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      Irgendwo tropfte Wasser auf den Boden. Die Wäschereimaschinen sorgten für ein konstantes Brummgeräusch und eine kaum wahrnehmbare Vibration der Mauer.

      Ich öffnete die erste Tür zu meiner Linken. Der Kellerboden war mit Unrat bedeckt. Dicke Spinnweben am Eingang machten deutlich, daß der Keller seit Monaten nicht mehr betreten worden war. Ich ging zur nächsten Tür und traf die gleiche Feststellung. Als ich die dritte Tür öffnete, prallte ich zurück. Mir war zumute, als erhielt ich einen Faustschlag ins Gesicht.

      Die hochgedrehte Flamme meines Gasfeuerzeugs traf auf ein Paar große, grünlich leuchtende Augen. Ich blickte in das Gesicht von Lala Price.

      Das Bildnis der Ermordeten

      Das Bild hing mir genau gegenüber. Es war von einem Goldrahmen eingefaßt. Ich trat langsam darauf zu. Die zitternde Flamme erweckte die Illusion, daß Lala Price’ Züge sich bewegten und veränderten. Es war, als husche ein spöttisches Lächeln darüber. Ich stoppte vor dem Bild und erkannte Jade Gardners Initialen in der rechten unteren Ecke.

      Ich mußte dem Maler recht geben. Dieses Gemälde war ihm fabelhaft gelungen. Das in Öl gemalte Gesicht war von faszinierender Lebendigkeit, die Augen waren mit einem Ausdruck untergründigen Spottes auf mich ger ichtet, fast schien es so, als enthielten sie eine Portion wissender Grausamkeit.

      Ich hörte ein Geräusch. Es kam von der Kellertreppe her. Ich verlöschte die Flamme und huschte an die Tür. Stille. Ich wartete fast eine Minute, dann wiederholte sich das Geräusch. Schritte kamen die Treppe herab. Durch die Ritzen des Lattenrostes blitzte Licht. Der Lichtkegel einer Taschenlampe huschte durch den Gang. Er wurde heller und intensiver, als die Person mit der Lampe näher kam.

      Ich preßte mich mit dem Rücken flach an die Wand. Die Schritte stoppten vor der Tür. Mit einem leisen Knarren schwang sie nach innen und deckte mich dabei ab. Ich sah, wie der Lichtkegel das Gemälde traf. Er hielt es fest, zehn oder zwanzig Sekunden lang. Ich hörte das rasche Atmen eines Menschen dicht neben mir, dann betrat dieser Mensch den Keller. Der Mann, den ich jetzt von hinten sah, war nicht sehr groß und ziemlich stämmig. Unter seinem linken Arm klemmte eine Decke. Ein Penner? Nein, dazu paßten weder sein Hut noch der Schnitt seines Anzugs. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen. Ich bemerkte jedoch die auffällig abstehenden Ohren des Mannes.

      Er trat an das Bild heran, nahm es ab und wickelte es in die Decke. Als er die Lampe auf den Boden legte, um mit beiden Händen arbeiten zu können, knipste ich das Feuerzeug an. Der Mann ließ vor Schreck das Bild fallen und wirbelte auf seinen Absätzen herum.

      »Hallo«, sagte ich. »Freut mich, einen kunstsinnigen Mann kennenzulernen. Mit wem habe ich das Vergnügen?«

      Der Schock nahm ihm den Atem. Er keuchte vor Aufregung. Ich schätzte sein Alter auf dreißig. Er hatte ein rundes, glatt rasiertes Gesicht, das durch seine wulstigen Lippen auffiel. Ich sah ihn zum erstenmal.

      »Mensch, haben Sie mich erschreckt«, murmelte er.

      Ich bückte mich nach seiner Lampe, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Wer schickt Sie?« erkundigte ich mich.

      »Was geht Sie das an?« fragte er.

      »Eine ganze Menge«, sagte ich. »Das Mädchen auf dem Bild wurde heute morgen vor meinen Augen ermordet. Inzwischen sind noch andere Dinge passiert, die mein Interesse rechtfertigen. In der Wohnung der jungen Dame entdeckte ich ein Säckchen mit gestohlenen Diamanten — und hier im Haus wurde ein Mann erhängt, der in die Geschichte verwickelt war. Ich könnte Ihnen noch andere, nicht weniger aufregende Einzelheiten nennen, möchte Sie jedoch bitten, sich mit dem Hinweis zufriedenzugeben, daß ich ein G-man bin.«

      »Ein G-man?« Er stellte das Bild ab. »Mord? Damit will ich nichts zu tun haben!« erklärte er entschieden.

      »Ein vernünftiger Standpunkt«, lobte ich. »Wer hat Sie hergeschickt?«

      »Ich kenne den Mann nicht.«

      »Was Sie nicht sagen!« spottete ich. »Aber es ist die Wahrheit, Sir!« ereiferte er sich. »Mein Name ist Bill Grooner. Ich arbeite als Nachtkellner im ,Heaven‘. In der letzten Zeit kann ich tagsüber kaum noch schlafen. Ich weiß nicht, warum. Nervosität, nehme ich an. Nachmittags hänge ich dann meistens in Toms Kneipe herum. Sie ist in dem Haus, wo ich wohne. Brooklyn, Atlantic Avenue. Dort quatschte mich der Mann an, als ich am Automaten stand.«

      »Weiter«, sagte ich, als Grooner eine Pause einlegte.

      »Er fragte mich, ob ich mir einen Fünfziger verdienen möchte. Das kommt auf die Arbeit an, antwortete ich ihm. Er meinte, ich brauchte bloß ein Bild aus dem Keller eines abbruchreifen Hauses zu holen. Er beschrieb mir genau, wo ich es finden würde. Ich fragte ihn, warum er nicht selbst ginge. Er meinte, er könnte sich hier in der Gegend nicht sehen lassen. Na ja, da machte ich mich auf die Socken; Ich bin nicht knapp bei Kasse, aber einem leichtverdienten Fünfziger kann ich nicht widerstehen.«

      »Wie sah der Mann aus?«

      »Groß, noch jung, nicht älter als achtundzwanzig, dunkles Haar, gut gekleidet.«

      »Wo sollen Sie das Bild abliefern?«

      »Er hat mir die Adresse aufgeschrieben Es ist ein Lokal in der Ramsen Street.«

      »Kennen Sie es?«

      »Nein. Ich bin aufgefordert worden, das Bild im Hinterzimmer abzustellen.«

      »Sind Sie schon bezahlt worden?«

      »Ja.«

      »Okay«, sagte ich, »Sie werden das Bild hinbringen.«

      »Hören Sie, Mister«, meinte Grooner zögernd, »mir wäre es lieber, wenn Sie mich verschwinden ließen. Wenn ich gewußt hätte, daß ich in eine Mordgeschichte gerate, wäre ich niemals auf den Vorschlag des Fremden eingegangen. Ich möchte nichts mehr damit zu tun haben.«

      »Sie führen den Auftrag aus, für den Sie bezahlt wurden!« bestimmte ich. »Ihnen wird nichts passieren. Lassen Sie mich einen Blick auf den Zettel mit der Adresse werfen.«

      Place of all Places, Ramsen Street 41

      stand auf dem Zettel.

      »Der Mann sagte mir, ich solle das Haus durch den Hintereingang betreten und wieder verlassen«, berichtete Grooner. »Das kam mir ein bißchen seltsam vor, aber dann sagte ich mir, daß ein Bild, das ungesichert in einem Keller hängt, kaum einen großen Wert verkörpern kann.«

      »Ich muß noch einen Blick auf Ihren Ausweis werfen«, sagte ich. Grooner händigte mir seinen Führerschein aus. Er hatte mir seinen richtigen Namen genannt. »Das genügt«, sagte ich. »Sie bleiben noch fünf Minuten hier, dann fahren Sie mit dem Bild los.«

      »Okay«, sagte Grooner. Ich verließ den Keller und betrat die Straße. Als ich mich in meinen Jaguar setzte, kreuzte ein Patrolcar der City Police als Vorausabteilung auf. Ich stellte mich dem Sergeant vor und bat ihn, Grooner mit dem Bild nicht aufzuhalten.

      »Das Mädchen, das den Toten gefunden hat, sitzt da vorn in dem Metropolitan«, sagte ich. »Ich kann nicht warten, bis die Mordkommission eintrifft — aber ich melde mich, sobald ich kann.«

      Ich fuhr zur Ramsen Street. Das Place of all Places entpuppte sich als eine gewöhnliche Kneipe. Sie war leidlich gut besucht, strahlte aber nichts von dem Flair aus, das man hinter dem großspurigen Namen vermutete.

      Ich setzte mich an die Theke und bestellte ein Bier. Der Wirt war ein Mittfünfziger mit Halbglatze. Er trug eine knallrote Weste. Das Haar, das seinen Kopf so ängstlich mied, wucherte dunkel und üppig auf seinen tätowierten Armen. Ich trank ein paar Schlucke des ausgezeichneten Bieres, steckte mir eine Zigarette an und marschierte dann zur Toilette.

      Von .dem kurzen weißgekachelten Flur, der hinter dem Zugang lag, zweigten vier Türen ab. Zwei gehörten zu den Toiletten, eine führte in die Privaträume und war dementsprechend gekennzeichnet, an der dritten hing ein ovales Schild mit dem Aufdruck »Klubzimmer«.

      Diese

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