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und Staat, Recht und höhere Wirtschaft, mit allen Entwicklungen und Verzweigungen, die sie schon getrieben haben und noch treiben werden, entstanden gemeinsam in jenem Moment unvergleichlicher weltgeschichtlicher Bedeutung, in dem zuerst der Sieger den Besiegten schonte, um ihn dauernd zu bewirtschaften.«

      Die Wichtigkeit dieser Tatsache wird später immer wieder hervorblitzen, wenn es darum geht die Notwendigkeit der geschichtlichen Entwicklung zu verstehen: Der Staat arbeitet ökonomisch! Er versucht, die maximale Abgabe aus seinen Untertanen herauszuholen, gleichzeitig aber nur so viel, um sie ruhig zu halten und Aufstände zu vermeiden. In modernen Staatssystemen stößt diese Ausbeutung (die notwendigerweise wachsen muss, wie später zu beweisen ist) irgendwann an ihre Grenzen, welche die sogenannte »Laffer-Kurve« vorgibt:

       »Wird der Steuersatz, ausgehend von einem Satz von null, sukzessive erhöht, so steigen auch die Steuereinnahmen, allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt, an dem die Besteuerten ausweichen. Wird der Steuersatz über diesen Punkt hinaus weiter erhöht, dann nehmen die Steuereinnahmen wieder ab; dieses Phänomen entsteht, weil höhere Steuersätze auch den Steuerwiderstand erhöhen.«1

      Dieses Gesetz der Laffer-Kurve ist besonders im Endstadium einer Hochzivilisation, die geprägt ist durch exorbitante Steuern, einer der Katalysatoren für deren Rückabwicklung. Doch vom zweiten Stadium in Oppenheimers Staatstheorie bis zur Ausbildung einer fertigen Kultur ist es noch ein weiter Weg. Oppenheimer fährt fort:

       »[…] Bald kommt ein anderes hinzu, um jene seelischen Beziehungen noch enger zu knüpfen. Es gibt in der Wüste außer dem jetzt in den Bienenvater umgewandelten Bären noch andere Petze, die auch nach Honig lüstern sind. Unser Hirtenstamm sperrt ihnen die Wildbahn, er schützt »seinen« Stock mit der Waffe. Die Bauern gewöhnen sich, die Hirten herbeizurufen, wenn ihnen eine Gefahr droht; schon erscheinen sie nicht mehr als die Räuber und Mörder, sondern als die Schützer und Retter.

       […] Das dritte Stadium besteht darin, daß der »Überschuß« der Bauernschaften von ihnen selbst regelmäßig als »Tribut« in das Zeltlager der Hirten abgeliefert wird, eine Regelung, die augenscheinlich für beide Teile bedeutende Vorteile hat. Für die Bauern, weil die kleinen Unregelmäßigkeiten, die mit der bisherigen Form der Besteuerung verbunden waren: ein paar erschlagene Männer, vergewaltigte Frauen und niedergebrannte Gehöfte, nun ganz fortfallen; für die Hirten, weil sie, um sich ganz kaufmännisch auszudrücken, für dieses »Geschäft« keine »Spesen« und Arbeit mehr aufzuwenden haben und die freigewordene Zeit und Kraft auf »Erweiterung des Betriebes« verwenden, d.h. mit anderen Worten, neue Bauernschaften unterwerfen können.

      […] Das vierte Stadium bedeutet wieder einen sehr wichtigen Schritt vorwärts, weil es die entscheidende Bedingung für das Zustandekommen des »Staates« in seiner uns geläufigen äußeren Form hinzubringt: die räumliche Vereinigung der beiden ethnischen Gruppen auf einem Gebiete […] Im allgemeinen reichen aber schon innere Gründe hin, um die Hirten zu veranlassen, die Nachbarschaft der Bauern zu suchen. Die Schutzpflicht gegen die »Bären« zwingt sie, mindestens ein Aufgebot junger Krieger in der Nähe des Stockes zu halten, und das ist gleichzeitig eine gute Vorsichtsmaßregel, um die Bienen von Aufruhrgelüsten oder einer etwaigen Neigung zurückzuhalten, einen anderen Bären als Bienenvater über sich zu setzen. Denn auch das ist nicht selten. […] Aber von diesem vierten führt die Logik der Dinge schnell zum fünften Stadium, das nun schon fast der volle Staat ist. Streitigkeiten entstehen zwischen benachbarten Dörfern oder Gauen, deren gewaltsamen Austrag die Herrengruppe nicht dulden kann, da dadurch die »Prästationsfähigkeit« der Bauern leiden müßte; sie wirft sich zum Schiedsrichter auf und erzwingt im Notfall ihren Spruch.«

      Hier entstehen also allmählich das Rechtswesen und die herrschende Macht als Instanz der Vertragsverbindlichkeit. Auch das ist später für das Verständnis des Debitismus unerlässlich.

      Wie sieht also das sechste und letzte Stadium aus? Oppenheimer dazu:

       »Die Notwendigkeit, die Unterworfenen in Raison und bei voller Leistungsfähigkeit zu erhalten, führt Schritt für Schritt vom fünften zum sechsten Stadium, nämlich zur Ausbildung des Staates in jedem Sinne, zur vollen Intranationalität und zur Entwicklung der »Nationalität«. Immer häufiger wird der Zwang, einzugreifen, zu schlichten, zu strafen, zu erzwingen; die Gewohnheit des Herrschens und die Gebräuche der Herrschaft bilden sich aus. Die beiden Gruppen, erst räumlich getrennt, dann auf einem Gebiete vereint, aber noch immer nur erst nebeneinandergelegt, dann durcheinandergeschüttelt, eine mechanische »Mischung« im Sinne der Chemie, werden mehr und mehr zu einer »chemischen Verbindung«. Sie durchdringen sich, mischen sich, verschmelzen in Brauch und Sitte, Sprache und Gottesdienst zu einer Einheit, und schon spannen sich auch Fäden der Blutsverwandtschaft von der Ober- zur Unterschicht. Denn überall wählt sich das Herrenvolk die schönsten Jungfrauen der Unterworfenen zu Kebsen, und ein Stamm von Bastarden wächst empor, bald der Herrenschicht eingeordnet, bald verworfen und dann kraft des in ihren Adern rollenden Herrenblutes die geborenen Führer der Beherrschten. Der primitive Staat ist fertig, Form und Inhalt.«

      Wir begreifen nun, wie ein Staat entsteht und lassen Friedrich Nietzsche wertend sprechen: »Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: ›Ich, der Staat, bin das Volk.‹«1

      Zwar lässt sich die Geschichte des Staates mit Sicherheit auf Nietzsches Worte herunterbrechen, doch wird bald ersichtlich, dass sich die Entstehung des Staates aus der Bedienung der Urschuld ableiten lässt (die sich fraktal auf eine ökonomische Ebene spiegelt). Auf metaphysischer Ebene erschuf bereits die erste Selbstreflektion im Garten Eden eine Kette chaotischer Zyklen, welche den Keim zur Staatenentstehung legte. Wir befruchteten uns mit dem Staat, um uns selbst zu begreifen und zu erfahren. Lassen wir abschließend nochmals Oppenheimer mit einer erhellenden Analogie sprechen:

       »[…] Schon Paul v. Lilienfeld, einer der Hauptverfechter der Anschauung, daß die Gesellschaft ein Organismus höherer Art ist, hat darauf hingewiesen, daß hier eine besonders schlagende Parallele zwischen dem eigentlichen und uneigentlichen Organismus gegeben ist. Alle höheren Wesen pflanzen sich geschlechtlich fort, die niederen ungeschlechtlich, durch Teilung, Knospung, allenfalls Kopulation. Nun, und der einfachen Teilung entspricht genau das Wachstum und die Fortpflanzung der vorstaatlichen Blutsgenossenschaft; sie wächst, bis sie für den Zusammenhalt zu groß wird, schnürt sich ab, teilt sich1, und die einzelnen Horden bleiben allenfalls in einem sehr losen Zusammenhang, ohne irgendwie straffere Gliederung. Der Kopulation ist die Verschmelzung exogamischer Gruppen vergleichbar.

      Der Staat aber entsteht durch geschlechtliche Fortpflanzung [Hervorhebung des Autors].

      Alle zwiegeschlechtliche Fortpflanzung vollzieht sich so, daß das männliche Prinzip, eine kleine, sehr aktive, bewegliche Schwärmzelle (das Spermatozoid) eine große, träge, der Eigenbewegung entbehrende Zelle (das Ovulum), das weibliche Prinzip, aufsucht, in sie eindringt und mit ihr verschmilzt, worauf ein Prozeß gewaltigen Wachstums, d.h. wundervoller Differenzierung mit gleichzeitiger Integrierung, sich vollzieht. Die träge, schollengefesselte Bauernschaft ist das Eichen, der bewegliche Hirtenstamm das Spermatozoid dieses soziologischen Befruchtungsaktes, und sein Ergebnis ist die Reifung eines höheren, in seinen Organen viel reicher gegliederten und viel kräftiger zusammengefaßten (integrierten) sozialen Organismus. Wer weitere Parallelen sucht, kann sie leicht finden. Die Art, wie unzählige Spermatozoide das Ovulum umschwärmen, bis endlich eines, das stärkste oder glücklichste, die Mikropyle entdeckt und erobert, ist den Grenzfehden, die der Staatsbildung vorangehen, wohl vergleichbar, und ebenso die fast magische Anziehungskraft, die das Ovulum auf die Schwärmzellen ausübt, dem Zuge der Steppensöhne in die Ebenen.« Oppenheimer vergleicht also die Staatsentstehung mit der Befruchtung was ausgezeichnet ins Bild unserer fraktalen Spiritualität passt. So wie niedere Wesen sich durch Teilung fortpflanzen (wächst der Stamm, so teilt er sich), pflanzen sich höhere Wesen durch Eroberung und Geschlechtsverkehr fort. In Analogie dazu ist der physisch schwächere Stamm das Weibchen (sesshaft, passiv und solidarisch) und der physisch stärkere Stamm das Männchen (forschend, erobernd und egozentrisch). Wie wir in Martins Ausführungen noch sehen werden, kommt es durch diese Befruchtung durch einen Hirtenstamm von einer solidargemeinschaftlichen

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