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Arnulf. Kampf um Bayern. Robert Focken
Читать онлайн.Название Arnulf. Kampf um Bayern
Год выпуска 0
isbn 9783862827176
Автор произведения Robert Focken
Издательство Readbox publishing GmbH
»Das trauen wir Euch durchaus zu, schließlich seid Ihr unser Statthalter in den nördlichen Marken«, schnaufte Fulrad. »Nur leider« – nun schwang ein Hauch von Sarkasmus mit – »leider hätten wir herzlich wenig von solch einer Verwüstung. Es gibt aber ein viel lohnenderes Ziel, ihr Herren: Bayern!« Schwer lehnte er sich nun mit beiden Händen auf die Tischplatte. Ein Diener platzierte einen Wasserbecher vor ihm, den er mit lauten Schlucken zur Hälfte leerte. Alle blickten ihn an. »Hardrad ist nur ein Aufwiegler«, fuhr der Hofkapellan fort. »Die wirklichen Verschwörer stehen hinter ihm! Seitdem der Bayernherzog Tassilo die Heidenstämme der Südalpen unterworfen hat, hält er sich selbst für einen König. Selbst die gottlosen Awaren aus den östlichen Steppen dienern jetzt vor ihm! Und niemand anders als seine böse, hinterhältige Frau flüstert ihm täglich ein, dass er zu Höherem berufen ist. Kein Mensch unter Gottes Himmel hasst Euch, Carolus Rex, mehr als dieses Weib!«
»Warum?«, fragte Udalrich rau, den Becher an den Lippen. »Sie stammt nicht einmal aus Bayern, oder?«
»Eben drum«, sagte der König mit einem kalten Lächeln. »Sie ist eine langobardische Königstochter. Wir haben das Reich ihres Vaters in Norditalien zerstört und ihn ins Kloster gesteckt, damals, als Ihr selbst noch gegen uns gekämpft habt. Tassilo hätte uns bei dem Krieg leicht in den Rücken fallen können. Er hat’s nicht getan, weil ich ihm versprach, sein hübsches kleines Herzogtum in Ruhe zu lassen …«
Udalrichs Lächeln wirkte gezwungen. Er ruckelte an seinem Waffengurt, ein klickerndes Geräusch entstand – da war ein kleiner Beutel, in dem einige Knochen seiner Ahnen steckten, hieß es. »Auf die neue Zeit!«, prostete er dem König zu.
Der König erhob ebenfalls den Becher. »Weiter, Euer Gnaden! Ihr führt meine Gedanken gleichsam wie einen Jagdhund zur Wolfshatz … Also?!«
»Tassilos Weib will ihren Vater, ihre Eltern rächen«, stieß Fulrad aus. »Ich lege mein Hand dafür ins Feuer, Herr: Sie und Tassilo wussten von Hardrads Anschlag! Wie oft war der Thüringer im letzten Jahr in Regensburg? Mindestens zweimal, sagen meine Spione! Und mindestens einmal hat er sich mit Beratern des Bayern an einem Mainübergang getroffen, vor unserer Haustür.«
Karl nahm ein Messer auf, das die Diener mit Brot, Schmalz und Joghurt gebracht hatten. Seine Augen hatten einen kämpferischen Glanz. »Das taucht die Dinge in ein anderes Licht. Seien wir ehrlich: Allein dafür, dass Tassilo dem Hoftag fern blieb, verdient er Züchtigung!«
»So ist es, mein König«, pflichtete Fulrad eilig bei. »Ihr seid das Oberhaupt der Christenheit, Ihr seid Gottes Stellvertreter. Der Herzog der Bayern hat kein Recht, Euch zu trotzen! Gerade weil er Euer Vetter ist, der Sohn Eurer Tante, hat er das Knie vor Euch zu beugen.«
Karl prüfte mit dem Daumen die Spitze des Messers. »Seine Verwandten kann man sich nicht aussuchen, nicht wahr?« Ein Lächeln glomm auf und verschwand wieder. »Aber früher oder später muss diese Sache entschieden werden. Probleme aufzuschieben, heißt, sie wachsen zu lassen, sagte mein Vater, König Pippin, gerne. Also …« Sein Blick streifte sein Weib, den Sachsengrafen und den Kanzler, der mit geräuschlosen Schritten an den Tisch getreten war. »Eines freilich ist wichtig: Wir dürfen nicht wie die Angreifer aussehen, verstanden? Wenn der consiliarius Einhard meine vita fertiggeschrieben hat, dann muss deutlich werden, dass … «
Der König brach ab und sah sich abrupt nach links und rechts um. »Heilige Mutter Gottes – wo ist Einhard abgeblieben?«
Alle sahen einander an. Der Kanzler räusperte sich. »Ich glaube, mein König, er wollte zum Kloster Lorsch.«
Der Hofkapellan nickte und etwas Hämisches erschien in seinen Mundwinkeln. »Richtig, er suchte ein paar Bände eines alten Griechen über … über unchristlichen Geistesschwulst. Wir kennen ja seine Vorlieben.«
Kapitel III
Wormser Rheinufer, Mai 787
Die Wachen am Stadttor hatten Hardrad zum Rhein reiten sehen, zusammen mit einem halben Hundert Bewaffneter, die sich unterhalb der Stadt bereitgehalten hatten. Arnulf schlug mit seinen Leuten die Straße zur Rheinbrücke ein, einem sehr langen Bohlenweg, der sich wie auf hohen Stelzen über den mächtigen Strom dehnte. Doch was sie am anderen Ufer sahen, war wie ein Schlag in die Magengrube: Über dem Ende der Brücke hing eine dunkle Wolke. »Die Schweine haben Feuer hinter sich gelegt«, rief Sigfrid aus und zügelte sein Pferd neben Arnulfs Apfelschimmel. Er fuhr sich durch den Bart, fluchte und sah Arnulf herausfordernd an. »Vielleicht kommen wir trotzdem durch. Zu Fuß, die Pferde am Zügel?!«
Arnulf richtete sich in den Steigbügeln auf und kniff die Augen zusammen. Ein leichter Wind ging, die Rauchwolken trieben gen Osten. Die Flammen im Zentrum des Qualms waren mehr zu ahnen als zu sehen. »Versucht es, Sigfrid! Aber bringt Euch nicht um, hört Ihr?«
Der Sachse grinste, machte zwei Kriegern ein Zeichen und ritt mit ihnen im leichten Trab auf die Brücke. Ein weiterer Kampfgefährte Arnulfs brachte sein Pferd neben ihm zum Stehen, und allein durch den Weingeruch wusste Arnulf, dass es sein zweiter Truppführer war.
»Was macht der da?«, grunzte Gallo. Er war ein Westfranke aus Neustrien, ein Welscher also – so nannte man alle die, die nicht den ostfränkischen Dialekt sprachen.1 Er war nicht eben eine Schönheit: ein eher schmaler Kopf saß auf einem dicken Hals und fleischiger Schulterpartie, die Arme waren lang, die Beine etwas kurz, gerade im Sattel war das kein hübscher Anblick. Doch seine gute Laune war so zäh wie Büffelleder, und dafür schätzte ihn Arnulf. Ernst, das wusste der Offizier, wurde Gallo nur in völlig nüchternem Zustand. Und dies war auch an diesem Tag nicht zu befürchten. »Der Sachsenschädel will sein Pferd braten?«, lästerte Gallo. »Hätte er in der Pfalz machen können, am Feuer!«
»Schwätzer«, presste Arnulf hervor, was der Welsche in keinster Weise übel zu nehmen schien. Er wischte dicke, schwarze Haarsträhnen aus der Stirn und löste einen Trinkbeutel vom Sattelhorn. »Von hundert Leuten, hamar, kommen genau zwei auf so eine Idee: Sigfrid und Ihr selbst. Warum nicht die Fähre nehmen? Einen Trunk?«
Arnulf nahm den Beutel und trank einen Schluck: Ein Geschmack wie in Bier aufgeweichte Ziege. Schon machten die Reiter auf der Brücke kehrt – da war kein Durchkommen. Eilig ritten sie durch sumpfige Wiesen ein Stück flussaufwärts zum Fährplatz. Das Frühjahrshochwasser lag noch nicht lange zurück. Schwärme von Mücken stiegen auf. Einige Krieger brachen in lautes Fluchen aus, andere schlugen nach den Quälgeistern, die meisten aber zogen einfach die Halstücher über das Gesicht und gaben den Pferden die Sporen. Zwei Fähren setzten Arnulf und Sigfrid mit den ersten fünf Dutzend Mann über, während Gallo mit weiteren Leuten am Westufer wartete.
»Die Thüringer können noch nicht weit sein«, sagte Sigfrid und drehte den Donarhammer am Handgelenk.
»Sie haben Verwundete dabei«, nickte Arnulf. »Wenn sie die mitschleppen, haben wir den Haufen bald eingeholt.«
Sigfrid grinste kriegerisch, als freute er sich auf jenen Moment. Er ritt seit nunmehr bald vier Sommern an Arnulfs Seite. Auf der Flucht vor einer blutigen Fehde in seiner sächsischen Heimat hatte er Arnulfs Schutz angenommen. Im Gegenzug hatte er ihm giniscaft geschworen, Kriegertreue.
»Wir warten nicht auf Gallos Trupp«, stellte Arnulf grimmig fest. Schon kam das östliche Ufer auf sie zu. Er musste an seinen Sohn denken und sah dabei so besorgt aus, dass Sigfrid seine Gedanken erriet. »Das war nur eine Fleischwunde, meine ich«, murmelte der Sachse unvermittelt. »Sein Schädelknochen war intakt … In ein paar Tagen prahlt er wieder mit seinem Schwert.«
Arnulf brummte etwas und biss sich auf die Unterlippe. Die Schwertspitze des Thüringers hatte Arthur über der Stirn getroffen, vom Haaransatz bis zur Braue. Er war nicht bei Bewusstsein, als der Vater die Wunde untersuchte, aber Arnulf wollte glauben, was Sigfrid sagte. Wäre dies auch passiert, wenn ich ihm nicht schon das Schwert gegeben hätte? Hat sein Bruder ihn gleich zum Arzt schaffen lassen?
»Der Junge ist reif für den Kampf«, sagte Sigfrid halblaut. »Ich hab’ schon Achtzehnjährige gesehen, die weniger reif waren.« Arnulf knurrte etwas wie Zustimmung. Die Worte des Gefährten taten ihm gut, auch