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eine halbe Tasse Kaffee und füllte die andere Hälfte mit Alkohol puro auf. Aber irgendwie vertrug der das.

      Fritz erfüllte ihm seinen Wunsch, doch zuvor schlenderte er durch die Stadt. Auf der Avenida Corrientis blieb er vor dem Schaufenster einer Buchhandlung stehen. Goethebuchhandlung hieß die. Er dachte an das kleine Geschäft in Hannover und an dieses hübsche Mädchen.

      Nichts wie rein in den Laden. Die Buchhandlung führte nur deutsche Bücher. Fritz erstand ein dickes Buch mit Erzählungen von Tolstoi und Dostojewski in deutscher Übersetzung und eine Bibel.

      Er hatte sich fest vorgenommen, die Bibel von Seite 1 bis zum Schluss zu lesen. Aber schon auf Seite 3 legte er sie wieder weg. Das war wohl auch kein Volltreffer – Tolstoi ebenso wenig, und Dostojewski auch nicht. Monate später holte er die Bibel wieder raus und schlug zufällig die Apostelgeschichte auf. Die fand er richtig spannend, und so las er immer wieder im Neuen Testament.

      18 Lenzen = entladen, auch: Wasser aus dem Rumpf schöpfen.

      19 Freibord = Höhe zwischen Wasserlinie und Deck bzw. der über Wasser gelegene Teil eines Schiffs, der die Reserveschwimmkraft darstellt.

      20 Bilge = Der unterste Raum des Schiffs, in dem sich das eingedrungene Wasser sammelt.

      21 Wasser nehmen = das Deck wird überspült.

       Fritz wird Leichtmatrose, eher als gedacht

      Kurz vor dem Auslaufen wurde Fritz zum Kapitän gerufen. Ihm war nicht ganz wohl. Aber er war sich auch keines Vergehens bewusst.

      Jetzt stand er vor dem stattlichen Mann. „Fritz, ab heute wirst du zum Leichtmatrosen umgemustert.“ Das war 5 Monate früher als normal. „Du bist ein toller Seemann. Ich bin stolz auf dich.“ Fritz war erst sprachlos. Dann: „Danke, Captain.“ Das war für ihn fast so etwas wie ein Ritterschlag. Na ja, erheblich mehr Heuer gab es auch.

      Weiter ging die Fahrt von Buenos Aires Richtung Venezuela. Landgang war in La Guaira für 10 Stunden möglich. Ole Hansen, ein bärenstarker Schwede, und Fritz zogen an Land in die nächste Bodega. Sie tranken jeder 6 Gläser Cola Libre. Etwas schäkern wollten sie auch. Aber da bot sich nichts Passables an. Sie wollten deshalb gehen und bezahlen.

      Die Wirtin verlangte doch tatsächlich 120 US-Dollar. Beide kannten die Preise. Mehr wie 12 „Wucher-Dollar“ wollten sie nicht zahlen. Plötzlich erschienen ein paar Kerle, und eine böse Keilerei begann. Ole haute alles weg, was ihm in die Quere kam. Fritz hielt ihm den Rücken frei. 10 Soldaten rückten an. Es gab zwischen den Uniformierten und der Wirtin ein richtiges Palaver. Das versprach Gerechtigkeit, und sie waren erleichtert. Aber weit gefehlt: Ole und Fritz wurden festgenommen und fanden sich im Gefängnis von La Guaira wieder.

      Die Zellen bestanden aus Stahlgittern. Es waren richtige Käfige, wie im Zoo. In einer Ecke gab es ein Loch im Boden für die Notdurft, sonst nichts als blanker Betonboden, keine Pritsche oder so etwas. Es stank bestialisch. Wenn man den Wärter ansprach, machte der Anstalten, mit einem Gummiknüppel durch das Gitter zu langen. Ole war ein paar Zellen weiter gelandet.

      Nach etwa 7 Stunden erschien der Kapitän, um seine Leute zu identifizieren. Dann verschwand er. Hölle, was jetzt? Nach einer halben Stunde kam er wieder, ging an Fritz wortlos vorbei, ohne ihn zu beachten, und holte Ole aus dem Loch. Dann erschien er grinsend bei Fritz. Die Zelle ging auf. Er nahm sie mit an Bord. 100 Dollar für die Beherbergung waren pro Person fällig geworden. Dazu gab es jede Menge Beulen und je ein blaues Auge. Die beiden sahen wirklich nicht gut aus.

      Endlich wieder mit voller Ladung auf See nach Philadelphia. Fritz bekam einen Tag Landgang. Diese Stadt fand er alles andere als schön. Er bestieg einen Zug nach New York, war berauscht von den Wolkenkratzern und kam dann an einem Laden vorbei, an dem auto food stand. Ein Blick durch die Tür löste das Rätsel. Es war ein Automatenrestaurant, zwei Wände mit einer Box neben der anderen. Für 30 Cent erstand er ein Sandwich.

      In einer Ecke stand ein merkwürdiges Monstrum, ein Apparat mit einem Trichter drauf, wie man es von einem Grammophon kennt. Auf einem Schild stand voice letter. Erläutert wurde: Du kannst hier 4 Minuten hineinsprechen, dann fällt eine Schallplatte mit einem Briefumschlag und einer Briefmarke aus dem Schlitz, wenn du 50 Cent in den Geldschlitz steckst. Fritz zögerte nicht. Es war die Gelegenheit, Grüße aus New York nach Hannover zu schicken: Er denke an sie. New York sei gewaltig. „Ach, und dann will ich Dir noch sagen, dass ich Dich nie mehr ärgern werde. Das geht auch deshalb nicht, weil ich immer an Dich denken muss und Dich ganz toll finde. Jetzt bye, bye. Ich muss zurück an Bord nach Philadelphia. Ich schreibe Dir noch.“ Fritz schrieb die Adresse auf den Umschlag und ergänzte das Porto nach Deutschland. Die Platte kam auch an. Es gibt sie noch immer. Sie ist ein gehüteter Schatz des Mädchens aus der kleinen Buchhandlung. Jetzt sind 62 Jahre vergangen. Sie hat die Platte auch heute noch. Gott sei Dank haben sie kein Grammophon mehr.

      Der Kapitän rief nach Fritz. Auf dem Weg über die Kuhbrücke befragte er sich aufgeregt. Er dachte darüber nach, welche Übeltat der Captain entdeckt haben könnte.

      Stattdessen: „Hey, Fritz, setz dich. Ich möchte dir ein Angebot machen. Du sollst bei mir Offiziersanwärter werden, und nach einem Jahr will ich dich auf die Seefahrtakademie Uppsala in Schweden schicken.“

      Fritz war erschrocken. Wie soll das gehen? Klein Schulabschluss, nur die 8 Pflichtschuljahre erfüllt, ein unvollkommenes Englisch, und sein Schwedisch war auch nicht perfekt. Angst beschlich ihn, dort zu versagen. Außerdem: Er hatte sich fest vorgenommen, nie wieder zur Schule zu gehen. Er wollte Bootsmann werden.

      „Danke, Captain. Mich überrascht das. Aber ich glaube, dass ich das nicht kann, weil ich nicht die notwendige Schulbildung habe.“

      „Aber Fritz, du bist ein sehr guter Seemann. Intelligent und pfiffig bist du auch. So etwas brauchen wir.“

      Himmel hilf, das hatte noch nie jemand zu ihm gesagt. In seinem ganzen Leben hatte er niemals eine solche Anerkennung und Wertschätzung erfahren.

      Nach ein paar Tagen ging er zum Kapitän. Mit feuchten Augen bedankte er sich. Er fühle sich sehr geehrt, aber er sähe sich diesem Weg nicht gewachsen.

      Eine Reise später war die Ladung für La Plata bestimmt. Mit drei Seeleuten wurde für 19: 00 Uhr ein Taxi bestellt. Es war stockdunkel. Ziel war die Stadt und da irgendein Lokal mit „Halligalli“ und roten Laternen. Die Taxe kam. Nach etwa 15 Minuten Fahrt auf der Straße der Finsternis tat es urplötzlich einen gewaltigen Schlag. Fritz hatte das Gefühl, als seien in ihm sämtliche Knochen gebrochen. Alle stöhnten. Am meisten der Taxifahrer. Was war passiert? Die Straße war auf einem Abschnitt von etwa 5 Metern Breite, 6 Metern Länge und 60 Zentimetern Tiefe nicht mehr vorhanden. Eine Baugrube hielt das Taxi mit seinen Passagieren gefangen. Es hatte keine Absperrungen gegeben, keine Warnhinweise, nichts. Eine Tür ließ sich – wenn auch sehr schwer – öffnen. Benommen standen sie nun da. Der Taxifahrer saß wüst fluchend am Rand der Grube. Die Fahrt war zu Ende. An einer Straßenecke hielt ein Bus, der in den Hafen fuhr. So wurden die drei vor einem sündigen Vergnügen bewahrt. Wenn es die Macht des Himmels war, so meinten sie, hätte der liebe Gott das vielleicht auch anders regeln können, jedenfalls nicht so schmerzhaft und nicht so katastrophal für das Taxi.

      Nach 18 Monaten musterte Fritz in der Rolandwerft in Bremerhaven von der Dagmar Salén ab und fuhr nach Bremen ins Seemannsheim, auch weil er Großmutter besuchen wollte. Sie war glücklich, dass er kam. Bis spät in der Nacht erzählte er ihr, was er erlebt hatte. „Und, Großmutter, ich hatte versprochen, niemals Schuster zu werden. Jetzt hast du einen Seemann in der Familie.“ Sie begann offensichtlich, etwas stolz zu sein.

      Im Seemannsheim, bei reichlich Bier und Korn, traf er einen Kollegen. Beide kannten einen Kapitän, den sie für ziemlich dämlich hielten. Der könne keine 3 Zahlen richtig zusammenzählen. Was der kann, könnten sie schon lange. Reichlich benebelt beschlossen sie, am Morgen zur Seefahrtakademie zu gehen, um sich zu erkundigen, was man tun müsse, um Kapitän zu werden.

      Tatsächlich machten sie sich – immer noch nicht ganz ausgenüchtert – auf den Weg. Angekommen, drehten beide in der Kanzlei ihr Mützen,

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