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      Fiona radelte weiter zum Hof Lichtenberg. Vor dem Nachbarhaus mit dem Reetdach saß ein alter Mann auf einer Bank. Eine Frau schnitt im Garten Rosen. Die beiden winkten Fiona freundlich zu. Vor dem Wohnhaus der Lichtenbergs parkte neben Tills Auto ein schlammbespritzter Geländewagen. Fiona stellte ihr Fahrrad daneben ab. Dabei las sie die Aufschrift auf der Fahrertür: Dr. Harsch, Tierarzt. Fiona bekam einen Schreck. Was machte der Tierarzt auf dem Hof? War etwas mit Sunny? Sie umrundete den Wagen und schreckte noch mehr zusammen, als direkt neben ihr ein lautes Bellen ertönte. Im Kofferraum des Tierarztautos saß ein großer Hund und starrte Fiona wütend an. Sie trat einen Schritt zurück.

      „Nox, aus!“, rief eine scharfe Stimme. Ein bärtiger Mann kam über den Hof, neben ihm ging Till Lichtenberg. Der fremde Mann, sicherlich der Tierarzt Dr. Harsch, trat zu seinem Wagen und klopfte einmal hart an die Scheibe. „Aus, Nox“, wiederholte er. „Platz.“ Der Hund gehorchte aufs Wort, legte sich hin und sah sein Herrchen ergeben an.

      „Hallo, Fiona“, sagte Till Lichtenberg. „Darf ich vorstellen, das ist unser Tierarzt, Volker Harsch. Er ist Experte für Großtiere aller Art und hat sogar schon mal in einem Zoo die Nashörner versorgt. Richtig, Volker?“

      Der Tierarzt brummte etwas Unverständliches und nickte Fiona knapp zu.

      „Guten Tag“, wisperte sie.

      „Wieder so ein Pferdemädchen?“, fragte Dr. Harsch Till Lichtenberg, als sei Fiona gar nicht da.

      Till nickte. „Du weißt ja, meine Frau steckt ein Mädchen nach dem anderen mit der Sucht an“, sagte er.

      Dr. Harsch knurrte. Fiona hatte den Verdacht, dass das ein Lachen sein sollte. Sein Hund Nox spitzte die Ohren, setzte sich auf und knurrte ebenfalls.

      „Aus“, sagte Dr. Harsch nur und Nox verstummte. Fiona wurde kalt.

      Till Lichtenberg wandte sich jetzt an Fiona. „Möchtest du wieder Sunny reiten?“, fragte er. „Leo hat mir schon erzählt, dass du dich in sie verguckt hast. Aber leider geht das heute nicht.“

      „Ist Sunny krank?“, fragte Fiona und ihr wurde noch kälter.

      Till sah sie verwundert an. „Ach so“, sagte er dann und lachte. „Du meinst, weil Volker hier ist? Keine Sorge, das war kein professioneller Besuch. Volker und ich sind im selben Ruderklub. Liselotte, Herr Elch und die Ponys sind kerngesund.“

      Fiona atmete tief aus. „Dann ist ja gut“, hauchte sie.

      „Leonore arbeitet mit Opal in der Reitbahn“, erklärte Till Lichtenberg weiter. „Ich bin mir sicher, sie hat nichts dagegen, wenn du Sunny aus der Box holst und putzt, aber für eine Reitstunde hat sie keine Zeit. Ich gehe jetzt runter zum See, eine Runde rudern.“

      Till Lichtenberg verabschiedete sich freundlich von Fiona und Dr. Harsch. Der Tierarzt stieg zu Nox ins Auto und brauste vom Hof. Fiona schüttelte sich, um die Kälte loszuwerden. Wie gut, dass Sunny nicht krank war!

      Vor dem Stall hockte Mila auf einer Bank und streichelte Herrn Elch. „Hallo“, sagte Fiona. Das Mädchen sah auf und lächelte schüchtern. Fiona dachte daran, was Leonore ihr gestern über Mila erzählt hatte. „Magst du Katzen?“, fragte sie daher. Mila schaute groß und nickte dann vorsichtig. „Andere Tiere auch? Ponys vielleicht? Oder Hängebauchschweine?“, fragte Fiona weiter. Mila schüttelte den Kopf. Fiona fiel leider nichts ein, was sie sonst noch zu dem Mädchen sagen konnte. Sie lächelte sie noch einmal an, ließ sich von Lise und Lotte angrunzen und ging in den Stall.

      Sunny stand in ihrer Box und sah Fiona erwartungsvoll entgegen.

      „Hallo, Sunny!“, sagte sie. „Hast du mich kommen gehört? Wie geht es dir?“ Sunny schnaubte und streckte den Kopf über die Absperrung. Fiona öffnete die Tür und schlüpfte in die Box. „Es ist keiner da“, sagte sie leise. „Du kannst ruhig mit mir reden.“

      Sunny schüttelte den Kopf.

      „Nein?“, fragte Fiona. „Warum nicht?“

      Da tapsten Schritte durch die Stallgasse und eine Katze maunzte. Fiona sah sich um. Herr Elch huschte auf leisen Sohlen die Leiter zum Heuboden hinauf. Mila folgte ihm. Sie warf Fiona und Sunny einen neugierigen Blick zu.

      „Okay, verstehe“, sagte Fiona. Sie grinste Sunny schuldbewusst an. „Es ist wirklich zu gefährlich, hier miteinander zu sprechen. Gut, dass du so vorsichtig warst.“ Sie kraulte dem Pony das Fell unter der seidenweichen Mähne und Sunny schnaubte zufrieden. Dann stupste sie Fiona an, als wollte sie sagen: Und was machen wir jetzt?

      „Ich kann dich heute leider nicht reiten“, erklärte Fiona. „Leo hat keine Zeit. Aber putzen kann ich dich. Ist das okay?“ Sie sah das Pony aufmerksam an. Es war wirklich toll, dass Sunny sie verstehen und ihr sogar antworten konnte – wenn auch im Moment nur durch Nicken und Kopfschütteln. Jetzt nickte Sunny, dass die Mähne hin und her flog, und drängelte Fiona Richtung Tür.

      „He, langsam, Goldpony!“, meinte Fiona grinsend.

      Fiona band Sunny auf dem Hof an und holte sich einen Putzkasten nach draußen. Sie wollte das schöne Sommerwetter genießen und außerdem Ausschau nach Leni, Jana und Aurelia halten. Vielleicht konnten die drei ihr ja verraten, was Sunny und Leonore nicht erzählen wollten: Warum alle glaubten, Sunny sei kein Funkelpony.

      Beim Putzen kamen Fionas Finger ganz von selbst wieder in die Nähe von Sunnys Funkelstein. Neugierig löste sie die Stirnfransen auseinander und betrachtete den goldenen Stein. Ob Leonore recht hatte? War es wirklich ein Fehler gewesen, Sunny den Stein zu geben? Warum wollte sie Fiona eigentlich nicht verraten, was in der Vergangenheit geschehen war? Und wenn Sunny kein Funkelpony war, warum konnte sie dann sprechen und wieso hatte gestern der Stein gefunkelt? Oder war es doch nur ein Lichtreflex gewesen?

      Fiona schüttelte den Kopf, um die vielen Fragen zu vertreiben. Sie konnte sie ja doch nicht beantworten. Sie nahm den Stein in die Hand und besah ihn sich erneut von allen Seiten. Der feine goldene Glanz, der edelsteinartige Schliff, das Loch auf der Rückseite, all das kannte Fiona schon. Es sah schön aus, aber eigentlich nicht sehr geheimnisvoll.

      Ein heiserer Schrei ließ Fiona zusammenzucken. Die Elster, die sie schon von gestern kannte, landete auf der Dachrinne und hüpfte langsam näher. Dabei ließ sie den goldenen Stein nicht aus den Augen. Wieder krächzte sie und kam noch näher. Fiona fiel plötzlich etwas ein. Waren Elstern nicht ganz verrückt nach schimmernden Gegenständen? Für ihr Referat hatte sie herausgefunden, dass die Vögel nicht nur Futter, sondern manchmal auch Schmuck oder silbernes Bonbonpapier in ihren Verstecken horteten. Die Elster hatte es auf Sunnys Funkelstein abgesehen!

      „Hau ab!“, sagte Fiona und wedelte mit der Hand. Aber der Vogel hüpfte nur ein paar Schritte zur Seite und ließ Sunnys Stein nicht aus den Augen.

      „Sch! Sch!“, machte Fiona. Warum hatte dieser freche Vogel denn keine Angst vor ihr? Die Elster hüpfte noch näher. Sie senkte den Kopf und starrte wie gebannt auf den funkelnden Stein an Sunnys Kopf. Dann öffnete sie den Schnabel. Sie gab meckernde, aufgeregte Laute von sich. Die Elster wiederholte die Laute ein paarmal, während sich Sunnys Goldstein in ihren schwarzen Knopfaugen spiegelte. Sie schrie heiser, einmal, zweimal, noch einmal, und flatterte über das Stalldach davon.

      „So ein zahmer Vogel“, stellte Fiona erstaunt fest. „Sie hat geschimpft, als hätten wir ihr den Stein geklaut. Oder wollte sie uns etwas sagen?“ Sie dachte nach. Die Laute, die die Elster von sich gegeben hatte, hatten wirklich ein wenig wie Worte geklungen. Erst hieß es „heff-heff-heff“ oder „helft-helft-helft“. Und dann diese langen Schreie: „Miiii! Laaaa! Miiii! Laaa!“

      „Helft

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