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ulkig nachmacht.

      „Könnt ihr noch nicht klettern?“

      „Das ist doch puppig.“

      „Glaube ich nicht.“

      Die Mutter hebt mit zwei raschen Bewegungen ihre Kinder vom Rollwagen und stellt sie vor sich hin, was das Mädchen mit Genörgel quittiert.

      „Ruhe im Karton“, sagt sie auf eine Art, die mich an meine Mutter erinnert, die ebenfalls sehr bestimmend sein konnte.

      Ich greife mir mein Gepäck. Die Frau umarmt mich zum Abschied wie einen alten Freund, wünscht mir Glück, schöne Momente, neue Erfahrungen und Gesundheit.

      „Das wünsche ich euch auch.“

      Sie gehen Martin entgegen, der sich einen Weg um das Absperrgitter herum bahnt.

      Es ist schwül, die Sonne ist durch Hochnebel oder Smog verdeckt. Ich ziehe meinen braunen Pulli aus, schmeiße ihn in meinen großen dunkelroten Plastikhartschalenkoffer. Ein Thomson, den ich mir vorgestern für fünfzehn Euro im Trödelladen einer sozialistischen Selbsthilfe gekauft habe. Das Ding ist nicht einmal halbvoll, nur mit Klamotten, einem Buch und Fernglas beladen, das ich für fünf Euro in dem sympathischen Trödelladen obendrauf bekam. Der Thomson hat vier Räder und eine Schnur, an der man ihn hinter sich herziehen kann, wenn es der Untergrund zulässt. Ich überlege, ob ich auch meinen kleinen Rucksack, in dem der Laptop, der Camcorder und meine Geldbörse sind, im Koffer verstauen soll, entscheide mich aber dagegen. Ich frage zwei junge Touristinnen, die in indischen Gewändern stecken und sehnsüchtig auf jemanden zu warten scheinen, ob sie wüssten, wie man nach Mamallapuram kommt. Drei Taxifahrer kommen ihnen zuvor, bieten mir die Tour für eintausendzweihundert Rupien an. Ich versuche, zu handeln. Die beiden Schönheiten mischen sich ein und raten mir, mit dem Bus zu fahren, der irgendwo hinter der Menschentraube abfahren soll, das koste nur achtzig Rupien und ginge genauso schnell. Die Taxifahrer geben nicht auf, während ich mich auf den Weg zum Bus mache. Sie unterbieten sich gegenseitig, bekommen sich gar in die Haare darüber, wer meinen Koffer ziehen darf. Ich sage immerzu: „Thank you, I take the bus.“

      ***

      Der fahrende Schrotthaufen ist ungemütlich, rumpelt und hupt sich durch eine Stadt, die schon nach wenigen Minuten aussieht, als hätte sie einen schlimmen Bombenangriff hinter sich. Die Fassaden sind vielfach nicht vorhanden, Menschen bewegen sich in den Ruinen und wirken auf den ersten Blick wie Puppen in einem unaufgeräumten Puppenhäuschen. Kurzum, die Stadt liegt in Schutt und Asche, wer nicht auf seinem Steinhaufen kauert oder durch kaputte Räume geistert, ist Maurer, vermute ich. Alles wirkt wie inszeniert, die Bühne großartig, die Komparsen reichlich. Manche fegen die Straße mit selbstgebastelten Besen, andere klopfen mit winzigen Hämmerchen auf Steinen herum, fünf alte Frauen stapeln rote Ziegelsteine. Viele Menschen hocken einfach nur am Straßenrand und warten möglicherweise auf Anweisungen von ganz oben. Leicht bekleidete junge Männer sitzen auf Gerüsten aus Bambus, manche in schwindelerregender Höhe an gigantischen Betonpfeilern und scheinen die Aussicht zu genießen.

      Ich frage mich, ob dieser Bus wirklich nach Mamallapuram fährt. Mich beschleicht immer mehr das Gefühl, wir dringen tiefer und tiefer in die Baustelle ein. Der Mann, der die Tickets verkauft, nickt mürrisch, sagt etwas von einem Busbahnhof, den Rest verstehe ich nicht. Ich wende mich dem Fahrgast hinter mir zu, auch er nickt, macht eine beschwichtigende Handbewegung. Alles ist gut. Ich bedanke mich, zeige aus dem Fenster, möchte wissen, was hier passiert sei. Er versteht nicht, was ich meine. Der junge Mann hinter ihm mischt sich ein, erklärt mir mit wenigen Worten und vielen Gesten, dass eine Hochstraße gebaut würde. Immer mehr ärmlich aussehende Menschen drängen in den Bus, sie wirken verschlossen und sprechen kein Wort miteinander.

      Das Schlimmste an all dem ist aber nicht, dass Menschen ganz offensichtlich unter solchen unwürdigen Bedingungen leben müssen, sondern, dass ich hier stumpf sitze und kaum schockiert bin. Sie machen es einem aber auch nicht leicht, niemand weint, schreit oder beschwert sich, nicht einmal die Kinder. Die wenigen Kinder, die ich bisher aus dem Fenster gesehen habe, spielen zwischen den Trümmern Kricket oder führen mit einem Stock im Laufschritt einen Reifen spazieren.

      Ich biete einer alten Frau meinen Platz an, die ihn nicht annimmt, also bleibe ich sitzen. Die Menschen riechen hier anders als in Deutschland, würziger, finde ich. Der Verkehr hat zugenommen, ist nicht zum Aushalten. Die Hupe dient als Kommunikationsmittel. Der Bus hält an, weil fünf Wasserbüffel seelenruhig die Straße überqueren. Sie sehen anmutig und stolz aus.

      Das Bild der Stadt ist im nächsten Moment ein anderes, Häuser stehen dicht, rahmen die Straße, jedes trägt aufgepinselte Reklame. Am Straßenrand werden alle möglichen Waren und Speisen angeboten. Die Leute, die sich hier aufhalten, wirken lebhaft, unterhalten sich, lachen, feilschen, einige spielen Backgammon, trinken Tee. Mir fällt auf, dass beinah alle Männer Schnauzbart tragen. Zwei Straßen weiter zieht mir ein übler Geruch in die Nase. Wir nähern uns einem Slum, Schulter an Schulter stehen schiefe Baracken aus Bambus, Lehm und Wellblech, um die herum Berge aus Müll sind, auf denen kaum bekleidete dürre Menschen herumwühlen. Ein bärtiger Mann hisst eine zerfledderte weiße Flagge. Zwei Kinder werfen sich einen Ball zu.

      Ich soll auf den Bus 568 C warten. Die anderen Wartenden trauen sich kaum, mich anzuschauen, habe ich das Gefühl. Ich beobachte die ankommenden Busse, die alle aussehen, als seien sie in den letzten Atemzügen. Meiner ist aber nach dreißig Minuten immer noch nicht dabei. Allmählich hat man sich an meine Anwesenheit gewöhnt, einige schauen neugierig, andere lächeln, dritte werfen mir verstohlene Blicke zu. Ich werde ungeduldig, glaube nicht mehr an den verdammten Bus. Außer Gesichtern, Abgasen und Lärm gibt es hier nichts für mich. Das Beste wäre, so schnell wie möglich aus dieser Stadt zu verschwinden. Aber wie? Das Schicksal hat Humor, das muss man ihm lassen, denke ich. Es will mir seinen verdammten Busbahnhof zeigen, und wer weiß was noch alles?

      Ich hole mir bei einem der Stände einen Mango Lassi, der mir schmeckt und meine Stimmung etwas hebt. Ein alter Mann tritt an mich heran, er fragt mich in gutem Englisch, worauf ich hier warte. Ich starre ihn ungläubig an, der kleine Mann trägt ein schneeweißes Hemd, gebügelt mit Krawatte. Er erinnert mich an eine Marionette aus dem Kinderfernsehen, deren Name mir leider nicht einfällt. Als ich ihm antworte, lächelt er und bringt mich zu dem Busbahnhof hinter dem Busbahnhof, von wo die Busse andere Städte anfahren. Er redet mit den Fahrern, die mir bedeuten, zu warten. Mein Bus wird gleich kommen, heißt es.

      „Thank you.“ Ich sage es mehrmals. „That’s nice.“

      „You’re welcome.“

      Ich schaue mich vergebens nach einem Mülleimer um, denke, Mülleimer wurden noch nicht erfunden, und schmeiße den Pappbecher in eine Ecke, wo anderer Müll herumliegt.

      ***

      Der Bus fährt die gleiche Strecke zum Flughafen zurück, die ich gekommen bin, ist mein Verdacht. Diesmal ist der Verkehr noch stockender, teilweise geht gar nichts, die Autos, Lkws, Busse, Rikschas und Motorbikes stehen sich gegenseitig im Weg, jeder versucht den anderen zu überhupen. Ich stopfe mir Fetzen eines Taschentuchs in die Ohren, bin mir nicht mehr sicher, ob die Leute mit den leichten Werkzeugen damit beauftragt sind, die Stadt auf- oder abzubauen. So oder so, das Unterfangen wirkt ohne Baumaschinen aussichtslos, kein Bagger, kein Presslufthammer, nichts, die meisten arbeiten mit den bloßen Händen. Neben uns hält ein Bus, der völlig überfüllt mit Fahrgästen, Hühnern und Ziegen ist. Und auch in unseren Bus drängen immer mehr Menschen, weil es anfängt zu regnen. Ein Mann sitzt unangenehm nah an mir dran. Ich schau nach vorne durch die Windschutzscheibe. Der Scheibenwischer gibt den Takt an. Ich spüre einen leichten Druck auf der Blase. Die Stadt liegt mittlerweile hinter uns. Der klappernde Bus nimmt Fahrt auf, verwandelt sich in eine Rennmaschine, die schneller als jedes andere Gefährt mit Dauerhupe die Gegenspur für sich in Anspruch nimmt. Der Fahrtwind macht mir zu schaffen. Merkwürdig unbeteiligt betrachte ich alles, was mich umgibt, mache mir kaum Gedanken um das Leben da draußen, bin sprachlos. Die Landschaft kennt nur Felder und Palmen. Menschen hocken oder stehen vor ihren primitiven Häusern. Hunde streunen umher. Kühe und Ziegen liegen erschöpft am Straßenrand. Wenn ich genauer hinschaue, sehe ich wieder reichlich Müll, er flattert in den Büschen, hat sich vielfach festgetreten. Ich weiß aus Thailand,

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