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eingespannt. Wir werden gnadenlos ausgebeutet.“

      Anika zwinkerte Lene zu. Was lernten Ehemänner als Erstes? „Lerne zu klagen, ohne zu leiden.“

      Lene stimmte zu: „Wenn Männer die Kinder bekommen müssten, wäre die Spezies längst ausgestorben.“

      Stierle entdeckte jeden Fettnapf zur rechten Zeit. „Sabine ist übrigens schwanger.“

      „Großartig.“ Lene war Trauzeugin bei der Tochter Stierle gewesen.

      „Sag mal, du armer Mann, dir ist doch sicher aufgefallen, dass diese BB recht hübsch ist?“

      „Doch ja, etwas.“

      „Kannst du dir vorstellen, dass die blonde Schönheit einem deiner Studenten so den Kopf verdreht hat, dass der sich eine Pistole und Schalldämpfer besorgt hat, um einen vermeintlichen Nebenbuhler aus dem Weg zu räumen?“

      „Ausgeschlossen. So aktiv und zielstrebig sind meine Studenten nicht mehr. Werther ist Vergangenheit. Und Lotte hat Weimar vor dem Mauerbau besucht.“

      „Prima, dann bedanke ich mich für eine wie immer ausgezeichnete Yoghurt-Kirsch-Torte und will nicht länger stören.“

      Sechstes Kapitel

      Lene Schelm hatte den Rest des Tages genutzt, um Namen und Anschriften zu sammeln. Sie war schon in der Tellheimer Zentrale der Leininger Handelsbank angemeldet, sodass alles für sie bereit lag, als sie dem Vizepräsidenten die Hand schüttelte. Der war ein gut aussehender Mann in ihrem Alter, der ihr gefiel.

      „Das war ja wirklich eine böse Überraschung“, stimmte sie zu. „Wie viel haben der oder die Täter denn erbeutet?“

      „Etwas über 180.000 Euro in bar. Was die von den Schließfachmietern eingelagerten Schätze wert sind oder waren, wissen wir nicht. Das binden uns die Kunden auch nicht auf die Nase.“

      „Verstehe“, sagte Lene trocken. „Man soll keinen schlafenden Finanzbeamten aufwecken.“ Sie hatte sich einmal sehr unbeliebt gemacht, als sie bei einem Empfang des Bürgermeisters einen Witz erzählte, der ihr sehr gefallen hatte. „Mikado wurde von Beamten erfunden. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.“ Sie war nie wieder ins Rathaus eingeladen worden, was sie nicht wirklich schmerzte.

      Der Vize hüstelte nervös. „Der Fiskus macht uns im Moment die geringsten Sorgen.“

      „Sondern wer?“

      „Wir hatten als Beitrag der LHB zur Renovierung des Landesmuseums gebührenfrei den „Keltenkönig“ zur Verwahrung während der Bauarbeiten übernommen, und zwar in der Filiale Bühler Markt.“

      „Um Himmels willen“, sagte Lene ehrlich entsetzt. Der „Keltenkönig“ war die wissenschaftlich völlig unbegründete, aber in Leiningen populäre Bezeichnung für einen fast ausschließlich aus Goldteilen bestehenden Grabfund, der bei Straßenbauarbeiten zufällig ans Tageslicht gekommen war. Ein fantasiereicher Journalist, der von Früh- und Vorgeschichte keine Ahnung hatte, war darauf gekommen, wegen der ungewöhnlichen Kostbarkeit der Grabbeigaben aus zweifelsfrei keltischer Zeit den Bestatteten zum „Keltenkönig“ zu befördern, und mittlerweile wurde der gesamten Fund als der „Keltenkönig“ oder King Lear südlich des Mains geführt. Er war der ganze Stolz des Museums für Leininger Landesgeschichte, das jetzt unbedingt renoviert werden musste, und für Leiningen so wertvoll wie mal die Krone und Zepter für alle Teile des Reiches. Lene kannte beruflich einen alten Kustos des Museums Dr. Klaproth, der sich in Tränen auflösen würde, sollte „sein Keltenkönig“ nicht wieder auftauchen. Er hatte gegenüber Lene den „Keltenkönig“ als eine Art Existenzberechtigung des Bundeslandes Leiningen bezeichnet.

      „Sie verstehen, dass wir diesen Verlust gerne so lange wie möglich geheim halten möchten.“

      „Das verstehe ich gut“, stimmte Lene ehrlich zu. „Aber helfen Sie mir bitte, so eine Rarität ist doch unverkäuflich. Jeder Fachmann, jedes Museum würde ihn doch erkennen.“

      „Richtig. So was kann man nicht über einen Hehler verticken, aber das Land oder das Museum zum ‚Rückkauf‘ quasi erpressen.“

      Lene wusste aus ihren Fachzeitschriften, dass der illegale Handel mit antiken Stücken oder Teilen – sei es aus Palmyra oder aus Bagdad – blühte. Inzwischen konnte man mit allem handeln und vor allem betrügen, Rauschgift, abgelaufenen Medikamenten, Kunst, Antiken oder Möbeln, Menschen, Mädchen, Waffen, Kreditkarten. Lene fand die alltägliche Welt langsam nicht mehr schön, auch die Tatsache nicht tröstlich, dass die meisten Objekte ihres Berufs das alles hinter sich hatten und dass Betrug und Betrüger überall lauerten. Sie leugnete nicht, dass ihr die Wiedereinführung der Prügelstrafe und des Prangers gelegentlich sehr willkommen wäre. Lene zitierte auch gerne ihre Version des Artikels Eins GG. „Die Würde des Betrügers ist unantastbar. Für das Opfer gilt Teil zwei: ‚Hätte besser aufpassen sollen‘.“

      Der Vize räusperte sich und sie kehrte in die Leininger Gegenwart zurück: „Der oder die Täter müssen zwei PIN-Zahlen gekannt und Schlüssel für die Kellertüren besessen haben.“

      „Ja, leider.“

      „Ich brauchte die Namen und Anschriften aller, die die Zahlen kannten. Dazu bitte Namen und Anschrift des Mitarbeiters, der wusste, wie man die PIN-Zahlen verändert.“

      „Steht auch hier auf der Liste.“

      „Unsere Techniker behaupten, dass eine der PIN-Zahlen vor nicht allzu langer Zeit geändert worden ist.“

      „Stimmt. Dem Filialleiter Bühler Markt ist der Dienstwagen geklaut worden, und darin lag dummerweise auch sein Merkbuch, unter anderem mit den PIN-Zahlen.“

      „Ärgerlich.“

      „Ja. Gestatten Sie mir bitte auch eine Frage?“

      „Bitte, bitte.“

      „R – 11 ist bei Ihnen doch Mord und Totschlag und Entführung.“

      „Stimmt.“

      „Was hat ein ausgeraubter Tresor in der Filiale Bühler Markt der LHB mit Mord und Totschlag zu tun?“

      Lene musterte ihn verblüfft und schluckte erst einmal trocken, bevor sie schaltete: „Ich schlage Ihnen ein Tauschgeschäft vor. Die Kripo schweigt über den ‚Keltenkönig‘ und Sie lassen niemanden wissen, dass sich R – 11 für die Tresore am Bühler Markt interessiert.“

      Der Vize raufte sich seine Haare und stimmte dann erleichtert zu.

      Das war knapp, gab sie zu, als sie im Auto saß und hinter Alex Brunner her telefonierte, der auf dem LHB-Papier als Leiter der EDV bezeichnet wurde. Am Telefon meldete sich eine Frau mit „Hallo“.

      Lene hasste diese Unart, sich nicht mit Namen einzustellen und knurrte deswegen nur. „Ich muss dringend mit Alex sprechen.“

      „Der ist nicht da, der ist auf Arbeit.“

      „Das kann ich mir denken, ich muss ihn trotzdem sofort sprechen.“ Die Frau schien aufzuwachen, „Wer sind Sie denn?“

      „Ich heiße Gudrun und habe Alex versprochen, ihm einen Namen und eine Anschrift zu besorgen. Der Mann wartet jetzt auf seinen Anruf. Es ist eilig.“

      „Und warum sagen Sie ihm das nicht selber direkt.“

      Lene schielte auf die Liste. „Ich habe eine Handynummer, doch das Gerät ist wohl abgeschaltet.“

      „Komisch.“

      „Finde ich auch. Also, wo finde ich Alex jetzt?“

      „Mir hat er nur gesagt, er müsse nach Braakenfeld fahren.“

      „Danke, dann weiß ich schon, wo ich ihn finde.“

      „Und Sie heißen Gudrun?“

      „Ja, Gudrun Hallo.“

      „Komischer Name.“

      „Richtig, genau wie Ihrer.“

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