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Mal pausieren. Das versprochene Abendessen und das weiche Bett muss ich mir hart erarbeiten. Wie abgemacht, finde ich den Hausschlüssel am vereinbarten Ort und ich schliesse den Arbeitstag schon um 15 Uhr mit einem kühlen Bierchen ab. Ich richte es mir in der Wohnung gemütlich ein. Um 18 Uhr treffen die Hausherren ein und wir verbringen einen unterhaltsamen Abend mit leckerem Essen und Wein.

       Stalin, die Zarenfamilie und Krieg in Afrika

       Tag 3: Dienstag, 7. Mai 2019, 28 km (79 km)

      Ich schlafe furchtbar schlecht. Die grässliche Erkältung, die mich schon Tage vor meiner Abreise erwischte, will mich nicht zur Ruhe kommen lassen. In der Nacht geht mir durch den Kopf, dass ein Weitermarschieren nicht möglich sein wird. Die Augen sind völlig verklebt, der Mund ist staubtrocken und ich röchle mehr, als dass ich atme. Das T-Shirt ist durchgeschwitzt und ich fühle mich elend. Gegen Morgen nehmen die Beschwerden aber merklich ab und nach einem ausgiebigen Frühstück sieht die Welt doch tatsächlich wieder anders aus. Ich fühle mich einigermassen gut und beschliesse, die nächste Etappe doch unter die Füsse zu nehmen. Meine Gastgeber sind schon längst wieder an ihrem Arbeitsplatz und deshalb lasse ich mir Zeit, um mich abmarschbereit zu machen. Eigentlich möchte ich ja diese attraktive Wohnung gar nicht verlassen. Wie behaglich könnte ich es hier haben! Ich will aber das tolle Wetter ausnützen und ich trenne mich eine Stunde später von den Annehmlichkeiten, die so eine Bleibe bietet. Prophylaktisch werfe ich vor dem Start ein «Pretuval» ein. Auf der Packung steht vollmundig: «Lindert Kopf- und Gliederschmerzen, Schnupfen, Fieber und Reizhusten. Dies sind zugelassene Arzneimittel. Bitte lesen Sie die Packungsbeilage». Auch wenn ich wollte, könnte ich mit den zugeschwollenen Augen die winzige Schrift des Beipackzettels nicht lesen. Ich nehme mir fest vor, es besonders ruhig anzugehen, denn Überanstrengung ist für mein leicht fiebriges Köpfchen nicht das Beste.

      Zum Start muss ich natürlich wieder diese verflixt steile Strasse bewältigen. Man könnte meinen, das sei überhaupt keine Sache – bergab geht es ja von allein. Die Schwerkraft lässt umgehend grüssen und die 90 kg schwere Molly reisst gehörig an meinen Armen. Das ist viel mühsamer als gestern in die entgegengesetzte Richtung! Ich muss mit dem vollen Körpergewicht dagegenhalten, damit meine Dame nicht zu rasant den Hang runterflitzt. Die ganze Übung schlägt mir voll in die Knie und ich bin erleichtert, als mich unten das grüne Wasser der Aare begrüsst. Friedlich und entspannt geht es dem Fluss entlang Richtung Brugg. Ein Eichhörnchen kreuzt meinen Weg, klettert auf einen Baum und beobachtet mich frech von seinem Hochsitz. Zwei Enten genehmigen sich ihr morgendliches Bad und fliegen schnatternd davon, als Molly und ich uns nähern. Am gegenüberliegenden Ufer kann ich einen Schwan beim Brüten beobachten. Kurze Zeit später schwimmt sein Partner gemächlich auf das Nest zu. Die Ablösung ist da. Die zwei Tiere wechseln ihre Plätze. Einige Male wackelt der Neuankömmling mit seinem Hintern, bis er eine bequeme Position auf den auszubrütenden Eiern findet.

      Auf meinem Pfad kommt es regelmässig zu animierten Gesprächen mit Menschen, die ich treffe. Ein älterer Herr erzählt mir, dass in der Vergangenheit nicht nur ein Schwanenpaar an diesem Flussabschnitt lebte. Vor 20 Jahren waren es sechs bis sieben Paare, meint er traurig. Der Mann ist sehr gesprächig und in den 15 Minuten, die wir gemeinsam verbringen, erzählt er mir von Stalin, der Zarenfamilie, der Eisenbahn, die genau auf unserem Wanderweg für die Errichtung des Flusskraftwerks gebaut wurde, den Kriegen in Afrika und einiges mehr. Als er gerade mit dem Thema Klimaschutz beginnen will, trennen sich leider, leider unsere Wege.

      Es fällt mir auf, dass insbesondere Strassenarbeiter und Handwerker von meinem Vorhaben begeistert sind. Kommt das vielleicht daher, weil ich als Landschaftsgärtner vor 25 Jahren auch eine dreckige Zunge und Staub auf der Lunge hatte? Seelenverwandtschaft? Auf alle Fälle belagern mich im Gewerbegebiet von Auenstein vier Mitarbeiter einer Firma. Glücklicherweise habe ich in weiser Voraussicht einen handlichen Flyer gedruckt, auf dem die wichtigsten Angaben über die Reise vermerkt sind. Auch die grobe Route ist da zu finden und ein wenig Werbung in eigener Sache muss mit der Erwähnung meines Buchs «TransAustralia» auch sein. Nach einem 20-minütigen Palaver schicke ich die gesprächigen Männer wieder zur Arbeit und auch ich kann den weiteren Weg fortsetzen. Um die Mittagszeit spaziere ich durch ein Einfamilienhausquartier und die leckeren Kochdüfte, die durch das Strässchen ziehen, grenzen schon fast an Folter. Es riecht verlockend nach angebratenem Fleisch und ein paar Häuser weiter werden offensichtlich gerade ein paar Zwiebeln scharf angedünstet. Wie gestern begnüge ich mich überaus bescheiden mit einem langweiligen belegten Brot.

      Brugg lasse ich nach dem Mittag hinter mir und nun zeichnet sich der Verlauf des Wegs mit einem ständigen Auf und Ab aus. Deshalb läppern sich doch einige Höhenmeter zusammen. Zwischen Villigen und Böttstein, in der Nähe des bekannten «Paul Scherrer Institut PSI», entdecke ich einen geeigneten Platz, um mein Camp aufzustellen. Ein alter Schuppen gewährt mir Sichtschutz und schenkt mir auf diese Weise eine gewisse Privatsphäre.

       Stallgeruch und sympathische Grenzwächter

       Tag 4: Mittwoch, 8. Mai 2019, 20 km (99 km)

      Wie prognostiziert, hat es in der Nacht angefangen zu regnen. Nicht stark, aber stetig. Praktischerweise liegt die vollständige Ausrüstung fein säuberlich bei mir drinnen und ich kann entspannt das Morgenessen im Bett geniessen. Mir ist bewusst, dass es nicht ungefährlich ist, den Kocher indoor zu benutzen; mancher hat sein Zelt damit schon abgefackelt und sich so in Lebensgefahr gebracht. Meistens sind bei diesen Unfällen aber die unberechenbaren Benzinkocher im Einsatz. Mit meinem Gaskocher kann ich sehr dosiert hantieren und ich wärme das Wasser problemlos auf. Nach dem Frühstück packe ich sitzend mein gesamtes Hab und Gut wasserdicht ein. Mich selbst hülle ich in Regenjacke und -hose. Als Erstes montiere ich draussen an Mrs. Molly den Regenschirm. Auf diese Weise befindet sich ihr Laderaum zum grössten Teil am Trockenen und ich kann Sack um Sack einladen. Als Letztes steht nur noch das leere Zelt auf der Wiese. Ich rolle das triefend nasse Teil zusammen und verstaue es in einem passenden und wasserfesten Beutel an Mollys Aussenseite. Beim Marschieren schützt mich der Schirm ganz gut. Hinten tropft mir das Wasser einfach auf den Rücken, doch die Jacke sollte eigentlich dicht sein. Der Fahrradweg folgt auf einer separaten Spur der Hauptstrasse. Vor Böttstein führt die Route in langen Bögen ziemlich steil ins Dorf. Ich komme schon das erste Mal ins Keuchen und nass werde ich eher vom Schwitzen als vom Regen. Im Dorfladen von Böttstein decke ich mich, sozusagen im Vorbeigehen, mit einem Brot ein. Der Weg führt zurück an die Aare und deshalb werde ich im weiteren Verlauf mit abrupten Steigungen verschont. In Kleindöttingen steht ein Schild, das ein Restaurant namens «Oase» anpreist. Entschlossen biege ich ab, um mich in der Gaststube aufzuwärmen. Beim Öffnen der Tür schlägt mir ein intensiver Pferdegeruch entgegen. Das Lokal ist mit einer breiten Glasfront von einer Reithalle abgetrennt. Der «Farmers Place» bietet neben dem Restaurant auch Reit- und Pferdetraining an. Ein B&B rundet das Angebot ab. Ich schäle mich aus den feuchten Klamotten und mache es mir in einer Ecke bequem. Ich komme mit Monika, der Chefin, ins Gespräch. Erst letztes Jahr habe sie dieses Business übernommen. Bei Kaffee und einem Buttergipfel wärme ich mich an diesem behaglichen Ort auf. Der lokale Fernsehsender «Tele M1» ruft mich an und fragt, wo ich mich gerade aufhalte. Wir vereinbaren, dass mich ein Videojournalist des Senders um die Mittagszeit direkt am Zoll in Koblenz für ein Interview treffen kann. Ich packe also zügig zusammen, denn bis an die Grenze habe ich einen stündigen Fussmarsch vor mir.

      In Koblenz bemerke ich ein Auto der Grenzwache, das vor einem Geldinstitut parkt. Ein Mann in Uniform besorgt sich am Automaten offenbar Nachschub an Bargeld. Er steigt gerade zu seinem Kollegen in den Wagen ein, als ich auf dem Bürgersteig mit meinem Gefährt vorbeirolle. Die zwei schauen sich fragend an, wechseln einige Worte, klettern gemeinsam aus ihrem Dienstfahrzeug und schlendern auf mich zu. «Guten Tag, können Sie uns ihren Ausweis zeigen?» Ich habe es beinahe vermutet, dass ich mit meiner ungewöhnlichen Optik hier nicht ungeschoren davonkomme! Auf die Beamten wirke ich wohl wie ein skurriler Obdachloser mit einem futuristischen Gefährt – und das obendrein in ihrem Revier! Selbstverständlich kann ich mich ausweisen. Während der Grauhaarige die Identitätskarte einscannt, plaudere ich mit dem Jüngeren. Als ich erzähle, was ich vorhabe, ist das Eis bei den sympathischen Grenzwächtern schnell gebrochen. Nach der Kontrolle des Ausweises, die übrigens ohne Beanstandung über die Bühne geht, kann ich

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