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       Erhard von Büren

       Abdankung

       Ein Bericht

      Copyright: © 2020 Erhard von Büren

      Ursprünglich erschienen 1989, Zytglogge Verlag Bern erhard.vonbueren@vtxmail. ch

      Verlag und Druck:

      tredition GmbH

      Halenreie 40-44

      22359 Hamburg

      978-3-347-08437-7 (Paperback)

      978-3-347-08438-4 (Hardcover)

      978-3-347-08439-1 (e-Book)

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

       Inhalt

      1

       Februar dieses Jahres: Erbschaft

      2

       Februar, März, April des vorigen Jahres: Zahneisen

      3

       Mai: Spitzeisen – Besuche

      4

       Juni: Schwarzarbeit

      5

       Juli: Seitensprung

      6

       August: Stockhammer – Aufschub

      7

       August, September: Kameraden

      8

       September: Körperkontakt

      9

       Oktober: Scharriereisen

      10

       November: Manöverrapport

      11

       Dezember: Karrettenfahrt

      12

       Januar: Klüpfel – Ausgang

      13

       Februar: Nachruf

      14

       März, April, Mai, Juni: Schrifteisen – Nachlass

      Das schauerlichste Übel, der Tod, geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr. Er geht also weder die Lebenden an noch die Toten; denn die einen geht er nicht an, und die anderen existieren nicht mehr.

       Epikur

       1Februar dieses Jahres:Erbschaft

      Die Sommerjacke, die er im Frühling gekauft, den handgestrickten Pullover und das Portemonnaie haben wir Naef gegeben. Das Portemonnaie roch noch nach neuem Leder.

      Die fünf Flaschen Wein und die zwei Flaschen Schnaps gaben wir Naef und Schertenleib. Auch die Hemden und Socken und Taschentücher liessen wir dort; sollen die Leute im Altersheim damit machen, was sie wollen. Die übrige Wäsche, die übrigen Kleider haben wir in Plastiksäcke gestopft; das meiste davon war schmutzig, abgetragen.

      Der Rest hat Platz in zwei Kartonschachteln. Die Schachteln stehen im Keller: rechts hinten im Lattenverschlag auf dem Taburett. Die Fotos und Ansichtskarten riechen stark nach Zigarettenrauch.

      Als wir ins Breitmoos hinausfuhren, um den Schrank in seinem Zimmer zu räumen, schneite es. Samstagnachmittag. Der Schnee war nass, fiel in grossen Flocken. Schon die ganze Woche hatten Schnee und Regen einander abgelöst.

      Naef sagte uns, wo der Vater seine Sachen verstaut gehabt. Vom Korbsessel aus neben der Tür schaute er uns zu, wie wir die Tablare räumten. Unterhosen, Leibchen, ausgelatschte Schuhe, ein fleckiger Regenmantel, Kittel, Mützen; viele Socken, Hemden, Taschentücher.

      Im Zimmer brannte das Licht. Schertenleib sass, den Rücken uns zugekehrt, auf seinem Bett. Draussen die weissliche Dämmerung. Der leere Stuhl beim Fenster.

      Wir beeilten uns. Ich wusste nicht, was mit der Wäsche und den Kleidern anzufangen war. Ich genierte mich, alles im Heim zu lassen; ich genierte mich, alles mitzunehmen. Sophie sortierte. Die gebügelten Hemden und Taschentücher, die Socken stapelte sie auf den Tisch. Das Unterzeug tat sie in einen der mitgebrachten Säcke.

      Naef freute sich über den Pullover. «Haller hat ihn noch nie getragen», sagte er. «Eine Frau aus Riederen hat ihn gebracht. Zur Nikolausfeier.» Er probierte sich den Pullover an, einen dunkelgrünen Pullover, vorne mit einem roten Dreiecksmuster darin. Das Portemonnaie legte Naef neben sich auf die Bettdecke. «Schade, dass Haller selber es nicht mehr hat benützen können.»

      Das alte Portemonnaie liegt in einer der Schachteln, bei den Fotos und Ansichtskarten. Bereits im letzten Frühling hatte der Vater gesagt, er werde sich nächstens ein neues Portemonnaie kaufen müssen, das alte habe an zwei Stellen ein Loch. Das Geld klimpere ihm immer im Hosensack rum – und falls auch im Hosensack einmal ein Loch sei, verliere er alles.

      Der Verwalter war nicht im Haus. Eine junge Angestellte zeigte uns, wo wir die vollen Abfallsäcke hinstellen konnten. Sie dankte für das Aufräumen.

      Sophie hatte von Frau Köppel das Auto erhalten. Ein Koffer hätte gereicht, das Auto wäre nicht nötig gewesen.

      Bevor wir in die Stadt zurückfuhren, gingen wir im «Löwen» drüben einen Kaffee trinken. Die Wirtin reichte uns über den Tisch hinweg die Hand. Sie habe leider nicht an die Kremation kommen können.

       2Februar, März, April des vorigen Jahres:Zahneisen

      Sein Brief: «Meine Lieben! Der Doktor hat jetzt am Rücken operieren müssen. Es ist noch nicht ganz gut. Aber es wird sich schon bessern. Ich brauche ein paar neue Leibchen, drei oder vier, kann sie mir im Moment nicht selber besorgen. Bitte schicken, mittlere Grösse. Mit freundlichen Grüssen …»

      Der Brief kam an einem Freitag. Am Sonntag fuhren wir ins Breitmoos hinaus.

      Die beiden anderen Männer waren auch im Zimmer. Der Vater führte uns in den Aufenthaltsraum im Neubau drüben. Eine Frau kochte sich in der Ecke einen Tee; sonst war niemand da. Wir setzten uns an einen der Tische vorne bei den Fenstern. Ein grauer Tag.

      Ja, sagte er, auf unseren Rat hin habe er sich den Rücken verbinden lassen. Mit dem Verbandzeug, das sie, Sophie, ihm vor drei Wochen in der Apotheke gekauft und mitgegeben. Einige Tage hätten sie ihm die Sache verbunden. Ihn habe gedünkt, es heile allmählich. Gejuckt jedenfalls habe es weniger. Die Salbe sei wohl die richtige gewesen. Aber dann hätte einmal Frau Christen, die bisweilen zur Aushilfe hier, den Verband machen sollen: sie habe ihn nicht gemacht, sie habe sich geweigert. Da müsse ein Doktor her, habe sie gesagt, so etwas verbinde sie nicht, ohne dass es ein Doktor gesehen. Die Frau des Verwalters habe ihn darauf noch am gleichen Tag zu Lätt in die Sprechstunde gebracht.

      «Und dort hab’ ich mich auf die Liege gelegt bäuchlings, und der Lätt hat’s rausgeschnitten. Ob er den kleinen Knoten daneben auch herausschneiden solle, hat er gefragt. Nur los, raus damit, das geht grad zusammen, hab’ ich gesagt. – Und jetzt muss ich halt jeden zweiten Tag hingehen. Er will die Wunde selber verbinden, tupft sie aus und verbindet sie neu. Manchmal gibt er mir für die Leute im Heim, die krank sind, Medikamente mit. Damit er nicht extra herfahren muss.»

      Sophie fragte, was es nach Meinung des Arztes denn sei.

      Ach, der wisse das doch nicht. Zuerst habe er was von Hautkrebs gesagt. Er habe sich den Rücken angesehen und ein seltsames Gesicht gemacht. Aber dann habe er gesagt, wahrscheinlich sei die Sache

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