Скачать книгу

Diese Komödie hätte Ike Clanton ja niemals mitgemacht.

      Der Anführer der Kapuzenmänner, der jetzt sechs Schritte vor der Mitte des Halbkreises stand und auf den See hinausstarrte, konnte nicht Ike Clanton sein.

      Es war still geworden am Roten See.

      Die sechsundzwanzig Männer – ihre Zahl hatte sich ja jetzt um zwei vermehrt – standen da und blickten auf das Wasser hinaus, in dem sich das schwache Sternenlicht und ferner fahler Mondschein spiegelten.

      Der Marshal hatte ein seltsames Gefühl in seiner Brust, als er jetzt hier in dieser geheimnisvollen, düsteren Runde stand.

      Wieder mußte er an die Männer mit den weißen Kapuzen denken, die damals in seiner Heimat so fürchterlich gehaust hatten. An den Ku-Klux-Klan. Und nicht nur in Illinois und in Missouri hatten sie gehaust – sie waren in Kansas gewesen, in Texas, in New Mexico und Colorado und weiter noch im Westen drüben. Und in den Gazetten hatte man lesen können, daß sie sogar in den Osten vorgedrungen waren. Nach Tennessee, nach Kentucky, nach Indiana und Ohio. Ja, es hieß sogar, daß sie in Virginia aufgetaucht wären. Der Krieg schien den Ku-Klux-Klan aufgelöst zu haben. Man hatte bis heute auch so gut wie nichts mehr von diesem fürchterlichen, grausamen Geheimbund gehört.

      Und was war das, was jetzt um den Marshal herum stand? Waren das nicht die Männer vom Ku-Klux-Klan?

      Weshalb geschah denn nichts? Brennend vor Ungeduld stand der Marshal mitten unter ihnen und blickte auf den Anführer.

      Was würde nun geschehen?

      Weshalb waren sie hier zusammengekommen?

      So geschickt sie auch vorgegangen waren, den Augen der indianischen Späher war ihre Anwesenheit hier am Roten See nicht entgangen.

      Wahrscheinlich war es einigen von ihnen nicht möglich gewesen, zeitig hier am Treffpunkt aufzutauchen und deshalb hatten sie sich auf mehrere Tage festlegen müssen. Nur diesem Umstand hatte der Marshal es zu verdanken, daß er hier unter ihnen stehen konnte.

      Und es war ein wahres Glück, daß ihn niemand von den Anführern der Gang von Angesicht kannte.

      Hoffentlich kannte auch niemand den Georgier.

      Aber sein Gesicht war ja unter einer Kapuze verdeckt. Und seine Stimme hatten sie offenbar nicht erkannt.

      Stumm standen die beiden im Halbkreis der Galgenmänner am Roten See in den Silver Mountains. Der vierte von links war der Marshal Wyatt Earp, und der vorletzte auf der rechten Seite war der gefürchtete Doc Holliday. Und die Verbrecher ahnten nicht, daß der schlimmste Feind, den sie besaßen, mitten unter ihnen weilte.

      Es mochten etwa fünf Minuten vergangen sein, als sich der Anführer plötzlich umwandte.

      Er hob wieder seine behandschuhte Linke, und der voriger Sprecher trat einen Schritt vor und wandte sich an die Männer.

      »Es muß vieles besprochen werden. Der Boß hat beschlossen, daß neue Wege beschritten werden müssen. Wenn wir unsere Idee zum Ziel bringen wollen, müssen wir mehr geben, viel mehr. Murrt nicht!«

      Es murrte niemand.

      Dennoch wiederholte der Sprecher diese Aufforderung.

      »Murrt nicht! Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir kämpfen. Noch mehr kämpfen! Vor allem muß energischer gegen unsere Widersacher vorgegangen werden. Bevor ich auf einzelne Punkte zu sprechen komme, will ich noch einmal das wiederholen, was ich schon gestern und vorgestern gesagt habe: Unser größter Feind muß vernichtet werden! Dieser einzelne Mann hat uns bereits mehr Schaden zugefügt, als sonst irgend etwas seit dem Bestehen unseres Bundes. Er muß vernichtet werden. Vier Gruppen sind auf ihn angesetzt. Er lebt immer noch, wie wir erfuhren. Der Boß gibt euch hier noch einen Monat Zeit. Wenn der Mann dann noch nicht ausgelöscht ist, werdet ihr bestraft, denn ihr seid die Verantwortlichen und somit die Schuldigen.«

      Nach diesen Worten ließ der Sprecher der Galgenmänner eine Pause eintreten.

      Wyatt hätte laut herausbrüllen mögen vor Lachen über diese geisterhafte Komödie – wenn sie nicht einen so düsteren, traurigen, ja, tragischen Hintergrund gehabt hätte. Diese vierundzwanzig Männer, die hier um ihn herum standen, führten die größte und gefährlichste Verbrecherbande an, die es jemals in diesem Land gegeben hatte. Selbst die Crew des Ike Clanton war ein Nichts dagegen gewesen. Und deshalb gab es wirklich nichts zu lachen hier. Was hier geschah, war blutiger, mörderischer Ernst. Diese Menschen waren zu allem entschlossen, um einer irrsinnigen Idee zum Sieg zu verhelfen. Höchstwahrscheinlich verschanzten sie sich hinter dieser sogenannten Idee, um persönlich zu Reichtum und Wohlstand zu kommen. Wie es nicht anders beim Ku-Klux-Klan gewesen war.

      Der Sprecher hob wieder die Hand und fuhr fort:

      »Es ist ein Wahnsinn, daß dieser einzelne Mann noch immer gegen uns arbeiten kann. Ich werde hier noch einmal seinen Namen nennen, damit ihr nicht behaupten könnt, ihr hättet ihn nicht gewußt. Es ist Wyatt Earp, der Marshal aus Dodge City. Ein einzelner Mann – well, Doc Holliday ist bei ihm. Es sind also zwei, wenn wir es genau nehmen wollen. Aber was sind zwei Männer gegen den Bund?!«

      Wieder ließ er eine kurze Pause eintreten, um dann fortzufahren:

      »Und doch haben sie ein gewaltiges Loch in unsere Kette gerissen. Wenn unsere Brüder drüben in Martini nicht rechtzeitig aufgepaßt hätten, wäre größeres Unheil nicht verhindert worden.«

      Es war wieder einen Augenblick still, und der Marshal hatte Gelegenheit, über diese Worte des Galgenmannes nachzudenken.

      Was war in Martini verhindert worden? War er doch näher am Ziel gewesen, als er geahnt hatte? Lag der Grund des Geheimnisses, das große Camp doch drüben hinter der Grenze Mexikos? Hatte er jetzt das wichtigste Geheimnis seit seinem verhängnisvollen Ritt nach Kom Vo erfahren? Viele Wochen schon war er hinter den Galgenmännern her; sollte es ihm nun gelungen sein, wirklich etwas Entscheidendes zu erfahren? Sie gingen unendlich vorsichtig vor – und ahnten doch nicht, wieviel jetzt schon an ihren gefährlichsten Feind verraten worden war.

      Sie kannten den Wolf so genau, der da an ihrer Höhle saß. Wenn sie auch nicht wußten, wie er aussah. Aber es gab genug Mitglieder ihrer Gang, die den Marshal kannten.

      Wyatt überlegte, daß er, wenn er den Roten See verlassen hatte, auf schnellstem Wege die Hilfe des Militärs in Anspruch nehmen mußte, um drüben hinter der mexikanischen Grenze in Martini das Camp der Galgenmänner aufzuspüren und auszuheben. Allein konnte er mit Doc Holliday gegen eine so übergroße Zahl von Banditen kaum Nennenswertes ausrichten.

      Wyatt hatte keine Gelegenheit mehr, länger über diese Dinge nachzudenken, denn der Sprecher hatte die Hand wieder gehoben und fuhr fort:

      »Ich komme gleich auf die wichtigsten Dinge zu sprechen, muß aber noch erwähnen, daß so ungünstige Ergebnisse, wie sie in Cazador und auch in

      Pearce in Doc Cabeza und Turkey Flat erzielt worden sind, mehr Nachteil als Vorteil gebracht haben. Es sind keine Leute mehr anzusetzen, die für solche Aufgaben nicht geeignet sind. Wenn die Organisation groß und stark werden soll, dann müssen nur die besten Männer eingesetzt werden. Ihr alle wißt, daß in Safford ein guter Tag für uns gewesen ist. Aber davon können wir nicht ewig leben. Drei Gruppen unter euch müssen in Casa Grande mit größtem Einsatz zu Werke gehen. Der Boß verlangt alles!«

      Also der große Bankeinbruch von Safford ging auf das Konto der Galgenmänner. Wyatt Earp hatte vor anderthalb Monaten von dem Überfall auf die Bank von Safford gehört, bei dem Überfall waren der Bande über zwanzigtausend Dollar in die Hände gefallen; Wyatt vermutete, daß die Summe weit höher gewesen war, daß aber der Bankier, der bei dem Überfall verletzt worden war, nicht mit der Höhe herausrücken wollte, da er offensichtlich die Rache der Galgenmänner fürchtete.

      Daß es die Galgenmänner gewesen waren, war nicht erwähnt worden. Aber Wyatt war jetzt klar, daß der Bankier es sicher wußte.

      Der Sprecher erklärte weiter: »Am Tag von Casa Grande wird gekämpft. Ihr wißt, daß die Stanfield-Cowboys aus der Nähe fast ständig in der Stadt herumlungern.

Скачать книгу