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allem Inventar, samt Park am 31.12.1956 in ihren Besitz über.”

      Vorsicht! Vorsicht!

      Mahnt es machtvoll im Hirn vom Dr. Rübnitz. Wie kann man so etwas annehmen, da ist doch der Wurm drin.

      “Ich bin perplex. Wo hat es so etwas je gegeben. Einerseits…?“

      “Was ist, wollen sie das Haus nicht?“

      “Doch, doch, doch! Aber sie machen mich sprachlos. Ich verstehe sie nicht. Weshalb wollen sie nach Amerika?”

      “Da fragen sie noch?”

      “Ich will ihnen mal was sagen, und was ich jetzt sage, dafür können sie mich eher heute als morgen, in ein Konzentrationslager bringen lassen. Hitler ist ein Demagoge, darüber sind wir uns beide wohl noch einig. Aber, was kein Mensch hier in Deutschland wahrhaben will, Hitler ist nicht das Genie, für das er sich hält.

      Hitler ist ein Psychopath, der Deutschland nur ins Verderben führen kann.

      Ich hoffe, es geht schnell. Aber diese Hoffnung werde ich wohl begraben müssen. Dennoch, 2 x 10 Jahre dürften wohl ausreichen.”

      Oh, oh, oh, oh! Starker Tobak!

      Woher nimmt dieser Mensch, diese Gewissheit?

      Hat Hitler nicht schon eine Menge geschafft?

      Geht es uns nicht von Tag zu Tag besser?

      Uns ja, meldet sich wieder mein “alter Ego”. Aber was ist mit den anderen? Mit ihm hier, dem Schulkameraden!

      Oh könnte ich doch auftauchen aus diesem ‘Meer des Irrtums’.

      „Lass nur Fritz, da kann der alte Goethe auch nicht helfen.”

      “Sind wir uns einig?”

      „Ja, und nochmals ja!“

      Ab jetzt denke ich nur noch an Hildegard, Andi, Marie-Luise, Kurtchen und Bienchen, was werden die für Augen machen.

      “Lesen sie und wenn sie können, leisten sie bitte ihre Unterschrift. “

      Einen dreiseitigen Vertrag schiebt mir der Landgerichtsdirektor unter die Nase. Genauso, wie wir es gerade besprochen haben, lautet der Inhalt. Meine Augen bleiben hängen an dem verhängnisvollen Satz: ‘…am 31.12.1956 in seinen Besitz über’.

      Um Himmelswillen, das möge Gott verhindern. Unsere Familie will sich doch nicht bereichern an der Not der anderen. Ich unterschreibe: Dr. Fritz Rübnitz. Mir ist nicht wohl dabei.

      Christian Wilhelm Weiß wirkt erfreut, er lächelt. Eigentlich ein hübscher Kerl, denke ich, aber da fällt mir etwas Wichtiges ein.

      “Wo ist denn ihre Frau? Die erwähnen sie im Vertrag ja gar nicht.”

      C. W. Weiß lässt sich zurück in seinen Clubsessel fallen, nachdem er noch einmal Cognac eingeschenkt hat.

      “Wissen sie, meine Frau – wir haben Gütertrennung – lässt sich hier nur noch höchst selten sehen und unser Sohn Peter kommt so gut wie nie. Er versucht seine Mutter zu managen. Sie wissen, dass ‘Fritzi Morgen’ meine Frau ist?”

      “Nein, woher denn? Die ‘Fritzi’ kennt jeder in Deutschland, aber die ist doch aus Hannover, das weiß man doch.”

      “Stimmt, aber 20 Jahre hat sie in Rottlingen gelebt. Das verrät sie nicht. Sie hasst dieses provinzielle Nest wie die Pest. Reporter dürfen Rottlingen nicht mal erwähnen.”

      “Fritzi Morgen hat gerade in letzter Zeit in vielen Filmen gespielt. Immer die Hauptrolle.

      Eine schöne Frau, die auch gut tanzen und sogar recht passabel singen kann. Ihr ‘Flieg mit mir zum roten Mond’ trällern alle! Das ist ihre Frau, die “Fritzi Morgen”? Kaum zu glauben.”

      “Ja, sie will sich scheiden lassen. Mit einem Juden verheiratet zu sein, schadet heutzutage einer UFA-Karriere. Mein Sohn Jakob will, dass wir uns offiziell trennen. Aber bitte, lassen wir das unerfreuliche Thema beiseite.“

      Wie einsam würde ich mich fühlen, wenn ich in seiner Haut steckte.

      “Wenn es ihnen recht ist, dann zeige ich ihnen jetzt das ganze Haus. Übrigens, den Übergabetermin können sie bestimmen. Von mir aus, so bald wie möglich; dann habe ich es hinter mir.”

      Dass wir in Kürze in dieser tollen Villa wohnen werden will mir nicht in den Kopf.

      Am liebsten würde ich jetzt zu Hildegard rennen und sie hierherholen. Aber ich traue mich nicht, und so stolpere ich hinter dem Herrn C. W. Weiß her, aber bin mit den Gedanken oft ganz woanders.

      Dieses große Haus, erbaut um 1850, das hat bestimmt 12 Zimmer. Das eine noch schöner als das andere.

      Und dann dieser riesige Park mit Stallungen und Kutscherhaus, alles sehr gepflegt. Ich schätze den Park auf 3.000 qm.

      “Knapp 2 Morgen”, klärt mich C. W. Weiß auf.

      Jetzt schleppt mich der Mensch auch noch durch die Kellerräume, die wegen der vorhandenen Freitreppe relativ hoch gelegen sind. Souterrain, nennt man so was, ein vollwertiges Kellergeschoß.

      Aber was ist das? An der Ecke zum Park wird eine Kellertür zugemauert. Die Mauer ist schon einen Meter hoch. Verblüfft rutscht mir die Frage heraus, was wird denn das?

      C. W. Weiß schaltet das elektrische Licht an, der Keller ist stockdunkel. Ich erkenne, dass das Fenster zum Park bereits feinsäuberlich zugemauert ist. In diesem Keller, aha, hier also, mir geht ein Licht auf. Hier wird gestapelt, was ich oben vermisst habe: die großformatigen Ölbilder und mehr. An der Wand ein kunstvoll gestickter Vorhang für einen Thoraschrein, eine Sabbatlampe aus Messing und andere Leuchter. Eine Menge übergroßer Holzkisten übereinandergestapelt, voll von Büchern und sicherlich von vielen persönlichen Dingen.

      Wir schauen uns in die Augen. Ich fühle in diesem Moment mit ihm, wir sind auf gleicher Schwingungsebene. Ich gebe mir das heilige Versprechen, dass ich alles daransetzen werde, ihm diesen Rest seiner materiellen - und ganz bestimmt auch seelischen Existenz zu erhalten.

      “Aber, wer mauert denn hier?”

      “Ich alleine.”

      “Darf ich helfen?”

      “Danke, sehr freundlich, ich habe es bald geschafft. Ich werde alles so gut verputzen, dass es nicht auffällt.”

      “Aber eines Tages, beim Niederreißen dieser Mauer, da darf ich doch dann dabei sein und helfen?“

      “Herzlich gern! Aber können sie in die Zukunft schauen?

      Wenn es ihnen recht ist, dann möchte ich morgen mit Ihnen zum Grundbuchamt gehen. Ich will, dass dieses Grundstück auf ihren Namen überschrieben wird. Ihnen will ich mal was verraten.

      Lange wird es wohl nicht mehr dauern, dann tritt ein Gesetz in Kraft, dass uns Juden endgültig zu Staatsfeinden erklärt, deren ganzes Vermögen vom Staat eingezogen wird.”

      Man kann es sich nicht vorstellen, wäre ungeheuerlich, aber so wie sich unsere neue Regierung in letzter Zeit verhält, durchaus denkbar.

       März 1936

      Den Witz, den Kurt gestern vom Stapel gelassen hat, finde ich gut. Wie war der doch gleich?

      Kurt´s stotternder, jüdischer Mitschüler hat sich beim Deutschlandfunk als Nachrichtensprecher beworben und ist abgelehnt. Auf die Frage warum, hat er stotternd geantwortet: “alles Antisemiten!”

      Endlich mal ein Witz ohne Schweinereien.

      In den Köpfen unserer Familie, machen sich neuerdings Juden breit, seit Vati, gegen unseren Willen, unbedingt in diese stinkfeine Ulmenallee ziehen will. Ich frage mich oft, was wir da zu suchen haben?

      Wir Kinder wohnen gern in der Feldstraße, gegenüber der Gärtnerei Wieser. Die steht leer, einen tolleren Spielplatz gibt es nicht. Kurt hat da einen neuen Freund gefunden. Und nun das.

      Etwas

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