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      „Der Mann ist Staatsanwalt Paul Hase.“

      „Und die hübsche Blondine an seiner Seite?“

      „Heißt Jule Springer, ist nicht nur seine Freundin, sondern auch Oberkommissarin bei der Kripo.“

      „Ein wahrlich gefährliches Paar. Aber keine Sorge, du bist ein unbescholtener Stadtverordneter und gegen mich liegt zurzeit nichts vor, wird auch nicht ermittelt.“

      „Was kann ich den Herren bringen?“

      Der Bärtige schaute die junge Frau aufmerksam an. „Wir haben mächtig Durst. Einen trinkbaren Weißen und eine große Flasche Mineralwasser mit Gas.“

      „Wenn Sie auf Schorle stehen, empfehle ich eine junge Scheurebe von der südlichen Weinstraße, aus Edenkoben. Auch die Speisekarte gefällig?“

      „Danke nein, vielleicht später.“

      Nach dem ersten Glas Schorle fragte der Geheimrat: „Was willst du mir vorschlagen?“

      „Schau dir das mal an!“ Damit schob der Bärtige ein dünnes Heftchen mit vielen Buntfotos vor seinen Nachbarn hin. „Kennst du das?“

      „Sicher, das ist der Keltenkönig. Warum fragst du mich danach?“

      „Man hat ihn mir angeboten.“

      „Zum Kauf oder Verkauf?“

      „Zum Verkauf natürlich.“

      „Das ist doch Blödsinn, so was kannst du doch nicht verticken. Wer hat ihn dir denn angeboten?“

      „Ein guter alter Kunde, der Name spielt keine Rolle. Er hat einen Tresor ausgeräumt und wohl nur aus Neugier eine merkwürdige Kiste mitgehen lassen.“

      „Und da war der Keltenkönig drin?“

      „Ja.“

      „Und was soll ich damit?“

      „Verkaufen kann ich den Klumpatsch nicht.“

      „Ich auch nicht.“

      „Aber du weißt bestimmt, wen man unter Umständen ansprechen kann, bei der Stadt, beim Land oder beim Museum, damit einer den Klumpatsch zurückkauft. Still und heimlich, ohne Presse und Bohei.“

      Und weil der Geheimrat schwieg, drängte der Bärtige: „Es soll dein Schaden nicht sein. Ich verspreche dir eine saftige Vermittlungsprovision. Natürlich wird dein Name nicht genannt.“

      „Wie lange kann ich es mir überlegen?“ Geld konnte er gebrauchen, aber das Risiko war auch immens. Statistisch war jeder Einwohner von Tellheim wenigstens einmal im Museum gewesen und hatte sich den Keltenkönig angeschaut.

      „Sagen wir – drei, vier Wochen?“

      „Okay. Jetzt bekomme ich doch Hunger.“

      „Da hinter dir ist ein Klingelknopf für die Bedienung.“

      Tine überzeugte sie, dass nun zwei große Flammkuchen angebracht seien, und als sie den Nebenraum verließ und wie gewohnt ihre Hüften schwenkte, murmelte der Bärtige lobend: „Hübscher Arsch.“

      „Stimmt, aber Vorsicht, der ist vergeben.“

      „Verheiratet?“

      „Nein, schlimmer, verliebt. In den Pächter des Lokals. Und der ist ein früherer Kripo-Mensch, der beim Einsturz der Osttribüne zu hartnäckig recherchiert hat, wer denn an der Schlamperei am meisten verdient hat. Und dein hübscher Arsch gehört einer Kriminalkommissarin, die hier ihrem Freund aushilft.“

      „Mann Gottes, das ist ja ein richtig gefährliches Lokal. Alles Kröten hier?

      „Der Krötengraben ist nicht weit weg.“ Es gab mehrere widersprüchliche Urteile, ob die öffentlich geäußerte Bezeichnung „Kröte“ für einen Tellheimer Polizisten schon eine Beamtenbeleidigung oder nur eine ortsübliche Umschreibung für seinen Arbeitsplatz sei.

      „Aber der Wein ist gut.“

      „Das stimmt.“

      „Wie hieß der Ort noch mal?“

      „Edenkoben.“

      „Aha, ich kenne nur Maikammer da in der Kante.“

      Als sie gingen, nahm der Bärtige das Heftchen über den „Keltenkönig“ mit; denn als er es vor dem Treffen im Museum gekauft hatte, war ihm sofort aufgefallen, dass sich auf dem glatten, versiegelten Einband Fingerabdrücke prächtig halten müssten. Fast noch mehr als die Kripo und die Kriminaltechnik fürchtete er den dummen Zufall.

      Nur Lene Schelm aß allein und das ziemlich kärglich; sie hatte in ihrem fast leeren Kühlschrank noch eine Dose Heringsfilets in Senfsauce gefunden, deren Haltbarkeitsdatum bald abgelaufen war. Lene hasste es, Lebensmittel wegzuwerfen, und hatte deshalb die Dose entschlossen aufgerissen. Der Inhalt war keine kulinarische Offenbarung, auch mit frischen Zwiebelringen nicht, für die sie einige Tränen vergoss. Das lautstarke Treffen von Senf, Fisch, Zwiebeln und Rotwein in ihrem Magen störte etwas, aber nicht sehr, beim Einschlafen.

      Nur Uwe Sommersprosse aß gar nichts; dass sich der bärtige Kuno schlicht geweigert hatte, auch nur einen Blick in die wertvolle Kiste zu werfen, hatte ihm allen Appetit verdorben, so sehr, dass er ernsthaft überlegte, sich einen anderen Abnehmer zu suchen. Aber das kündigte man in Ganovenkreisen, die etwas auf sich hielten, vorher nicht an, sondern schuf vollendete Tatsachen, aber Uwe hatte keinen neuen Hehler in Aussicht, der so widerspruchslos ihm bisher alles abgenommen hatte. Deshalb verstaute er die Kiste auf dem Dachboden hinter einer verschlossenen Abseite und verspürte danach Durst. Das Bier hatte die richtige Temperatur und war in befriedigender Menge vorhanden, zeigte allerdings auf nüchternen Magen bald Wirkung. Sommersprosse schlief fest und schnarchte wie eine Sägemühle, als ein Einbrecher, der sich im Haus auskannte, die Hintertür aufschloss, auf dem Dachboden zu suchen begann, und die Abseite öffnete, an der Spuren im dichten Staub verrieten, dass sich vor Kurzem jemand daran zu schaffen gemacht hatte. Die Brüder hatten hier immer ihre Beute zwischengelagert. Die Kiste war tatsächlich nicht groß, aber schwer, was Gold nun mal so an sich hatte, und sperrig.

      Achtes Kapitel

      Um zehn Uhr trafen sich Lene und Jule in der Silbergasse vor Susis Shop. Lene hatte hier auch schon selten getragene Kleider zum Verkauf angeboten, aber der Erlös war immer so gering ausgefallen, dass sie heute ihre alten Sachen lieber einer kirchlichen Kleiderkammer schenkte. Anita Schuster erkannte sie sofort an der knusprig-braunen Hautfarbe, sie hatte in einem sonnenreichen Land Urlaub gemacht und war vor zwei Tagen zurückgekommen.

      Pekos Tod erschütterte sie nicht sehr, sie hatte sich von ihm getrennt, als er zu Knast ohne Bewährung verurteilt worden war, und lebte seitdem mit einem Mann zusammen, den sie schon in der Berufsschule kennengelernt und den sie seinerzeit Pekos wegen abgewiesen hatte. Pekos Spielsucht entdeckte sie erst viel später, da ging es mit seinem Geschäft schon steil abwärts.

      Lene und Jule entführten Anita in ein Café, in dem sie sich ungestörter unterhalten konnten. Bei Susis kam die Ladentür nicht zum Stillstand. Peko war ein netter Kerl gewesen, ruhig, fleißig und treu, sogar schon etwas langweilig. Freunde hatte er nicht, und als sie ihn mal fragte, warum eigentlich nicht, hatte er gestanden, dass er sich mit Freundschaften immer schon schwer getan hatte und heute gar nicht wusste, wo und wann er gleichaltrige Männer oder Frauen noch kennenlernen sollte. Sport war nicht, er musste schon lange und hart arbeiten und in Spielhallen neigten Besucher nicht zu langen Reden und Seelenergüssen. Vor den blinkenden und tönenden Apparaten blieb und verlor man allein.

      „Er war also ziemlich einsam?“, fragte Jule fast besorgt.

      „Ja, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er wirklich nach Kontakten suchte. Er war’s ganz zufrieden so.“

      „Ein Einzelgänger?“, setzte Jule nach.

      „Ja, ein Eigenbrötler und dazu passte auch, dass er nur selten und ausgesprochen ungern aus seiner Vergangenheit erzählt hat.“

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