Скачать книгу

liebes Kind, dein Vater ist kein ängstlicher Typ. Wenn ihm an einer Versöhnung läge, würde er sich unerschrocken in die Höhle der Löwin wagen.«

      Marina glaubte, zwischen den Silben herauszuhören, dass Veronika eventuell bereit gewesen wäre, ihren Mann wieder bei sich aufzunehmen. Aber sie wollte auf keinen Fall den ersten Schritt tun - und ihr Mann anscheinend auch nicht. Aber einer der beiden musste nachgeben, sonst kamen sie nie zusammen.

      Veronika streichelte die Wange ihrer Tochter. »Na, wie ist’s? Kommst du mit nach Teneriffa? Wir mieten einen Wagen und sehen uns die ganze Insel an. Da ich schon mal da war, hast du in mir eine ortskundige Führerin. Ich zeige dir einen Jahrtausende alten Drachenbaum, das malerische Bergdörfchen Masca, wir fahren auf den Pico del Teide, das Wahrzeichen der Insel, aus dessen Krater Schwefeldämpfe steigen und von dessen Gipfel du an klaren Tagen Afrika sehen kannst.«

      Marina seufzte tief. »Okay, ich komme mit.«

      Veronika freute sich über die Entscheidung ihrer Tochter. »Du wirst es nicht bereuen«, versicherte sie.

      12

      Marina verlangte von ihrer Mutter, dass sie sie zuverlässig abschirmte. Tommy durfte das Grundstück nicht betreten, und Marina wollte ihn auch nicht am Telefon sprechen. Sie war für ihn nicht mehr erreichbar. Er konnte das anscheinend nicht verstehen. Als er die Griechenlandreise am Telefon erwähnte, erwiderte Veronika nur, die könne er vergessen. Mehr bekam er nicht aus ihr heraus. Als er verwirrt fragte, was dieser plötzliche Boykott zu bedeuten habe, riet ihm Veronika, mal gründlich nachzudenken, dann müsse er eigentlich von selbst draufkommen, und legte auf.

      »Irgendwie tut er mir leid«, sagte die Schauspielerin zu ihrer Tochter.

      Marina sah ihre Mutter entgeistert an. »Und was ist mit mir?«

      »Er hat nicht einmal die Möglichkeit zu erklären ...«

      »Ich bin an seinen Lügen nicht interessiert!«, rief Marina angriffslustig. »Wenn du ehrlich möchtest, dass ich mit dir auf Teneriffa Urlaub mache, solltest du nicht für Tommy Lindner Partei ergreifen, sonst verfeindest du dich mit mir.«

      »Das muss ich natürlich um jeden Preis vermeiden.«

      »Du sagst es«, erwiderte Marina kühl.

      13

      Wie immer, wenn Volker Hagen in der Stadt war, rief er an und traf sich mit seiner Tochter. Er hätte auch seine Frau besucht, aber die wollte ihn ja nicht sehen, und wie ein Bettler vor der Tür seines eigenen Hauses zu stehen, ging ihm gegen den Strich. Sie waren nicht geschieden, gingen nur seit dem großen Krach getrennte Wege.

      Ob sich die Ehe wieder einrenken ließ, wusste keiner. Marina hoffte es, und sie wäre auch jederzeit bereit gewesen, dazu ein bisschen nachzuhelfen. Aber das durfte sie nur tun, wenn sie eine echte Chance für eine Versöhnung sah. Bis dahin musste sie die Zeit arbeiten lassen.

      Ihr war verschiedentlich aufgefallen, dass die Fronten allmählich aufzuweichen begannen. Das erforderte großes diplomatisches Fingerspitzengefühl. Ein falsches Wort konnte zu einer neuerlichen Verhärtung der Fronten führen und die Eltern noch weiter auseinanderrücken lassen.

      Seit Marina nichts mehr von Tommy wissen wollte, nahm ihre Mutter jeden Anruf entgegen. Wenn Veronika nicht im Haus war, läutete das Telefon vergeblich.

      Wen Veronika diesmal in der Leitung hatte, sah Marina sofort an deren Blässe. Der Blick der Mutter verdunkelte sich, und ihre Stimme wurde seltsam brüchig.

      Vater, dachte Marina. Es ist Papa.

      »Marina«, sagte Veronika spröde. »Dein Vater möchte dich sprechen.«

      Marina sprang auf und eilte zum Apparat. »Hallo, Papa!«

      »Hallo, mein Engel, wie geht es dir?«

      »Gut«, antwortete sie, wenngleich es nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber sie konnte ihm jetzt nicht ihr ganzes Leid klagen, das hätte zu lange gedauert.

      »Das freut mich«, sagte Volker Hagen. »Ich würde meine hübsche Tochter sehr gern wiedersehen. Wäre das möglich? Gibst du deinem alten Herrn mal wieder die Ehre?«

      »Jederzeit«, antwortete Marina, die sich auf diese Treffen immer freute.

      Er wohnte immer im selben Hotel, wenn er in der Stadt war, und Marina aß mit ihm jedes Mal

      im dazugehörigen Restaurant. Sie verabredeten eine Uhrzeit, und Marina versprach, pünktlich zu sein.

      Zweieinhalb Stunden nach seinem Anruf saß sie ihrem Vater in ihrem hübschesten Sommerkleid gegenüber. Das Haar hatte sie an den Seiten mit Kämmchen hochgesteckt.

      »Ich muss dir ein Kompliment machen: Du siehst großartig aus«, sagte Volker Hagen lächelnd.

      »Das Kompliment kann ich zurückgeben.«

      Er trug einen modernen, leicht glänzenden grauen Anzug, ein dezent gemustertes Seidentuch bauschte sich im Ausschnitt seines weißen Hemdes. Seine Züge waren scharf geschnitten, und die Silberfäden, die.sein schwarzes Haar durchzogen, machten ihn sehr interessant.

      Dass die Leute zu ihnen herübersahen und über sie sprachen, war Marina gewöhnt. Wenn sie mit Veronika ausging, war es sogar noch ärger. Das war der Preis, den ihre Eltern für ihren Ruhm bezahlen mussten. Wo Licht ist, da ist auch Schatten.

      Marina fragte ihren Vater nach seinen nächsten beruflichen Plänen. Nicht nur deshalb, weil sie wusste, dass er gern über seine Arbeit sprach, sondern auch, weil es sie interessierte.

      Das Stadttheater wollte, dass er zwei Klassiker inszenierte, und sollten sich die Termine nicht mit seinen anderen Projekten überschneiden, wollte er das gern übernehmen. Nachdem er Marina ausführlich davon erzählt hatte, wollte er von ihr hören, ob sie bereits konkrete Urlaubspläne hatte und wenn ja, wohin die Reise gehen sollte.

      Da sie keine so gute Schauspielerin wie ihre Mutter war, sah er die Veränderung in ihrem Gesicht sofort. Sie musste ihm von ihrer bösen Enttäuschung erzählen. Er hörte ihr zu, ohne sie zu unterbrechen. Als sie erwähnte, dass sie nun mit Veronika nach Teneriffa fliegen würde, hellte sich sein Blick auf. Es gefiel ihm offenbar, dass Mutter und Tochter sich gut verstanden, und dass Veronika für Marina da war, wenn sie sie brauchte.

      »Ihr werdet es auf Teneriffa bestimmt sehr schön haben«, sagte er.

      Noch schöner wäre es, wenn du dabei wärst, dachte Marina. Ob er ihre Gedanken erriet? Sein tiefer Seufzer ließ sie es vermuten. Wahrscheinlich hätte er die Reise gern mitgemacht, aber

Скачать книгу