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rannen der Dirne über das Gesicht, als sie die kleine, magere Gestalt umschlungen hielt.

      »Karla, Karla, du bist da!« Stürmisch wurde sie geküsst. Claudia wollte sie nicht mehr loslassen.

      Die Nonne stand stocksteif da und verstand die Welt nicht mehr. Doch dann freute sie sich mit dem Kind. Sie begleitete die beiden in den Park. Claudia presste sich an Karla und konnte es noch immer nicht glauben. Im ersten Augenblick war sie fest davon überzeugt, Karla sei gekommen, um sie abzuholen. Behutsam musste sie ihr die Wahrheit sagen.

      »Du wirst mich aber holen, nicht wahr, das tust du!«

      »Liebes, ich will alles versuchen, alles, hörst du.«

      Da saßen sie in einer Laube, hatten sich viel zu erzählen und weinten über Veras Tod. Das Kind begriff nur schwer die Wahrheit. Doch es verstand, dass Karla kein Recht hatte, es von hier fortzuholen. Aber sie versprach der kleinen Claudia, einen Weg zu suchen, der sie zusammenführte. Sie glaubte an Karla. Sie allein war ihr geblieben, Muttis Freundin, und sie hatten sich so lieb.

      Dann musste sich Karla verabschieden. Es war schwer für sie. Doch die Nonne versicherte ihr, sie könne einmal in der Woche und am Sonntag kommen, nicht öfter, sonst würden die anderen Kinder darunter leiden. Sie müsse das verstehen, denn es gäbe viele, die nie Besuch bekamen.

      Was gingen sie andere Kinder an! Für sie war nur Claudia wichtig. Sie musste sich um sie kümmern, denn ohne das Kind war ihr Leben einsam und leer.

      Claudia lächelte tapfer, als sie sich verabschiedete. Sie hatte jetzt etwas, worauf sie hoffen und warten konnte. In drei Tagen kam Karla wieder.

      »Ich verspreche es dir.«

      »Und ich stehe am Tor und warte auf dich.«

      14

      »Sie haben Besuch.«

      »Wer ist es denn?«

      »Tülle Karla«, sagte der Beamte.

      Er stand sofort auf und öffnete ihr die Tür. Karla begrüßte ihn.

      »Eigentlich wollte ich nicht mehr kommen.«

      »Du warst bei der Kleinen?«

      »Ja, deswegen bin ich da.«

      »Nimm Platz.«

      »Aus zwei Gründen möchte ich mit dir sprechen.«

      »So lege los.«

      »Ich brauche Claudia, sie verkümmert im Heim. Ich darf sie nicht dort lassen. Sie zerbricht sonst. Vera würde mir das nie verzeihen. Ich möchte von dir erfahren, was ich tun muss, damit man mir das Kind zuspricht.«

      Verden blickte sie überrascht an.

      »Soll das heißen, du willst es adoptieren?«

      »Ja, nicht mehr und nicht weniger.«

      »Ich fürchte, das wird nicht gehen.«

      Sie beugte sich vor. »Das Kind wird sterben, wenn ich es nicht da raushole. Man kann Kinder adoptieren, ich weiß es.«

      »Natürlich, aber du kannst es nicht.«

      Sie bäumte sich auf.

      »Weil ich eine Hure bin? Es gibt viele Huren, die Kinder haben.«

      »Eigene Kinder, gewiss.«

      »Ich werde alles für Claudia tun, für sie sorgen. Es wird ihr an nichts fehlen. Ich verdiene nicht schlecht und habe auch Geld auf dem Konto.«

      »Karla, das glaube ich dir ja alles. Wenn es nach mir ginge, dann könntest du sie auch haben. Aber die Gesetze sind nun mal so. Nicht allein deshalb, weil du eine Dirne bist, kannst du sie nicht adoptieren.«

      Ihre Augen glühten: »Gut, wenn das der Hauptgrund ist, werde ich den Beruf aufgeben.«

      »Karla, so hör mir doch zu. An ledige Personen werden keine Kinder abgegeben.«

      Sie blickte ihn sprachlos an.

      »Wie soll ich das verstehen?«

      »Nur verheiratete Paare können ein Kind adoptieren.«

      »Vera war nicht verheiratet, ihr hat man das Kind nicht fortgenommen.«

      »Das ist etwas ganz anderes.«

      »Ich verstehe das nicht. Das ist mir zu hoch. Wieso besteht ein Hinderungsgrund? Ob ich nun ledig bin und ein Kind habe, ein eigenes wohlverstanden, oder ledig und eins adoptiere. Begreifen die Behörden denn nicht, dass zuerst das Wohl des Kindes auf dem Spiel steht?«

      »Sie denken ausschließlich an das Wohl des Kindes.«

      Sie lachte rau auf.

      »Da soll man nicht verrückt werden.«

      »Karla, ich habe die Gesetze nicht gemacht. Mich darfst du nicht beschimpfen.«

      Sie stöhnte auf.

      »Ich werde um Claudia kämpfen, sie glaubt an mich. Ich darf sie nicht enttäuschen.«

      »Vielleicht gibt es eines Tages einen Weg, Karla. Du kannst mir vertrauen. Ich werde dir helfen. Du musst mir glauben.«

      »Du bist anständig«, sagte sie leise. »Ich vertraue dir ja auch. Aber es ist so schrecklich.«

      Er schenkte ihr Kaffee ein.

      Sie starrte aus dem Fenster. Die Welt schien ihr wie zugenagelt.

      »Du hast vorhin gesagt, du hättest zwei Gründe, deretwegen du heute zu mir gekommen bist.«

      Sie erwachte aus ihrer Erstarrung.

      »Ja, das habe ich gesagt.«

      »Um was geht es denn?«

      Sie kam in die Wirklichkeit zurück. Ihr Gesicht war jetzt zum Fürchten, kalt der Blick und schmal die Lippen.

      »Ich will Veras Tod rächen.«

      »Wie bitte?«

      »Ich finde erst Ruhe, wenn der Mörder zur Strecke gebracht ist. Dann wird auch Vera Frieden finden. Er muss für seine Tat bestraft werden. Ich ersticke bei dem Gedanken, dass er die ganze Zeit noch hier herumläuft. Ich könnte aufschreien und nackt durch die Straßen laufen, ich ertrage es einfach nicht. Er muss für seine Tat büßen, er muss Tag für Tag leiden.«

      »Was glaubst du, was wir die ganze Zeit tun?«

      Sie blickte ihn starr an.

      »Und mit welchem Erfolg?«, höhnte sie.

      »Es ist schwer, wir haben noch keine Handhabe, und jetzt sind die Dirnen noch verschreckter.«

      Karla sagte tonlos: »Ich habe eine Idee!«

      »Lass hören.«

      »Es ist die einzig mögliche Idee, wie man ihn fangen kann.«

      »Und wie willst du das anstellen?«

      »Ich werde mich als Lockvogel ausgeben.«

      Verden starrte sie an.

      »Du bist verrückt, Karla. Weißt du auch, was du da sagst?«

      »Noch bin ich nicht verrückt. Ich werde ihn jagen. Er wird mir ins Netz gehen, das schwöre ich dir. Und wenn es das Letzte wäre, das ich tun kann. Ich werde ihn stellen, das ist sicher.«

      »Und wenn es nicht hinhaut? Ich kann das nicht zulassen.«

      »Du musst aber. So kann ich nicht weiterleben, Humbert. Sie war meine beste Freundin. Ich weiß, Vera hätte das auch für mich getan. Das bin ich ihr und dem Kind schuldig.«

      Der Kommissar war aufgestanden und wanderte hin und her.

      »Wie stellst du dir das vor?«

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