatte seine permanente Übellaunigkeit seine Stirn bereits in tiefe Falten gelegt und einen verkniffenen Zug um seinen Mund gegraben. Verglichen mit dem grantigen Weinhändler war selbst ich eine Stimmungskanone.

      »Du hättest die junge Dame ruhig zum Bleiben auffordern können!«, beschwerte ich mich. Es fiel mir schwer, nicht ausfallend zu werden.

      »Dir kann man es auch nicht recht machen«, brummte er und ich erinnerte mich schuldbewusst daran, dass ich ihn erst neulich ermahnt hatte, keine Fremden einzulassen.

      »Ich meinte natürlich Radaubrüder, Saufkumpane meines Bruders und Handelsvertreter, keine hübschen Mädchen«, versuchte ich meinen Sinneswechsel zu erläutern und verabschiedete mich frostig.

      Als ich durch den Hinterausgang ins Freie getreten war, ertappte ich mich dabei, dass ich mich unwillkürlich umschaute, ob ein kräftiger Mann mit Lederschürze oder eine Brünette mit einem auffälligen Armreif draußen wartete. Aber ich erblickte nur einen biederen Bäckergesellen, eine erschöpfte junge Frau mit einem Säugling, der sich die Seele aus dem Leib schrie, und ein altes Mütterlein mit gebeugtem Rücken und runzliger Haut. Trotzdem hielt ich mich vorsichtshalber etwas abseits von den Passanten und achtete darauf, ob jemand mir folgte.

      An

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