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bemerkte Margaret tonlos, und wandte sich dann an den Vormann.

      „Sie und Ihre Männer haben viele Dinge kaputt gemacht. Mehr, als Sie durften.“ Der Mann war rot im Gesicht, sagte aber nichts. „Aber weniger als ich von Ihnen erwartet hätte.“ Sie sah ihn bissig an. „Hier ist etwas Trinkgeld für Sie und die Männer. Wir haben ja in der Mittagspause gesehen, dass Sie gerne trinken.“ Margaret drückte ihm ein paar Scheine mit den unterschriebenen Papieren zurück in die Hand. Der Vormann schnaufte, deutete eine Art Verbeugung mit einem Kopfnicken an und drehte sich um. Die Tür fiel wohl etwas stärker ins Schloss, als er gewollt hatte. Daher öffnete er sie noch einmal von außen, und schloss sie sanfter ein zweites Mal.

      Margaret drehte sich zu den Kindern um. Sie war wütend, aber ihre Stimme war ruhig. „Ihr könnt jetzt in den Garten gehen, und auch das Dorf erkunden. Ich möchte, dass ihr in einer Stunde wieder hier seid. Ihr werdet mir dann erzählen, was ihr gesehen und mit wem ihr geredet habt.“

      Beide nickten mit dem Kopf und sahen sich an. Dann gingen sie zusammen in die Küche und von dort aus durch die offene Tür in den großen Garten hinter dem Haus. Das Gras musste geschnitten werden; wahrscheinlich gab es Werkzeuge in dem Schuppen in der rechten Ecke am Ende. Der verwilderte Flieder war riesig, fast zwei Meter hoch, mit weißen, fingrigen Blüten. Zwei rostige Metallstühle und ein runder Tisch waren wohl früher einmal blau gewesen und standen verloren auf der kleinen Steinterrasse. Die Fenster zu ihren Zimmern waren offen; von hier unten konnte man die weißgestrichene Holzdecke sehen.

      „Viel Arbeit hier. Da weiß ich ja schon, wie meine Ferien aussehen werden“, sagte Alex. „Stell‘ dich nicht so an“, meinte Sophie, „glaubst Du, Margaret packt das ganze Geschirr und ihre Kleider alleine aus? Außerdem muss das Haus von oben bis unten saubergemacht werden. Und um die Fenster wird es sowieso wieder ein Theater geben.“ Sie machte eine kurze Pause. „Und wer wäscht Deine Sachen, wenn du dich beim Rasenmähen dreckig machst?“ Er grinste. „Komm, lass‘ uns sehen, was alles in dem Schuppen da ist. Vielleicht sogar `ne Heckenschere.“

      Der Schuppen war größer, als er vom Haus aus erschien. Er war solide gebaut, aber schon alt, und das verwitterte Holz war grau. Das Dach war mit kleinen Schindeln aus Teerpappe bedeckt und hatte die Form eines umgedrehten V. Die Tür war zugehakt, aber es war kein Vorhängeschloss in der Öse. Wie erwartet fanden sie in dem Schuppen einen grünen Hand-Rasenmäher mit rostiger Spindel, eine Forke oder Heugabel mit drei langen Zacken, eine Harke und einen Spaten mit kurzem Holzstiel. In einem ehemals weißen Eimer mit Metallbügel lagen mehrere löchrige Gartenhandschuhe aus rauem Leder. In einer Art Regal gab es Zange, Hammer, flache Schachteln mit Nägeln und ein paar Einweckgläser ohne Deckel, die Schrauben, etwas Draht und allerhand Kleinzeug enthielten. In der Ecke stand noch ein zerfledderter Besen mit einem Kehrblech aus Metall.

      „Na wunderbar!“, sagte Alexander. „Dann kann es ja morgen gleich losgehen. Hier ist sogar noch etwas altes Schleifpapier. Damit kriege ich den Rasenmäher wieder hin. – Margaret wird zur Abwechslung mal nichts auszusetzen haben.“ Sophie war nicht überzeugt. „Das Ding ist doch schon ewig nicht mehr benutzt worden“, sagte sie. Der Junge winkte ab. „Das sehen wir morgen. Komm, jetzt schauen wir mal, was es hier sonst so gibt.“

      Zwischen der Hecke und dem Haus gab es einen schmalen Weg, der zum Hof nach vorne führte. Die breiten Reifen des Möbelwagens hatte tiefe Spuren im Kies hinterlassen. Wohl beim Umdrehen hatte der Fahrer auch ein paar Äste von dem großen Baum an der Einfahrt abgerissen, die nun am Boden lagen. Sophie und Alexander sammelten die größten davon auf und warfen sie zur Seite. Sie versuchten, den Kies mit ihren Schuhen wieder ein wenig zurechtzuschieben.

      Dann wandten sie sich die Straße herunter; neugierig, wie ihre neue Heimat aussah und wen sie treffen würden.

      2 Das Dorf

      Das Dorf hieß Windmar und hatte bestimmt weniger als fünfzig Häuser, von denen die ältesten um einen kleinen Dorfplatz herum angeordnet waren. Einige der Wege hatten keinen festen Belag. Nur im Dorfkern bestanden die meisten Gassen aus Kopfsteinpflaster, und die Hauptstraße und der Rundweg um den Dorfplatz waren asphaltiert.

      Es gab eine alte Kirche, bei der die Tür abgeschlossen war. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes standen ein kleines Gasthaus mit ein paar Fremdenzimmern und eine Bäckerei. Außerdem zwei andere Ladengeschäfte mit Schaufenstern, von denen eines leer zu stehen schien. Das andere war wohl eine Art Gemischtwarenladen. Auf dem großen Metallschild des Gasthauses war ein Löwe abgebildet, der eine Krone auf dem Kopf trug und einen Krug schäumendes Bier in der Pfote hielt. Im ganzen Dorf gab es nur eine einzige, rote Telefonzelle mit einem Münzfernsprecher. Sie stand neben der Kirche.

      Die meisten Häuser waren alt und hatten manchmal nur ein einziges Stockwerk. Bei vielen der Gebäude konnte man von außen das Fachwerk sehen, und einige der Dächer sahen aus, als ob sie demnächst einstürzen würden. Dabei hielten sie wahrscheinlich schon seit vielen Jahren so. Nur in einem neueren Gebiet an der Ausfallstraße standen ein paar Reihen einförmiger Reihenhäuser, die aus rotem Backstein gebaut waren.

      Und noch ein Haus im Dorf war anders; es stand genau da, wo die Sackgasse auf die Hauptstraße des Dorfes einmündete, und war in einem auffälligen lila gestrichen. Im Garten waren allerhand Figuren und Steinzeug zu sehen, und in den Beeten lagen bunte Glaskugeln in allen Farben. Sophie fand, dass eine sehr seltsame Person dort leben musste. „Wahrscheinlich eine Hexe“, sagte sie. „Wir haben Glück gehabt. Margaret ist auch nicht normal, aber wenigstens müssen wir für sie keine magischen Tränke kochen oder einen Zauberstab schnitzen.“ Alex lachte. „Aber einen Drachen“, sagte er, „den haben wir auch im Haus.“

      Ein altertümlicher Hufschmied hatte das Tor offenstehen, und als die Kinder in das halbdunkle Innere spähten, sahen sie ein Pferd. Es hatte eines der hinteren Hufe in einer Schlinge hängen, und das heiße Eisen lag schon im Feuer. Ein Mann hämmerte darauf herum. Funken sprühten, und es roch nach verbranntem Horn. Das Pferd stand still.

      „Der arme Gaul“, meinte Alex. Über Tiere aber wusste Sophie besser Bescheid. „Im Gegenteil. Das Eisen schützt die Hufe. Und angeblich tut es denen auch gar nicht weh.“ Der Junge war nicht überzeugt. „Ich jedenfalls trage lieber Turnschuhe“, sagte er.

      An der Ausfallstraße bei den neuen Häusern gab es eine Autoreparaturwerkstatt mit Tankstelle. Das flache Gebäude hatte breite Rolltore, die bis zur Decke reichten und offen waren. Drinnen schraubte ein älterer Mechaniker in einem grauen Overall an einem grünen Familienauto herum. Es roch nach Benzin, und ein kleines Radio spielte leise Schlagermusik. Zwischen den beiden Zapfsäulen vor der Werkstatt lag ein zotteliger Hund und schlief in der Sonne.

      Auf den Straßen war kaum Verkehr. Nur ein Mann, der aussah wie der Pfarrer, kam auf einem Fahrrad die Straße heruntergefahren; sein schwarzer Umhang wehte hinter ihm her. Einmal fuhr ein gelber Kastenwagen an ihnen vorbei. Er trug den Schriftzug einer Brauerei, und hielt vor dem Gasthaus. Zwei Männer mit langen braunen Lederschürzen stiegen aus und öffneten die Hecktüren. Wahrscheinlich wurde frisches Bier für den Löwen geliefert.

      Alexander und Sophie waren bald durch alle Straßen des Dorfes gelaufen. Es war ein schöner Ort, aber viele Menschen konnten hier nicht leben. Egal, in welche Richtung man sich wandte – es dauerte nie lange, bis man wieder die Felder erreichte, die rings um das Dorf herum lagen. Eine Straßenbeleuchtung gab es anscheinend nur an der Ausfallstraße und um den Dorfplatz herum.

      Die beiden setzten sich auf eine Bank im Schatten vor der Kirche und ließen die Beine baumeln. „Was für ein verschlafenes Nest“, meinte Sophie. „Warum wir wohl ausgerechnet hier hingezogen sind? Und warum eigentlich können wir nicht einmal irgendwo leben, wo es Läden gibt, bei denen man in die Schaufenster gucken kann? Oder wo es vielleicht sogar eine Eisdiele gibt?“

      Tatsächlich schien in dem Ort nicht viel zu passieren, und Alex sah eine ziemlich trübe Zeit auf sie zukommen. Er gähnte. „Das wird langweilig hier. Mal sehen, wann wir wieder umziehen – aber hoffentlich bald.“

      Das Beste an Windmar war ein Schwimmbad. So etwas hatten sie in ihrem letzten Dorf nicht gehabt. Die Anlage war nicht groß und lag ein wenig außerhalb, hinter dem neueren Teil des Dorfes bei der Autowerkstatt.

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