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      Carsten war der geborene Animateur. Er hatte keine Schwierigkeiten, auf Menschen einzugehen, konnte sich mit jedem unterhalten, war wortgewandt, witzig und sympathisch. Dennoch hielt Marina ihn auf Distanz, weil Veronika ihn allem Anschein nach zu sehr schätzte.

      Ihr Drink kam, sie fischte die Eiswürfel aus dem Glas und legte sie in den Aschenbecher. »Ich habe vergessen, zu sagen, dass ich kein Eis möchte«, murmelte sie.

      »Ich nehme auch nie Eis. Ist nicht gesund für den Magen«, sagte Carsten und nahm einen Schluck von seinem Mineralwasser. »Wie lange bleibt ihr?«

      »Fünf Wochen«, antwortete Veronika.

      »Großartig!«

      »Da hast du jede Menge Zeit, uns zu schinden«, meinte Veronika lachend.

      »So fit seid ihr noch aus keinem Urlaub nach Hause gekommen, das verspreche ich euch«, bestätigte Carsten. »Vorausgesetzt, ihr macht ehrlich mit und mogelt nicht. Macht ihr eigentlich zu Hause Gymnastik?«

      »Ein bisschen«, antwortete Veronika. »Aber das so regelmäßig wie möglich.« Es gefiel ihr, dass Carsten in ihr nicht die bekannte Schauspielerin sah und sie unentwegt anhimmelte. Er ging mit ihr wie mit jedem anderen Gast um, und genau so wollte sie behandelt werden.

      Marina jedoch gefiel es nicht, dass Carsten ihnen seine Begleitung anbot. Er sagte, er könne sich jederzeit vertreten lassen und ihnen die verborgensten Schönheiten der Insel zeigen.

      Als er sie wenig später allein ließ, meinte Veronika versonnen: »Eines steht fest: Langeweile wird hier mit Sicherheit nicht aufkommen. Netter Typ, dieser Carsten, findest du nicht auch?«

      Marina rang sich ein widerstrebendes »Nicht übel« ab.

      »Ich mag ihn. Wir werden mit diesem lustigen Burschen bestimmt noch sehr viel Spaß haben.«

      Marina schluckte nervös. Sie fürchtete, zu wissen, welchen Spaß Veronika meinte. »Du hast doch nicht etwa die Absicht, dich auf einen Flirt mit Carsten einzulassen?!«

      Veronika lächelte. »Warum sollte ich mich nicht mit ihm amüsieren?«

      Weil du siebenundvierzig bist und er höchstens fünfunddreißig!, hätte Marina beinahe geantwortet. Weil er auf Grund dieses Altersunterschieds nicht zu dir passt! Vor allem aber deshalb, weil du eine verheiratete Frau bist!

      »Und was tue ich, während du dich mit Carsten amüsierst?«

      »Ich weiß nicht, mit welchem Vorsatz du auf die Insel gekommen bist«, entgegnete Veronika, »aber ich könnte mir vorstellen, dass du Tommy Lindner so rasch wie möglich vergessen möchtest, und das erreichst du am ehesten, wenn du dich kopfüber ins Vergnügen stürzt. Es wimmelt auf der Insel nur so von gut aussehenden jungen Männer, die dich liebend gern auf Händen tragen würden. Du musst es ihnen nur erlauben, Kleines. Gib ihnen eine Chance, und du wirst es ganz bestimmt nicht bereuen.«

      18

      Noch am Tag ihrer Ankunft schrieb Marina einen Kartengruß an ihren Vater. Sie wollte Veronika veranlassen, auch irgendetwas Nettes dazuzuschreiben, doch sie weigerte sich mit der Begründung, Volker könnte daraus ableiten, dass sie sich mit ihm versöhnen wolle oder - was noch schlimmer wäre - sie würde sich ohne ihn auf Teneriffa langweilen.

      Die Aerobic-Stunde mit Carsten, dem Schwarm aller Mädchen zwischen siebzehn bis siebzig, fand im Freien statt. Heiße, mitreißende Rhythmen peitschten aus großen Lautsprechern zu den Turnenden.

      Marina staunte über Carstens ungeheure Beweglichkeit. Sein Körper war unheimlich elastisch und bis zur letzten Faser durchtrainiert. Es machte echt Spaß, ihm nachzumachen, was er vorzeigte, und das Musikprogramm, das er zusammengestellt hatte, animierte die Gruppe zusätzlich.

      Hinterher fragte Carsten: »Na, wie hat es euch gefallen?«

      »Hervorragend!«, antwortete Veronika atemlos.

      »In ein paar Tagen wirst du nicht mehr so keuchen«, prophezeite ihr der gut aussehende Animateur lächelnd. »Morgen wirst du einen Muskelkater haben.«

      »Ich werde ihn ignorieren.«

      »So ist' es richtig. Wer es schafft, den inneren Schweinehund zu überwinden, beendet diesen Urlaub mit einer Superkondition, das kann ich garantieren.«

      Im Bungalow, wo Carsten es nicht sehen konnte, ließ sich Veronika mit ausgebreiteten Armen rücklings quer über das Doppelbett fallen.

      »Meine Güte, bin ich erledigt«, stöhnte sie.

      Marina, der das Aerobic-Training nicht so viel abverlangt hatte, schmunzelte. »Das würdest du Carsten gegenüber selbstverständlich nie zugeben.«

      »Ich gebe mir doch keine Blöße.«

      »Es ist keine Schande, nach so einem ungewohnten Training erschöpft zu sein.«

      »Selbst wenn er mich so schindet, dass ich reif fürs Sauerstoffzelt bin, wird er mir das nicht anmerken.«

      »Du gehst erst in die Knie, wenn Carsten nicht mehr in der Nähe ist.«

      »Sehr richtig«, gab Veronika zu.

      »Weil du ehrgeizig bist.«

      »Weil ich nicht will, dass jemand denkt, mit der Hagen ist nichts mehr los.«

      »Du möchtest nicht, dass Carsten das denkt«, stellte Marina richtig.

      »Klar.«

      »Ihm soll nicht in den Sinn kommen, nachzurechnen, wie alt du bist. Weil er erst fünfunddreißig ist, während du schon ...«

      »Ich weiß, wie alt ich bin«, fiel Veronika ihrer Tochter ins Wort. »Und ich stehe auch dazu. Aber ich bin nicht gewillt, mich von jungem Gemüse in den Schatten stellen zu lassen. Alles, was du kannst ...«

      »Kannst du noch viel besser.«

      »Das nicht, aber ebenso gut. Wollen wir wetten?«

      »Wenn du dich mal nicht übernimmst.« Marina wiegte bedenklich den Kopf.

      19

      Die Fahrt nach Teno, der Westspitze Teneriffas, war abenteuerlich. Bis Buenavista war die Straße asphaltiert, aber danach ging es über Stock und Stein. Hinter dem Landrover, der von einem tiefen Schlagloch ins andere rumpelte, stieg eine dichte Staubwolke hoch. Links ragte das schroffe Felsmassiv des Tenogebirges hoch, während rechts die Klippen steil zum Atlantik abfielen.

      Veronika schaute ein wenig blass in die Tiefe. »Wer

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