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Auferstehung. Лев Толстой
Читать онлайн.Название Auferstehung
Год выпуска 0
isbn 9783849624477
Автор произведения Лев Толстой
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ja!«
»Und dann?«
»Dann hat mich der Kaufmann wieder auf sein Zimmer kommen lassen!« sagte die Maslow.
»Hm! und wie haben Sie ihm das Pulver eingegeben?« fragte der Präsident.
»Ich habe es in ein Glas geschüttet, und er hat es getrunken!«
»Und warum haben Sie es ihm gegeben?«
»Um von ihm fortzukommen!« sagte sie seufzend, »Ich ging auf den Korridor und sagte zu Simon Michaelowitsch: ›Wenn er mich nur fortließe‹. Und Simon Michaelowitsch meinte: ›Uns langweilt er auch. Geben wir ihm ein Schlafpulver‹. Ich glaubte, es wäre ein ganz harmloses Pulver und nahm es, um es in sein Glas zu schütten. Als ich wieder hineinkam, befand er sich im Alkoven und befahl mir, ihm Cognac zu bringen. Da nahm ich die Flasche fine Champagne vom Tisch, füllte zwei Gläser für mich und ihn, schüttete das Pulver in sein Glas und brachte es ihm. Ich glaubte, es wäre ein Schlafmittel, und er würde einschlafen, doch um keinen Preis hätte ich es ihm gegeben, hätte ich gewußt ...«
»Nun, wie sind Sie denn in den Besitz des Ringes gelangt?« fragte der Präsident. »Wann hat er ihn Ihnen gegeben?«
»Als ich fortgehen wollte, hat er mich auf den Kopf geschlagen, so daß mir der Kamm zerbrochen ist. Ich habe zu weinen angefangen, da hat er seinen Ring vom Finger gezogen und ihn mir geschenkt!«
In diesem Augenblick erhob sich der Staatsanwalt von neuem und bat um die Erlaubnis, noch einige Fragen stellen zu dürfen.
»Ich möchte wissen,« sagte er zunächst, »wie lange die Angeklagte im Zimmer des Kaufmanns Smjelkoff geblieben ist?«
Von neuem bemächtigte sich ein plötzlicher Schreck der Maslow. Sie ließ ihren unruhigen Blick von dem Staatsanwalt zu dem Präsidenten wandern, und versetzte schnell:
»Ich erinnere mich nicht mehr – eine Zeit lang.«
»Ah! und die Angeklagte hat wohl auch vergessen, ob sie, als sie von dem Kaufmann Smjelkoff kam, noch ein anderes Zimmer des Hotels betreten hat?«
Die Maslow dachte einen Augenblick nach und versetzte dann:
»In das Nebenzimmer, das leer war, bin ich hineingegangen!«
»Und weshalb sind Sie dort hineingegangen?« fragte der Staatsanwalt, der sich plötzlich umdrehte und sich direkt an sie wendete.
»Um auf den Fiaker zu warten.«
»Ist Kartymkin auch mit der Angeklagten in das Zimmer getreten; ja oder nein?«
»Ja!«
»Und warum?«
»Es war noch Cognac in der Flasche, und den haben wir zusammen getrunken.«
»Hat die Angeklagte über irgend etwas mit Simon gesprochen?«
»Ich habe über gar nichts gesprochen! Ich habe alles gesagt, was vorgefallen ist,« erklärte sie.
»Ich habe nichts mehr zu fragen,« sagte der Staatsanwalt zum Präsidenten; darauf fing er hastig an, seine Rede zu skizzieren und sich zu notieren, daß die Angeklagte selbst gestanden hatte, in ein leeres Zimmer mit ihrem Komplizen hineingegangen zu sein.
Es trat eine Pause ein.
»Sie haben nichts weiter zu sagen?«
»Ich habe alles gesagt, was geschehen ist,« wiederholte die Maslow, seufzte und setzte sich nieder.
Nun notierte sich der Präsident etwas auf seinen Papieren, hörte auf eine Mitteilung, die ihm einer der Beisitzer ins Ohr flüsterte, erklärte die Sitzung auf 20 Minuten für aufgehoben, erhob sich hastig und verließ den Saal.
Der Beisitzer, der mit ihm gesprochen, war der Richter mit dem langen Bart und den gutmütigen, großen Augen; dieser Beamte verspürte eine leichte Magenverstimmung und hatte den Wunsch ausgesprochen, eine Stärkung zu sich zu nehmen. Deshalb hatte der Präsident die Sitzung aufgehoben.
Nach dem Präsidenten und den Richtern erhoben sich auch die Geschworenen sofort und zogen sich mit der angenehmen Empfindung, bereits einen guten Teil des geheiligten Werkes, mit dem die Gesellschaft sie betraut, vollbracht zu haben, in ihr Beratungszimmer zurück.
Nechludoff setzte sich, als er in das Geschworenenzimmer getreten war, ans Fenster und begann zu träumen.
Ja, es war Katuscha, und Nechludoff erinnerte sich, unter welchen Verhältnissen er sie kennen gelernt hatte!
Als er sie zum erstenmal gesehen, hatte er eben sein drittes Universitätsjahr beendet und sich bei seinen Tanten niedergelassen, um seine Doktorarbeit in Ruhe vorzubereiten. Er verbrachte die Sommermonate gewöhnlich mit Mutter und Schwester in dem Schloß, das die erstere in der Gegend von Moskau besaß. Doch in diesem Jahre hatte seine Schwester sich verheiratet und seine Mutter war ins Ausland, ins Seebad gegangen. Nechludoff hatte sie nicht begleiten können, da er an seiner Doktorarbeit zu schreiben hatte, und darum hatte er sich entschlossen, den Sommer bei seinen Tanten zuzubringen. Er wußte, hier würde er die für seine Arbeit notwendige Ruhe finden, ohne daß ihn etwas ablenkte; er wußte auch, daß seine Tanten ihn sehr lieb hatten, und er liebte auch sie und ihr einfaches altmodisches Leben.
Er befand sich damals in der begeisterten Gemütsverfassung eines Menschen, der zum erstenmal die Bedeutung und Schönheit des Lebens nach seinem vollen Wert erkennt; er hatte kurz vorher die soziologischen Schriften von Spencer und Henry George gelesen, und der Eindruck, den sie auf ihn gemacht, war um so stärker, als die Fragen, die darin behandelt wurden, ihn direkt angingen, denn seine Mutter war Eigentümerin einer großen Besitzung. Sein Vater hatte thatsächlich kein Vermögen gehabt, doch seine Mutter hatte ihm als Mitgift ungefähr 10 000 Deßjatinen Land zugebracht, von denen der größte Teil ihm eines Tages zufallen sollte. Und nun entdeckte er zum erstenmal, wie grausam und ungerecht das System des Privatgrundbesitzes war!
Da er von Natur aus zu denen gehörte, denen das im Namen eines moralischen Bedürfnisses gebrachte Opfer einen wahren Genuß bereitet, so hatte er sich sofort entschlossen, für seinen Teil auf sein Eigentumsrecht zu verzichten, und den Bauern sein eigenes Besitztum, das heißt, das von seinem Vater ererbte kleine Gut abzutreten. In diesem Sinne hatte er übrigens auch seine Doktorarbeit abgefaßt und das Grundeigentum darin behandelt. Das Leben das er auf dem Lande bei seinen Tanten führte, war äußerst regelmäßig. Er stand sehr früh, manchmal um 5 Uhr morgens auf, badete sich in dem kleinen Fluß, der am Fuße der Hügel dahinfloß, und kehrte dann durch die noch taufeuchten Wiesen nach dem alten Hause zurück. Nach dem Frühstück arbeitete er oder ging wieder aus und durchstreifte bis 11 Uhr die Felder. Vor dem Essen schlummerte er ein bißchen im Garten; bei der Tafel belustigte und entzückte er seine Tanten durch seine unermüdliche Fröhlichkeit; abends las er wieder oder blieb im Salon bei seinen Tanten, die ihm das Patiencelegen beibrachten. Oft konnte er in der Nacht, namentlich in den Mondnächten, nicht einschlafen, denn die in ihm brausende, jugendliche Lebensfreude hielt ihn wach; dann ging er bis zum Tagesanbruch in den Garten und überließ sich seinen Träumen.
So war sein Leben ruhig und glücklich während des ersten Monats bei den Tanten verflossen, und während dieses ganzen Monats hatte er das junge Mädchen nicht einmal beachtet, das halb als Mündel seiner Tanten, halb als Kammerzofe neben ihm lebte. Unter der Obhut seiner Mutter aufgewachsen, besaß