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ich verstehe nicht ganz, was an dem kleinen Plausch so verwerflich sein soll.«

      »Dummerweise ist Marius Marfilius der letzte, der den Schmied lebend gesehen hat. Sein Sohn hält ihn daher für den Mörder seines Vaters und hat gedroht, ihn beim Legaten anzuzeigen.«

      Julia Marcella, die gerade ihren Becher zum Trinken angehoben hatte, verschüttete vor Schreck etwas Wein auf den Tisch. Einen Augenblick lang war sie nicht fähig, auch nur einen Ton herauszubringen. Erst als das Dienstmädchen die Tischplatte mit einem grauen Tuch abzuwischen begann, hatte sie sich wieder gefangen.

      »Würde Geld diesem unverschämten Gratus Antonius Spendius den Mund stopfen?«, fragte sie entschlossen.

      Jetzt wusste ich wenigstens, wie der junge Schmied hieß.

      »Wahrscheinlich nicht«, musste ich zugeben.

      »Nicht, weil es von mir kommt?«

      »Egal, woher es kommt! Er wirkte auf mich wie ein Prinzipienreiter, wie ein Römer vom alten republikanischen Schlag.«

      Weshalb er mir auch so unsympathisch war. Ich hegte ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber Menschen, die nicht einmal bestechlich waren.

      »Und wenn ich ihm das Grundstück überlasse? Von mir aus kann er die ganze Villa dazu haben, Hauptsache, der Preis stimmt!«

      Diese Mischung aus panischer Reaktion und Geschäftssinn ließ mich zum ersten Mal an diesem Tag schmunzeln. Belustigt bediente ich mich und aß ein paar Pinienkerne, bevor sämtliche Schalen leer waren.

      »Ich kann ihm gern dein Angebot unterbreiten. Aber ich fürchte, es könnte wie ein Schuldeingeständnis klingen.«

      »Glaubst du wirklich, dass er Marius Marfilius anzeigen wird?« Sie versuchte nicht einmal, ihre Sorgen zu verbergen.

      »Ich habe es deinem Nachbarn natürlich auszureden versucht und gesagt, dass Marius Marfilius nicht die geringste Veranlassung hatte, den Schmied umzubringen. Aber es ist möglich, dass sein Sohn das aus reiner Bösartigkeit tut. Nur, um dir eins auszuwischen«, entgegnete ich, denn es machte keinen Sinn sie einzulullen. »Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass es zu einer öffentlichen Anklage kommt. Dazu ist die Beweislage zu dürftig. Wie ich den Legaten einschätze, wird er nicht seine kostbare Zeit damit verschwenden.«

      »Vor allem, wenn wir ihm den Mörder des Schmieds präsentieren«, sagte Julia Marcella wieder etwas zuversichtlicher und ich konnte mir vorstellen, wen sie mit wir meinte.

      »Wer könnte ein Interesse haben, deinen Nachbarn umzubringen?«, überlegte ich laut.

      »Du meinst, außer mir?«, fragte sie mit einem spitzbübischen Lächeln und ich nickte.

      »Die anderen Schmiede, weil er so erfolgreich war, und sein Sohn, um sein Erbe anzutreten und selbst Werkstattleiter zu werden«, zählte die Witwe an den Fingern ab und schaute mich kämpferisch an. »Ich glaube aber, dass dieser Aulus Calpurnius und seine angebliche Gattin ihn vergiftet haben.«

      »Der Meinung bin ich auch. Er wurde am selben Tag ermordet, an dem ich ihm einige Fragen über seine Gäste stellen wollte«, pflichtete ich ihr bei, vertilgte schnell ein weiteres Ei in zwei Bissen. Dann räusperte ich mich und nahm Blickkontakt mit der Hausherrin auf.

      »Ich werde mein Möglichstes tun, um deinen Angestellten zu entlasten. Aber eins mache ich nicht. Ich fahre nicht nach Agrippina!«, verkündete ich kategorisch und führte alle Ausreden auf, die mir in der Zwischenzeit eingefallen waren. »Falls Aulus Calpurnius und Lucretia Calpurnia wirklich einen Mord begangen haben sollten, werden sie wohl kaum so leichtsinnig sein, dorthin zurückzukehren. Außerdem ist diese Stadt riesengroß. Ohne Adresse wäre es die sprichwörtliche Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Deshalb empfehle ich, lieber schriftlich bei dem Decurio nachzufragen, ob er mir Auskunft über seine Bekannten erteilen kann.«

      Leider hatte sich Probus Marcellus’ Freund, der Decurio Junius Petronius bei unserem Aufenthalt in der Veteranenkolonie als wenig kooperativ erwiesen. Aber was sollte man von einem Lokalpolitiker erwarten, der es jedem recht machen wollte.

      »Tu, was du für nötig hältst! Am Geld soll es nicht liegen!« Ich hatte nicht erwartet, diese Worte irgendwann aus dem Mund der sonst so geizigen Bankierswitwe zu hören und dachte schon, damit wäre wenigstens die aussichtslose Suche nach dem Schmuckstück vom Tisch. Aber da kannte ich Julia Marcella schlecht.

      »Und vergiss nicht meine Kette!«, ermahnte sie mich, als sei ich mit dem Dieb im Bunde.

      Allmählich konnte ich das Wort Kette nicht mehr hören.

      »Eins nach dem anderen. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut«, seufzte ich, bevor ich ein Anliegen äußerte, das ich bei meinem letzten Besuch vergessen hatte. »Es wäre sicher hilfreich, wenn du mir die Liste aller Juweliere geben könntest, die du in Mogontiacum kennst«, sagte ich und Julia Marcella nickte. »Ansonsten können wir nur hoffen, dass dein junger Nachbar nichts während der neuntägigen Trauerzeit unternimmt. Das würde uns einen wichtigen Vorsprung verschaffen.«

      Der irritierte Gesichtsausdruck der Bankierswitwe zeigte mir, dass sich offenbar kein auf Rache erpichter Gallier an derartige Konventionen halten würde. Sie winkte das Dienstmädchen herbei und raunte ihr einige Worte zu.

      »Du weißt doch bestimmt, wie sein verstorbener Vater hieß?«, erkundigte ich mich, als das Mädchen aus dem Haus gehuscht war.

      »Ebenfalls Gratus Antonius Spendius. Er war so eingebildet, dass er seinen einzigen Sohn nach sich selbst benannt hat. Man sagt, er habe ihm unglaubliche Flausen über seine Begabung in den Kopf gesetzt. Seit dann noch diese Frau, die sich selbst Medea nennt dem jungen Schmied großen Reichtum prophezeit hat, ist er völlig unausstehlich.«

      Sie lächelte bitter, wurde aber ganz plötzlich wieder ernst.

      »Höchste Zeit endlich aus Mogontiacum wegzuziehen! Ich hätte ja nicht gedacht, dass es so schwierig sein würde, diese schöne Villa zu verkaufen«, beklagte sie sich und starrte auf das Bodenmosaik, das vier kämpfende Gladiatorenpaare mit unterschiedlicher Bewaffnung zeigte.

      Diese durchaus kunstvolle Darstellung provozierte mich geradezu, denn ein fast identisches Bild zierte mein Bad. Ich würde mich wohl niemals damit abfinden, dass die Ausstattung von Julias Villa der meines Landgutes zum Verwechseln glich, nur dass sie noch viel prächtiger war.

      »Auch wenn du die Villa schnell loswirst, folgen dir deine Probleme zu deinem neuen Domizil. Du wirst überall Nachbarn haben und dein Reichtum wird ihren Neid erwecken«, sagte ich, wobei ich weniger ihren Wohlstand an und für sich, als dessen Zurschaustellung durch seidene Gewänder und auffällige Schmuckstücke meinte.

      »Da bist du ja endlich«, tadelte sie das Dienstmädchen, das in diesem Augenblick mit einer wachsbeschichteten Schreibtafel in der Hand zurückgekehrt war.

      Julia Marcella ließ sich den Becher erneut füllen, tastete im Halbdunkel nach dem Griffel, der auf einem Beistelltisch neben ihr lag und begann dann mit nachdenklicher Miene die Namen von Goldschmieden ins Wachs zu ritzen.

      »Mehr fallen mir nicht ein«, sagte sie schließlich und überreichte mir die Schreibtafel.

      Ich warf einen flüchtigen Blick darauf und staunte, dass sie zehn Namen umfasste. Ich hätte nicht vermutet, dass es in einer Garnisonsstadt so viele Goldschmiede gab. Bestimmt verdankten sie ihre Existenzgrundlage zu großen Teilen Julia Marcellas Vorliebe für Geschmeide. Später sollte ich feststellen, dass einige der Handwerker nur einfache Kupferschmiede oder gar Gebrauchtwarenhändler waren.

      »Das wird mir sicher die Arbeit erleichtern. Aber jetzt sollte ich endlich aufbrechen. Es ist ja schon längst dunkel«, verkündete ich und erhob mich schwerfällig von meinem Sessel, denn ich hatte inzwischen die Hoffnung aufgegeben, dass Pina sich noch zu uns gesellen würde.

      Julia Marcella machte weder Anstalten, mich aufzuhalten, noch bot sie mir eines ihrer Gästezimmer an. Ich schrieb diese Nachlässigkeit ihrem Kummer zu, aber auch an besseren Tagen war die Witwe alles andere als eine zuvorkommende Gastgeberin. Ein Besuch bei ihr bedeutete keine gefüllten Pasteten, keinen saftigen

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