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sieben Jahre lang schwer arbeiten müssen, wie es unsere Gesetze fordern.‘ ‚Mein Vater, ich will in Zukunft dein liebender und gehorsamer Sohn sein, und will keine Schulden mehr machen, denn nun weiß ich, dass ihre Bezahlung hart ist. ‘22

      Ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen; mache mich wie einen deiner Tagelöhner. (Lk 15,19)

      Und er ging auf die Felder seines Vaters und überwachte jeden Tag die Arbeiter seines Vaters bei ihrer Arbeit. Und er zwang seine Arbeiter nie zu harter Arbeit, denn er erinnerte sich an seine eigene schwere Arbeit. Und die Jahre gingen vorüber, und der Besitz seines Vaters nahm immer mehr unter seinen Händen zu, denn der Segen seines Vaters war auf seine Arbeit. Und langsam gab er zehn Mal so viel zurück, wie er in den sieben Jahren verschwendet hatte.23

      Der Tag ging zur Neige und Carlucci war derart vertieft in seiner Forschung, dass ihm die verstrichenen Stunden sehr kurz vorkamen, sodass er überhaupt keine Müdigkeit verspürte.

      Er sortierte zunächst Parallelstellen aus beiden Evangelien heraus, die offensichtlich eine Affinität zeigten. Als nächstes fiel ihm eine Aussage Jesus aus dem Essener-Evangelium ein, die eine starke Ähnlichkeit mit dem Bericht des Jüngers Johannes der Evangelist aus dem Neuen Testament aufwies, die ihm jedes Mal, wenn er sie las, Kopfschmerzen bereitete. Eine Darstellung der Liebe, die solange er zurückdenken kann, immer wieder für heftige verbale Auseinandersetzungen in seinen Kollegenkreisen gesorgt hatte:

      Größere Liebe hat niemand, als diese, daß jemand sein Leben läßt {Eig. eingesetzt, darlegt} für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was irgend ich euch gebiete.

      (Jo 15,13-14)

      Im Friedensevangelium und in anderen Evangelien, die er später entdecken sollte, lehrt der Essener Prophet, dass die größte Liebe jemand hat, der die Liebe Gottes vorlebt und im Dienste seines Nächsten sein Leben opfert und die Seele desjenigen, der noch in der Dunkelheit geht, rettet durch die Aufklärung des Willen Gottes über das Heilige Gesetz.

      Größere Liebe hat niemand, als einander das Heilige Gesetz zu lehren und jeden anderen wie euch selbst zu lieben.24

      Auch im Johannesevangelium aus dem Neuen Testament könnte man mit vielen Umschweifen, neben der Aufforderung sein Leben zu lassen, die Aufforderung das Evangelium zu lehren, herauslesen. Diese Sätze über die Nächstenliebe aus den zwei Evangelien scheinen zunächst ähnlich zu sein, doch im Johannesevangelium liegt der Schwerpunkt dieser Aussage auf dem Opfern seines Lebens im Sinne, es zu verlieren. Der Text im Friedensevangelium vermittelt lediglich ein Informieren und sich zur Verfügung stellen, um den Menschen zu ihrer Rettung das Heilige Gesetz zu lehren. Eine Interpretation, die Carlucci einleuchtete, denn was hat ein Mensch davon, wenn ein anderer für ihn eines Märtyrertodes stirbt?

      Der Vers aus dem Neuen Testament vermittelte außerdem die vorsichtige Ankündigung des Sühnens des Tods des vermeintlichen Jesus am Kreuz aus Liebe zu den Menschen. Gleichzeitig implizierte der Text die Idealisierung des Freitods der Jünger schlechthin als Zeichen der Liebe für seine Freunde.

      Was nichts anderes heißen sollte, als auf die Gefahr hin sein Leben zu verlieren, unerschrocken das Evangelium zu verkünden.

      Auf einem Zettel, auf dem er die möglichen Motive aufgelistet hatte, erweiterte der geistliche Forscher seine Liste um drei weitere Punkte:

      1. die Gnade anstatt der Vollkommenheit

      2. Unterschlagen der Existenz des Essener Täufers

      3. die Judenschuld

      4. der Erhalt der Sklaverei

      5. Der Mensch darf Fleisch essen und Alkohol trinken.

      6. die Verkündung des Evangeliums um jeden Preis

      7. die Verherrlichung des Martyriums

      8. Vorbereitung auf die Gnadenlehre durch den Freitod Jesus.

      Später fertigte er eine weitere Liste an, die die unterschlagenen Elemente zusammenfasste:

      1. Unterschlagen der inneren Taufe und der wahren Bedeutung der Taufe

      2. Unterschlagung der Lehre der Vollkommenheit

      3. Beschönigung der römischen Beteiligung

      4. Unterschlagung des Erbes, das dem Menschen nach einem Leben in Gehorsam mit dem Gesetz Gottes zusteht.

      Carlucci wusste, dass er sich auf dem richtigen Weg befand. Dass er bereits die ersten Puzzleteile, die zur Vollendung des ihm noch unbekannten Bilds, auf sein geistiges Schlachtfeld gelegt hatte und fasste zusammen: Mindestens Elemente aus drei Evangelisten, Matthäus, Lukas und Johannes der Jünger und der Brief Paulus an die Korinther konnte er in dem Friedensevangelium der Essener wiederfinden. Eine Eigentümlichkeit, die immer mehr die Vermutung, dass das gesamte Neue Testament aus einer Quelle stammt, bekräftigte. Wenn die Vorgehensweise des – noch –vermeintlichen Verfälschers diesen Kurs beibehielte, dann könnte er davon ausgehen, dass das Neue Testament ein abgekartetes Spiel war. Er stellte im Vorfeld fest, dass der Bösewicht nicht nur die Texte verändert, Satz- und Wortelemente unterschlagen und mit anderen ergänzt hatte, sondern außerdem Kapitel aus den Originalschriften untereinander gemischt, authentische Wortelemente übernommen, und daraus eine neue Scheinweisheit verfasst hatte. Carlucci vermutete in Anbetracht dessen, dass sämtliche authentischen Evangelien aus dem Weg geräumt worden waren, dass diese Vorgehensweise des Verfälschers eine Art „Flucht nach vorn“ gewesen war und es bei solchen, die daher das wahre Evangelium vom Hören Sagen noch kannten, keine Skepsis, sondern eine Art Déjà-vu auslösen sollte.

      Die angestrebte Kombination der Kapitel „Der unbarmherzige Knecht“ aus dem Matthäus-Evangelium und der „Verlorene Sohn“ aus dem Lukas-Evangelium wirft außerdem die Frage auf, ob es jemals ein Konzil zu Nicäa gegeben hat, schlussfolgerte er weiter.

      Was Carlucci erst später im Laufe seiner Recherchen entdecken sollte, ist, dass die falsche Botschaft des Verschwörers nicht da aufhörte, wo sie aufzuhören schien, sondern der Betrüger auf eine anderen Verständnisebenen einen sowohl genialen, als auch einen zynischen und gemeinen, teilweise makabren Doppelsinn in seine verfassten Schriften als geheime Botschaft einschmuggelte, den nur die Eingeweihten des wahren Evangeliums, an die diese Botschaft adressiert war, verstehen konnten.

      Carlucci hegte keine Zweifel daran, dass das Gleichnis des „Verlorenen Sohnes“ aus dem Essener Evangelium als Vorlage für das Gleichnis des „Verlorenen Sohnes“ in Lukas gedient hatte. Er wusste bereits, dass der Verfälscher nicht einfach so in der Luft fuchtelte, dass jeder Satz, jedes Wort, wenn auch noch so unscheinbar, peinlichst auf die Waagschale gelegt worden war und eine bewusste oder unbewusste Botschaft vermitteln sollte. Im Zusammenhang mit diesem Gleichnis gab es noch viele Fragen, die er in Ermangelung weiterer Erkenntnisse, noch nicht beantworten konnte:

      Zum Beispiel:

      1. Warum kommt der Verlorene Sohn in Lukas aus dem Ausland, während im Friedensevangelium davon nicht die Rede ist?

      2. Wieso ist von der Gefangenschaft des Verlorenen Sohnes durch den Geldleiher in Lukas nicht die Rede, sondern von einem Dienstherrn, bei dem der Sohn hart arbeiten muss, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten?

      3. Wieso tauscht Lukas das trockene Brot, das der Verlorene Sohn im Friedensevangelium als Nahrung bekommt mit Johannisschoten aus?

      4. Warum unterschlägt Lukas das Erbe, das er von seinem Vater erhält, nach einem Leben in Gehorsam?

      12 Ebenda, S. 29-34.

      13 Ebenda, S. 30. 15

      14 Ebenda, S. 30.

      15 Ebenda.

      16 Ebenda, S. 31.

      17 Ebenda.

      18 Ebenda.

      19 Ebenda.

      20 Ebenda.

      21 Ebenda.

      22 Ebenda,

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