ТОП просматриваемых книг сайта:
Animant Crumbs Staubchronik. Lin Rina
Читать онлайн.Название Animant Crumbs Staubchronik
Год выпуска 0
isbn 9783959913928
Автор произведения Lin Rina
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Vorsichtig griff ich danach, zog ihn nach vorne und sofort begann die Maschine zu schnurren wie eine Katze, die gekrault werden wollte.
Zahnräder setzten sich in Bewegung, Federn spannten sich, Riemen drehten sich. Und ich konnte nicht anders, als mich vorzubeugen und durch die Öffnung in der Wand zu starren, wie ein Kind, das sich an der Fensterscheibe eines Süßwarengeschäftes die Nase platt drückte. Es war wie das erste Mal in die Sterne zu sehen, und ich hätte gerne laut gelacht wegen des überschäumenden Gefühls in meiner Brust.
Und dann kam etwas auf mich zu. Erschrocken wich ich zurück und drei schmale Holzkarten schossen aus der Öffnung hervor, stießen ans Ende der Schiene und blieben schwankend stehen. Diese Karten hatte ich auch in meiner Kammer gesehen. Die beiden Löcher am oberen Teil waren also die Aufhängung für diese Schiene.
Doch am erstaunlichsten war, dass all diese Karten die Titel von Büchern wiedergaben, in denen es um Thermodynamik ging. Die Thermodynamik chemischer Vorgänge von Helmholtz, Thermochemische Untersuchungen von Hermann Heinrich Hess und ein Lehrbuch der physikalischen Chemie.
»Umwerfend«, konnte ich nur sagen und Mr Reeds Lächeln verharrte auf seinen Lippen. Er sah recht ansehnlich aus, wenn er lächelte.
Doch dann verschwand es plötzlich, er straffte die Schultern, bekam wieder sein ernstes, verkniffenes Gesicht und räusperte sich dann dezent, während er eine silberne Taschenuhr hervorholte. »Gut. Nachdem Sie nun wissen, was es ist, überlasse ich Sie Mr Lennox«, klärte er mich auf, während er auf die Uhr spähte und sich dabei schon fast wieder abgewandt hatte. »Er hat dieses Monster gebaut und er wird Ihnen auch erklären, wie Sie in Zukunft die Karteikarten in die Schienen einhängen können.« Er nahm seine Brille von ihrem Platz an seiner Weste und setzte sie sich auf die Nase. »Aber passen Sie auf die vierte Stufe auf. Die ist locker«, sagte er, ließ die Uhr wieder in der Tasche verschwinden und ging.
Verwundert sah ich ihm nach, wie er in seinem Büro verschwand, und wusste nicht, was ich davon zu halten hatte. Wer war dieser Mann? Ein verklemmter, verstaubter Bibliothekar oder ein fortschrittsliebender Visionär? Und wie ließen sich diese zwei Seiten, die er mir bisher gezeigt hatte, in einer Person vereinbaren?
Wirklich kompliziert.
Das Achte oder das, in dem ich eine tollkühne Tat plante.
Es war nicht so einfach zu verstehen, wie die Karteikarten in die Maschine sortiert wurden, sodass sie auch korrekt wieder abgerufen werden konnten. Hinzu kam, dass Jamie Lennox zwar ein gesprächiger Bursche, aber ein miserabler Lehrer war. Und als ich das System endlich begriff, hatte ich unfreiwillig ebenfalls erfahren, dass Mr Lennox’ Familie aus Nordengland stammte, sie allesamt Uhrmacher waren, sein Vater die Maschine entworfen hatte und dass seine Mutter diese Arbeit mit den großen Teilen gar nicht schätzte.
Er war höflich und nett und aus irgendeinem Grund mochte ich ihn, ganz gleich, dass er viel zu viel redete. Er war nicht dumm, auch wenn er sich nicht so gewählt ausdrückte wie die feine Gesellschaft, und ich beantwortete ihm sogar seine Fragen zu meiner Person und wie es dazu gekommen war, dass ich jetzt hier arbeitete, obwohl es für gewöhnlich nicht meine Art war, fremden Männern so was auf die Nase zu binden. Er brachte mich dreimal zum Lachen und gegen Ende konnte ich mich des Eindrucks nicht mehr erwehren, dass er versuchte, mich mit seinem Charme für sich zu gewinnen.
Der Klang von Big Ben ließ ihn nach einer vergangenen Stunde jedoch zusammenschrecken, er entschuldigte sich eilig und packte sein Werkzeug zusammen.
»Sagen Sie Mr Reed, wenn er zurück ist, dass ich mich nächste Woche um die Stufe kümmere. Ich muss jetzt los«, teilte er mir mit und ich runzelte die Stirn.
»Wenn Mr Reed wieder zurück ist? Wo ist er denn hin?«, fragte ich nach und Mr Lennox zuckte nur mit den Schultern.
»Was weiß ich. Ich weiß nur, dass er jeden Mittwoch gegen Mittag spurlos verschwindet«, behauptete er.
Ich sah ihm hinterher, wie er die Stufen nach unten lief, Cody grüßte und dann durch den Haupteingang verschwand.
Mich ließ die Aussage nicht los, Mr Reed würde einfach verschwinden, und ich ging die paar Schritte bis zu seinem Büro, um dort unauffällig an der Tür zu lauschen. Schon der erste Eindruck war, dass sich niemand darin befand und nach einigen Sekunden wurde es mir bestätigt. Ich hatte genug Erfahrung im Lauschen, dass ich sehr schnell wusste, ob ein Raum verlassen war oder nicht.
Also ging ich den Rundgang entlang, sortierte ein paar Bücher, die mir gerade ins Auge sprangen, und hielt Ausschau. Er war weder im Lesesaal noch im Foyer. Ich stieg die Treppen nach unten und sah kurz in den Seitenflügeln nach. Doch Mr Reed blieb verschwunden.
Der einzige Ort, an dem ich nicht nachsah, war das Archiv. Falls er dort war, befand sich das außerhalb meines Interessenbereiches, denn ich würde nicht nach ihm suchen gehen.
Schlendernd ging ich zurück in meine Kammer, nietete Metallplättchen auf Buchrücken, bis mir vor Anstrengung die Arme zitterten, und ging dann zurück ins Foyer, um die Rückgaben zu sortieren.
Ein Blick auf die Uhr erinnerte mich daran, dass ich vergessen hatte, meine Mittagspause zu machen und ich ärgerte mich ein wenig über mich selbst.
»Cody, darf ich Ihnen eine Frage stellen?«, sprach ich den Jungen an, der gerade zurückkam, um den nächsten Schwung Bücher bei mir abzuholen.
Er sah verstohlen auf seine Hände und nickte zaghaft. Ich war mir nicht sicher, ob er mir antworten würde, schließlich hatte er bisher in meiner Gegenwart keinen Ton rausgebracht.
Da ich ihn nicht in eine für ihn unangenehme Lage bringen wollte, entschied ich mich, meine Fragen so zu formulieren, dass er sie mit einer Kopfbewegung beantworten konnte.
»Verschwindet Mr Reed jeden Mittwochmittag?«, erkundigte ich mich und Cody nickte. Schon mal ein kleiner Erfolg für meine Taktik.
»Kommt er denn wieder?«, fragte ich weiter und Cody schüttelte den Kopf.
Das war wirklich äußerst seltsam. Mr Reed ging zu Mittag und nahm sich den Nachmittag einfach frei? Das war schon wieder etwas, das zu seinem Wesen überhaupt nicht zu passen schien. Ich schätzte ihn als einen Mann ein, der eher länger blieb, als früher zu gehen, und er hatte mir bereits selbst gesagt, dass er seine Arbeit sehr ernst nahm.
Was gab es also, das wichtiger war als seine geliebte Bibliothek?
»Wissen Sie denn, wo er hingeht?«, erkundigte ich mich und Cody schüttelte wieder den Kopf, während er Bücher von dem Ständer vor mir auf einen Bücherwagen umlud.
Einerseits irritierte es mich, dass ich nun allein und ohne Aufsicht von Mr Reed in diesen Räumen war, andererseits ließ es mich in einer gewissen Weise aufatmen. Sein unsichtbarer Blick, der immer schwer auf mir gelastet hatte, war verschwunden und ich fühlte mich weit weniger beobachtet, auch wenn mir die skeptischen Blicke der Studenten immer noch überallhin folgten.
Eine arbeitende Frau war keinem von ihnen geheuer und oft flüsterten sie über mich. Doch solche Anfeindungen war ich gewöhnt. Zu Hause in unserem Städtchen sahen mich die meisten so an, Männer wie Frauen, und sie tuschelten über das seltsame Mädchen, das sich immer hinter seinen Büchern versteckte.
Sollten sie doch reden. Was wussten sie schon?
Ich ging und holte mir einen Tee und ein Stück Plundergebäck in der Cafeteria. Da Mr Reed ja nicht da war, hatte ich auch kein schlechtes Gewissen, einfach außerhalb meiner Pausenzeiten zu verschwinden, schließlich hatte ich meine Mittagspause heute ausgelassen.
Während ich meine Tasse über den Hof und den unebenen Weg bis zur Bibliothek balancierte und stark darauf achten musste, mir dabei nicht den Handrücken zu verbrennen, dachte ich darüber nach, wie ich es anstellen könnte, mir meinen Tee künftig in der Bibliothek