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weiß es.«

      10

      Eine Woche vor der Abreise kam Marina zufällig an der Fahrschule vorbei. Wie vom Donner gerührt riss sie die Augen auf und hielt gleichzeitig den Wagen an. Eine Welt brach für sie zusammen, als sie Tommy mit Doris Staller sah. Die beiden waren ein Herz und eine Seele, scherzten und lachten miteinander, verstanden sich sichtlich großartig. Nichts von alldem, was Tommy gesagt hatte, schien wahr zu sein. Er empfand offensichtlich immer noch sehr viel für seine Ex-Verlobte. Jetzt streichelte Doris seine Wange, und ihm schien das sehr zu gefallen!

      Eine unsichtbare Hand legte sich um Marinas Kehle und drückte zu. Sie kämpfte verzweifelt gegen die Tränen an, zitterte und konnte nicht fassen, was sie sah. Noch nie war sie so unglücklich gewesen. Wie konnte ihr Tommy das nur antun? Sie hatte ihm vertraut, und er missbrauchte dieses Vertrauen auf eine so skrupellose Weise. Seine Zärtlichkeiten, seine Liebesschwüre ... Alles Lüge! Warum mussten Männer nur so entsetzlich unehrlich sein?

      Sie sind alle gleich!, dachte Marina bitter. Wie konnte ich annehmen, Tommy wäre anders? Warum habe ich ihm geglaubt? Ich bin eine Närrin! Die Welt lacht über mich - und Doris und Tommy lachen mit!

      Es kam noch schlimmer ...

      Doris und Tommy küssten sich! Vor der Fahrschule! In aller Öffentlichkeit, als hätten sie nicht das Geringste zu verbergen! Autos fuhren vorbei! Menschen gingen an ihnen vorbei! Und sie küssten sich ganz ungeniert!

      Das war zufiel für Marina. »Das verzeihe ich dir nie«, flüsterte sie und fuhr weiter.

      Doris stieg ebenfalls in ihren Wagen. Als sie losfuhr, winkte Tommy ihr lächelnd hinterher.

      »Schuft! Elender Lügner!«, machte sich Marina Luft und bog rechts ab. »Du bist für mich erledigt! Ich danke dem Himmel, dass er mir noch vor unserer Griechenlandfahrt die Augen geöffnet hat. Hinterher hätte es mich schmerzlicher getroffen.«

      Eine bodenlose Gemeinheit war das! Wie lange ging das schon so mit den beiden? Hatte es nie richtig aufgehört? Trug Tommy deshalb immer noch Doris’ Foto bei sich? Kam er nicht von ihr los? Nun gut, dann sollte sie ihn wieder ganz haben. Mit einem Mann, der heute sie und morgen eine andere küsste, wollte Marina nichts zu tun haben. Sie war sich zu schade als zweite Besetzung.

      Wie hatte sich dieser unverschämte Kerl das eigentlich vorgestellt?, fragte sich Marina wütend. Wollte er zwischen Doris und mir hin und her pendeln? Mal die, mal die andere, weil er sich nicht entscheiden konnte?

      »Ich nehme dir die Entscheidung ab, mein Freund!«, sagte Marina spröde. »Ich ziehe mich von dir zurück!«

      Sie hätte in ihrer Wut beinahe die nächste rote Ampel übersehen. Scharf bremste sie ab und kam gerade noch vor dem Fußgängerübergang zum Stehen. Das Quietschen der Reifen riss die Passanten kurz aus ihrer Alltagslethargie. Kopfschüttelnd gingen sie weiter.

      Wenn ihr wüsstet, wie es in mir aussieht!, dachte Marina unglücklich. Sie wollte so schnell wie möglich nach Hause, wollte keinen Menschen sehen, sich in ihr Zimmer einschließen, aufs Bett werfen und weinen. Auf das Bett, in dem sie sich einmal mit Tommy geliebt hatte. Einen größeren Fehler hatte sie nicht machen können.

      Daheim raste sie mit einem Irrsinnstempo in die Doppelgarage. Es war nicht Können, sondern Zufall, dass nichts passierte. Sie sprang aus dem Wagen, als hätte sie erfahren, dass sich eine Bombe unter der Motorhaube befand, die gleich hochgehen würde.

      Als sie ins Haus stürzte, trat Veronika aus dem Wohnzimmer. Sie sah den verzweifelten Ausdruck in Marinas Gesicht und die Tränen in ihren Augen, die sie kaum noch zurückhalten konnte.

      »Schätzchen, was ist geschehen? Hattest du einen Unfall?«

      »Schlimmer!«, schluchzte Marina. »Viel schlimmer!«

      »Hattest du Streit mit Tommy?«

      »Ich will ihn nie mehr sehen!«, schrie Marina leidenschaftlich. »Dieser Schuft ist für mich gestorben.«

      »Was hat er denn getan?«

      »Ich kann jetzt nicht darüber reden«, antwortete Marina, rannte die Treppe hinauf, schloss sich ein und ließ den Tränen freien Lauf. Sie fühlte sich, als hätte man ihr das Herz herausgerissen.

      11

      Erst am nächsten Vormittag konnte Marina über ihren Kummer sprechen. Sie hatte eine scheußliche Nacht hinter sich, war von entsetzlichen Alpträumen gequält worden und sah elend aus. Und genau so fühlte sie sich auch. Der Traum vom wunderschönen Griechenlandurlaub war ausgeträumt. Keinen Meter wollte Marina mit Tommy mehr fahren - nirgendwohin!

      »Das muss ein Schock für dich gewesen sein«, sagte Veronika mitfühlend, nachdem sie erfahren hatte, was Tommy getan hatte. »Ich hätte ihm so etwas nicht zugetraut.«

      »Denkst du ich?« Marinas Stimme hörte sich schon wieder nach Tränen an. »Er hat mich schmählich hintergangen! Betrogen hat er mich mit seiner Ex-Verlobten!«

      »Bist du ganz sicher, dass du die Situation nicht falsch gedeutet hast?«

      »Die beiden haben sich auf der Straße geküsst. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich konnte die Situation unmöglich falsch einschätzen!«, sagte Marina leidenschaftlich.

      »Und was nun?«

      »Ich bin mit Tommy Lindner fertig.«

      »Stellst du ihn nicht zur Rede?«

      »Er ist für mich gestorben. Ich will mich nicht nochmal aufregen, das ist er nicht wert.«

      »Und Griechenland? Ich nehme nicht an, dass du da allein hinfahren willst.«

      »Die Griechenlandreise wird ersatzlos gestrichen«, antwortete Marina energisch.

      »Warum ersatzlos?«, fragte Veronika. »Warum kommst du nicht mit mir nach Teneriffa? In meinem Bungalow ist Platz genug, und ich würde mich freuen, dich bei mir zu haben.« Sie legte den Arm um Marinas Schultern. »Ich weiß, wie das ist, wenn man von einem Menschen, dem man sehr zugetan ist, enttäuscht wird. Dein Vater hat mich auch sehr enttäuscht, wie du weißt.«

      »Das war etwas anderes. Er hat dich nicht betrogen.«

      »In gewisser Weise schon. Er hat mich um die Rolle betrogen, die ich so gern gespielt hätte.«

      »Trägst du ihm das immer noch nach?«, fragte Marina, die es gern gesehen hätte, wenn sich ihre Eltern wieder vertragen hätten.

      »Er hat es bis heute nicht der Mühe wert gefunden, sich zu entschuldigen.«

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