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Trockenen auf den Fernsehmann von «Tele M1» aus Aarau. Kurze Zeit später trifft Christof Gerber ein. 90 Minuten investieren wir in das «shooting». Zuerst werde ich interviewt, dann schiebe ich Mrs. Molly durchs Quartier, bevor wir filmend die Grenze nach Deutschland überqueren. Aus allen möglichen Positionen filmt Christof. Mrs. Molly fühlt sich offensichtlich geschmeichelt, sie fährt auffällig elegant durch die Gegend. Der Regen scheint ihr überhaupt nichts auszumachen. Mit dem Filmer fühle ich aber mit, denn er steht mit seiner Kamera im strömenden Regen und ich selbst kann mich meistens unter meinem breiten Regenschirm verstecken. Andauernd muss er seine Linse trocknen, damit er qualitativ gute Videosequenzen in den Kasten bringt. Nach getaner Arbeit verabschieden wir uns mit einem kräftigen Händedruck.

      Die Schweiz lasse ich hinter mir und der weitere Marsch führt mich gegen Nordosten. Nach dem Grenzübertritt biege ich gleich rechts ab und kann dadurch die Stadt Waldshut links liegen lassen. Zu meiner Erleichterung finde ich auch hier ein gut ausgeschildertes Netz an Fahrradwegen vor. Ich werde nun ein gutes Stück dem Flüsschen Wutach folgen. Der Regen wird immer heftiger. Der Feldweg besteht aus mehr Pfützen als Kies. Die Füsse geben seit kurzem ein schmatzendes Geräusch von sich und der Oberkörper fühlt sich klamm und feucht an. Allmählich habe ich die Schnauze voll. Eine volle Stunde überlege ich hin und her, ob ich mir ein Hotelzimmer leisten soll. In meinem Kopf herrscht ein regelrechtes Tauziehen zwischen dem Möchtegern-Abenteurer und dem kranken Wandersmann. Am vierten Tag bereits eine luxuriöse Unterkunft beziehen, das geht doch nicht, muckt der Macho in mir auf. Das kommt doch einer Kapitulation gleich! Jeder intelligente Mensch würde sich für diese Nacht ein trockenes und warmes Plätzchen suchen, erwidert aber der fiebrige Spaziergänger. Ich ringe mit mir, aber irgendwann wäscht der kalte Dauerregen alle Gegenargumente weg.

      Vor Lauchringen treffe ich eine ältere Dame, die trotz des trüben Wetters mit ihrem Hund Gassi geht. Ich frage sie, ob es im Dorf eine Herberge gäbe. «Ja, sogar zwei, nämlich das Gasthaus Adler und das Gartenhotel Feldeck, dieses Etablissement ist aber schon ein bisschen teurer», sagt sie und mustert mich skeptisch von oben bis unten. Der Adler ist bis 17 Uhr geschlossen und deshalb schaue ich bei der zweiten Option vorbei. Ich parke Molly vor dem Eingang und erkundige mich an der Rezeption. Sie hätten noch ein Zimmer für 65 Euro, meint der Chef. Der Preis ist schon ein wenig höher als bei der Konkurrenz, aber ich will einfach nur aus den nassen Klamotten raus! «Ich buche das Logie aber nur unter einer Bedingung», sage ich zum Patron. Verwundert schaut er mich an. «Mrs. Molly, the shopping trolley, muss mit auf das Zimmer!» Jetzt guckt er mich noch verwirrter an. Als ich ihm aber draussen meine Dame vorstelle, lacht er schallend. Und so bekomme ich für das Geld nicht nur ein Einzelzimmer, sondern ein ansprechendes und geräumiges Doppelzimmer. Mein klatschnasses Wägelchen passt sogar in den Aufzug und wir rauschen in den ersten Stock. Knapp kommen wir durch den engen Gang. Die Zimmernummer ist die 17. Nur schnell raus aus den feuchten Kleidern und ab unter die heisse Dusche! Jeden freien Platz im Raum belege ich mit den muffigen Sachen, damit sie bis morgen trocken sind. Die Schuhe hänge ich an den Handtuchtrockner im Bad und drehe die Temperatur auf das Maximum. Bevor ich meinen müden Körper in die Gaststube verfrachte, widme ich mich der allabendlichen Fusspflege. Seit dem zweiten Tag bilden sich regelmässig Blasen an beiden Fusssohlen. Ich steche diese prallen Dinger jeweils auf, presse die Flüssigkeit hinaus und desinfiziere grosszügig. Auch die Fersen sind aufgescheuert und bluten leicht. Mit Spezialcreme salbe ich die geschundenen Füsse reichlich ein und schlüpfe in frische Socken. Nach dieser wichtigen Arbeit gönne ich mir eine Etage tiefer ein feines Gulasch mit Gemüse und hausgemachten Spätzle.

       In der Schusslinie

       Tag 5: Donnerstag, 9. Mai 2019, 30 km (129 km)

      Ich bediene mich herzhaft am Frühstücksbuffet. Es hat aufgehört zu regen und ich bin um 7: 30 Uhr wieder auf der Piste. Die ersten 17 km bis Stühlingen gibt es beinahe umsonst. Der durchgehend asphaltierte Weg führt wunderbar der Wutach entlang. Ich komme mit einem älteren Ehepaar ins Gespräch, das für einige Minuten in dieselbe Richtung spaziert. Ausführlich muss ich ihnen über mein Vorhaben berichten. Als sich unsere Wege trennen, meint die Dame: «Jeden Donnerstag besuche ich mit einer Frauengruppe die Kirche, um für eine Stunde gemeinsam zu Beten. Ich werde also speziell für Sie und Ihre Reise zum Herrgott beten, damit alles klappt und Sie gesund nach Hause kommen.» Ich bin gerührt und ziemlich sprachlos und bedanke mich bei ihr.

      Dem Wetter kann ich heute noch nicht trauen. Immer wieder fällt aus den grauen Wolken Regen und zwingt mich, den Schirm aufzuspannen. Wenn ich den Körper ganz nahe an mein Wägelchen presse und es mit angewinkelten Armen vorwärtsbewege, komme ich sogar ohne Regenschutz aus. So kann ich auf die ungeliebten Klamotten verzichten. In Grimmelshofen geht es das erste Mal richtig steil aufwärts. Das schmale Strässchen führt am letzten Haus des Dorfs vorbei und nach 200 Metern geht der Asphalt in einen wüsten Schotterweg über. Das kann doch nicht wahr sein! Ich lasse Molly stehen, kehre zum letzten Wohnhaus zurück und klingle an der Tür. Über die Gegensprechanlage meldet sich eine freundliche Stimme. «Guten Tag, ist das wirklich der Fahrradweg Richtung Fützen?» Die blecherne Stimme antwortet: «Ja, da sind Sie richtig, die Schotterpiste geht aber nach 200 Metern wieder in einen guten Weg über. Sie können aber auch ins Dorf, um die Kirche herum und auf diese Weise kommen Sie bequem und auf ausschliesslich geteerter Strasse nach Fützen.» Ich bedanke mich für die Auskunft. Nochmals ins Dorf hinunter – nicht mit mir! So schiebe ich Molly mit aller Kraft über die Buckelpiste. Wie versprochen, verwandelt sich der holprige Pfad schon nach der nächsten Kurve in eine gut befahrbare Strasse. Nun geht es stetig bergwärts. Allmählich kann ich eine sagenhafte Weitsicht geniessen. Mein Blick schweift über ein ausgedehntes Getreidefeld, dessen Ähren sich heftig im Wind neigen und biegen. Als gelber Farbkontrast leuchten mir auch herrlich duftende Rapsfelder entgegen. In der Ferne schmiegen sich hübsche Dörfer zwischen die grünen und gelben Flächen. Schwitzend und keuchend erreiche ich die Anhöhe. Hier steht das obligate Jesuskreuz und daneben lädt eine rustikale Sitzbank zum Verweilen ein. Der Kopf von Jesus ist leicht auf meine Seite geneigt und ich fühle mich ein wenig unter Beobachtung. Nach zehn Minuten ist Schluss mit Aussicht geniessen. Eine weitere stürmische Regenfront stürzt auf mich herein. Mit offenem Regenschirm kauere ich mich hinter Molly auf den Boden, mache mich möglichst klein und lasse die Sintflut über mich ergehen. Schon nach wenigen Minuten ist der Spuk vorbei und die Sonne scheint mir wieder ins Gesicht. Im leichten Laufschritt geht es ruckzuck nach Fützen. Verschenkte Höhenmeter, denke ich nur. Ich schaute mir das Höhenprofil für heute genau an und deshalb weiss ich, dass mich einige heftige Steigungen erwarten. Ein kurzes Stück führt der Weg relativ flach den Schienen der berühmten «Sauschwänzlebahn» entlang. Ohne Ankündigung biegt der Fahrradweg plötzlich in die Hauptstrasse ein. Ja Scheisse, muss das wirklich sein und das erst noch im dichten Feierabendverkehr. Und es wird steil, sehr steil. Ein Schild verspricht bis zu 15 Steigungsprozente! Ich muss höllisch auf den Verkehr aufpassen. Die Leuchtweste und auch der Regenschirm, den ich zur besseren Sichtbarkeit hisse, bewähren sich. Ich laufe, respektive krieche natürlich auf der linken Seite der Strasse: «Links gehen – Gefahr sehen», das lernte und verinnerlichte ich mir als Dreikäsehoch. Ich kann aber beruhigt feststellen, dass die Autofahrer grosse Rücksicht nehmen und ich möchte ihnen an dieser Stelle ein Kränzchen winden. Nach einer halben Stunde und 100 Höhenmetern habe ich die Nase voll. Ich biege in einen Feldweg ab, der am Waldrand entlangführt. Hier muss ich einen geeigneten Platz finden! Und es passt tatsächlich. Ich stelle gerade meine Behausung auf, als ein Allradfahrzeug in den Weg einbiegt. Es ist der Wagen des Wildhüters. Er kurbelt die Scheibe herunter und grüsst mich durchs Dickicht. Ich begebe mich neben sein Auto und erwidere den Gruss. «Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn Sie in unserem Wald campieren, solange Sie den Platz sauber hinterlassen. Wir haben aber die Jagd erst vor wenigen Tagen eröffnet und Ihr Zelt steht jetzt sozusagen im Kugelfang eines Hochsitzes – das ist sehr gefährlich!» Er zeigt mir den Ansitz, von wo die Jäger vor allem Wildschweine ins Visier nehmen. Ich schlucke drei Mal leer und schaue den netten Jäger fragend und ein wenig verzweifelt an. Der Mann mit dem grünen Hut schmunzelt und erlaubt mir, mein Zelt stehen zu lassen. Auf dem Rücksitz des Autos wedelt der Jagdhund wie zur Bestätigung freudig mit seinem Schwanz. Der Wildhüter zückt kurzerhand sein Smartphone und über die WhatsApp-Gruppe der Jäger

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