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Manier lösen könnte, wie uns das die Verfechter verschiedenster Pseudoganzheitslehren und Paradiesverheißungen weismachen wollen. Dieses »Problem« ist vielmehr überhaupt die Ursache für unsere Existenz, die Existenz des Universums und die Existenz alles Existierenden im Allgemeinen. Nur dieses Ungleichgewicht erzeugt die Dynamik des Seins und damit Schöpfung und Zersetzung der Dinge – den ewigen Wandel. Die Unvollständigkeit treibt alles an, weil alles nach Vollständigkeit sucht und diese doch nie erreicht. Der Drang nach Vollständigkeit und dauerhafter Stabilität sorgt erst für die ständige Reaktion eines Systems und damit für neue Unterscheidungsoperationen und neue Kreationen. Der Drang des Menschen die Welt vollständig zu entschlüsseln, gebiert erst die Ausdifferenzierung der Welt im menschlichen Bewusstsein und die Analyse der Einzelteile wirft ihrerseits neue Fragen bzgl. des Zusammenspiels auf und muss diese auch bis in alle Ewigkeit aufwerfen, wie an späterer Stelle noch zu erläutern sein wird. Ein System, wie der Mensch, kann als Teil des Ganzen eben immer nur Teile des Ganzen begreifen und wie wir noch sehen werden, ist diese selektive Blindheit überhaupt erst die »Ur-Sache« für den Akt des Beobachtens und die Erzeugung von Wissen, denn wer alle Farben des Regenbogens sieht, der sieht nur weiß und wer allwissend ist, der weiß gar nichts. Wissen definiert sich überhaupt erst durch die Unvollständigkeit – die Ausdifferenzierung des Ganzen durch Beobachtung bei gleichzeitiger Abtrennung des Unbeobachteten, ja bereits die Wissenschaft, die »Wissen schafft«, beruht auf den Prämissen der Beobachtbarkeit und Reproduzierbarkeit und muss sich deshalb zwangsläufig von all dem abgrenzen, das nicht beobachtbar und nicht reproduzierbar ist. Die Wissenschaft beschreibt also die »Wirk-lichkeit«, d.h. alles, das auf das System Mensch (über seine Sinnesorgane) und seine Messgeräte »wirkt« und konstruiert auf Basis dieser Daten ein Modell der »Wirk-lichkeit«, das mit der Vorstellungskraft, den kognitiven Fähigkeiten und den kulturspezifischen Glaubenssätzen eines knapp 1400 Gramm schweren Gehirns eines Homo sapiens sapiens kompatibel ist. Die Beschreibung der »Wirk-lichkeit« hat also nichts mit der Realität zu tun – was auch immer man unter Letzterer verstehen mag. Ebenso werden wir im Laufe des Buches begreifen lernen, warum eine Weltformel ein Widerspruch in sich ist bzw. warum sie, die ihrerseits auf Axiomen beruhen muss, auch deshalb immer unvollständig bleibt, ja beim Einsetzen bestimmter Werte auch Ergebnisse hervorbringen muss, die durch die Formel nicht mehr erklärbar sind bzw. den Rahmen dessen sprengen, was die Formel zu erklären im Stande ist – auch wenn das in der Anfangseuphorie vermeintlich »Alles« ist.

      Diese Ausnahme ist jedem System immanent, und diese Ausnahme, die dem nicht berücksichtigten bzw. nicht beobachteten Teil entspricht, bestätigt nicht nur die Regel, d.h. erhält im dynamischen Wechselspiel mit dem Rest das System, sondern zerstört sie auch am Ende. Ein physikalisches oder biologisches System erhält damit, ebenso wie ein ideologisches, seine Existenz durch den nicht vollständig »beobachteten« Rest, auf den es ständig reagiert – ein physikalisches System durch Wechselwirkung, ein biologisches durch Anpassung, eine ideologische oder physikalische Theorie durch Erweiterung der Axiome. Es saugt dabei ständig Informationen auf (es differenziert aus) und geht letztendlich an seiner eigenen Komplexität zugrunde, v.a. weil es immer auf einer Basis aufbauen muss, die über die Zeit hinweg ständig starrer und unflexibler wird. Das ist ein irreversibler Prozess, der das System ständig dazu zwingt, neue innere Hierarchien zu errichten, welche die Komplexität verwalten, was die Instabilität weiter beschleunigt.

      Die »Höherentwicklung« eines Systems innerhalb eines dabei immer notwendigen Energiegefälles bedeutet nichts anderes als den Export von Komplexität durch Subsysteme auf Kosten der Komplexitätserhöhung des Gesamtsystems. So lagern Unternehmen im Kapitalismus immer mehr Aufgaben aus, um den Preis eines hochkomplexen, hochnvernetzten und deshalb hochgradig störanfälligen Wirtschaftssystems, von dem sie immer abhängiger werden. Einzeller differenzieren zu hochkomplexen Vielzellern mit spezialisierten Zellen aus und sind hernach alleine - unabhängig vom Zellverband, von dem sie ein Teil sind - nicht mehr lebensfähig. Diese Ausdifferenzierung eines Systems geht stets mit einer Einschränkung der Freiheitsgrade der Subsysteme, mit Fragilität, geringerer Resilienz und damit einer Zunahme des Zerstörungspotentials einher. Der menschliche Körper als komplexes Produkt der Evolution ist folglich nicht einmal ansatzweise so resistent und stark gegenüber Umwelteinflüssen wie der einer Kakerlake. Genau deshalb (!) musste er ein Selbstbewusstsein entwickeln, um überhaupt überleben zu können. Auch reduziert sich das Leben einer Kakerlake auf fressen, atmen und fortpflanzen, während die vom Menschen erschaffenen gesellschaftlichen und ökonomischen Systeme, die er sich zur Organisation seiner Art schuf, ihn mit einem immensen Spektrum an Problemen konfrontieren. Permanent muss er ins Gesamtgefüge eingreifen und dieses verändern, um sich der Zufriedenheit anzunähern – kann diese aber nie erreichen. Stattdessen wachsen mit seiner Reaktion auf seine Umwelt die Komplexität der von ihm erschaffenen Systeme und damit das Potential an Destruktivität. Es gibt keinen Fortschritt ohne ein Rückschlagspotential in gleicher Höhe, so wie es kein Guthaben ohne Kredit gibt und keine Schöpfung ohne Zerstörung. Das ist die Bilanz des Seins (dessen Passiva das Nichts ist).

      Heute ist der Mensch durch Hygienemaßnahmen, medizinischen Fortschritt und allerlei Impfungen/Medikamente so weit, sein Leben signifikant zu verlängern. Die dualistische und zerstörerische Kehrseite der Medaille ist aber, dass sein Immunsystem damit schwächer und anfälliger wird. Trotz bzw. aufgrund des hohen medizinischen Niveaus explodieren Zivilisationskrankheiten geradezu. Deshalb hat auch die soziale Ader des Menschen im Massenkollektiv ihre dualen Schattenseiten, denn sie hebelt den evolutionären Selektionsdruck aus, durch Gewährleistung der Weitergabe schlechten genetischen Materials (Erbkrankheiten), das im gnadenlosen Wettkampf der Natur untergehen würde, in der Zivilgesellschaft dagegen zu einer negativen Auslese führt: Krankheiten werden durch Pillen unterdrückt, sozial Schwache und Behinderte werden von der Allgemeinheit unterstützt und tragen ihr genetisches Material weiter. Der evolutionäre Selektionsdruck wirkt aufgrund des wachen Bewusstseins des Homo sapiens sapiens nicht mehr und der Mensch befindet sich stets in einer defensiven Verteidigungshaltung gegenüber neuen Krankheitserregern, sodass er gute Chancen hat, durch die kleinsten und resistentesten Wesen dieses Planeten – pathogene Mikroorganismen – eines Tages ausgelöscht zu werden. Der Sozialdarwinismus, auf der anderen Seite der Bilanz, konterkariert alle Charaktereigenschaften durch die wir uns als Mensch definieren und führt in letzter Konsequenz stets zu Euthanasie, Zwangssterilisation, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und am Ende zur Errichtung von Konzentrationslagern. Es gibt schlichtweg keinen Vorteil ohne Nachteil und damit auch niemals ein funktionierendes System. Es ist auch kein Zufall, dass unsere Naturgesetze nicht nur etwas so stabiles wie Materie hervorbringen, sondern im Zeitablauf auch ein zerstörerisches duales Pendant, wie etwa schwarze Löcher. Diese schwarzen Löcher gab es zuvor noch nicht1 und es ist wahrscheinlich, dass sie in ihrem Inneren sogar unsere bekannten Naturgesetze zerstören. Kann eine Weltformel auf Basis von Naturgesetzen etwas voraussagen, das sich mit diesen Naturgesetzen nicht mehr erklären lässt, weil diese im Inneren eines schwarzen Lochs versagen? Lässt sich die gesamte Realität grundsätzlich auf eine Formel reduzieren oder führt sich auch jede Formel (wenn ihre Grenzen ausgereizt werden), wie auch jedes andere System, aufgrund ihrer axiomatischen Basis irgendwann ad absurdum bzw. erscheint in endlosen Ebenen nur als Spezialfall eines übergeordneten Modells? Können Naturkonstanten überhaupt konstant sein? Und wie soll unser Universum entstehen, wenn nicht ständig neue Dinge emergieren, indem sie – esoterisch gesprochen – aus der Leere als Möglichkeitsraum und Summe allen Seins gezogen werden? All diesen Fragen werden wir uns zu gegebener Zeit widmen. Vorerst ist es wichtig zu wissen, dass jeder Zerstörung ein schöpferisches Element und jeder Schöpfung ein zerstörerisches Element innewohnt. So wie Gott (die Leere als Summe allen Seins) sich selbst zerstören muss, um die Welt zu erschaffen, entstehen Materie und Antimaterie aus einem »zerstörten« Photon oder annihilieren wieder zu Photonen (bzw. je nach Bewegungsenergie zu Myonen oder Mesonen) und ebenso entsteht auch ein Staat aus der Zerstörung einer solidarischen Stammesgemeinschaft, die sich aufspaltet in Macht und Ohnmacht. Gleichermaßen wichtig ist das fortwährende Ungleichgewicht, dem jedes System ausgesetzt ist und das sich im Zeitablauf vergrößert (die Komplexität bietet immer mehr Angriffspunkte für Störungen).1 Zusammenfassend lässt sich wiederholen: Dem »Fortschritt« steht immer ein gleich großes »Rückschritts«-Potential2 gegenüber. Wo der Grad an Komplexität steigt, steigt auch der Grad an Fragilität und Inflexibilität.

      Beispiele

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