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mir leid, aber von wegen ‛ bekannte Schriftsteller! ’ Da muss ich passen, ich kenne keinen dieser Namen. Und ich glaube, so geht es den meisten Deutschen.

      Weißt du, der Jazz ist offiziell auch verboten, aber hören tun wir ihn trotzdem. Ich könnte gar nicht auf Jazz verzichten. Warum das so ist? Das ist eine Musik, die mich und meine Kumpel in eine andere Welt katapultiert, die uns regelrecht elektrisiert und inspiriert“

      “Zu was denn?“

      “Na, beispielsweise zu Gedichten.“

      “Komisch, ich glaubte, du hättest grundsätzlich was gegen sie. Hast du eines deiner Gedichte auf Lager?“

      “Hätt ich schon, aber hier draußen ist mir das zu doof.“

      “Nun mach schon, sei kein Frosch. Das interessiert mich.“

      “Ach, mir ist alles zu persönlich. Ich kenn dich zu wenig“

      “Je persönlicher, desto besser. Leg schon los.“

       Natur

       Natur, wer bist du? Was bist du? Wie kann man dich erkennen?

       Bist du das Kind eines Gottes?

       Hast du was Menschliches an Dir?

       Keine Antwort?

       Gut, dann erschau ich dich jetzt mit meinen Augen:

       Da sehe ich eine Horde im hellen Licht, die nur ein Vorwärts kennt.

       Das Kraftvolle, das Starke, das nach Vollendung drängt,

       sich nur dem ewigen Wechsel der Natur beugt.

       Mitleid kennt ihr nicht. Fallendes zu stützen, käme euch nie in den Sinn,

       Ich bin zurückgefallen.

       Hatte nicht die Kraft da mitzuhalten.

       Nun steh ich, allein, verzweifelt im dichten Nebel.

       Aus Träumen werden Albträume.

       Muss meinen Weg im Dunkeln selber finden.

       Schwer wird es werden!

      “Oh, so empfindest du das? Das hört sich traurig an, nichts vom siegreichen Helden.“

      “Genauso ist es, der bin ich in der Tat.“ In seiner Ehrlichkeit und dieser Geradheit gefällt er mir, sehr sogar. „Gratulation, wenn das Gedicht von Dir ist.“

      “Von wem soll’s denn sonst sein?“

      Christa Müller fühlt sich zu diesem nachdenklichen, netten Jungen hingezogen, der so ganz anders ist als die übrigen seines Jahrgangs.

      Ihre Mädchenfreundschaft mit der lebenslustigen Anita will sie aber auf keinen Fall aufs Spiel setzen. In seinem Freund Sami erkennt sie den typischen Juden. Der Sami ist ein Windhund, verschlagen und unehrlich.

      Ein Jude verrät im Ernstfall seine Mutter. Man denke nur an Judas, dem Jünger Christi, der seinen Herrn Jesus dem obersten jüdischen Gericht ans Messer lieferte.

      (Der übernächste Tag.)

      “Na Kurt, warst du mit der Christa Müller noch lange zusammen?“

      “Nee, das Freibad schloss für uns ja um 6. Später üben doch da die Vereine, das weißt du doch“

      „Stimmt, hab gar nicht dran gedacht.

      Du Kurt, vor ein paar Tagen hast du mir was angedeutet, du hättest was von dem Menschen, den die SA zusammen geprügelt hat, vorm Jahr. Das war doch hier in der Gärtnerei. Was war denn das?“

      “Sami, so ganz richtig sehe ich da auch heute nicht durch. Ich sagte dir doch, dass der Mensch aus seinem Auto gesprungen und hierhergelaufen sei.“

      “Ja, das sagtest du. Die SA- Männer hätten ihn verprügelt, und später hättest du ihn nie wiedergesehen.“

      “Richtig, genau so war es. Das verlassene Auto, ein ganz neuer, blauer ’Lancia Aprillia’ stand am Abend noch vor der Gärtnerei, wie ich von meinem Kinderzimmer beobachten konnte.

      Es hatte angefangen zu regnen, meine Neugier wurde unerträglich, Nach langem Zögern, schnappte ich mir meine Schultasche, entleerte sie, und schlich mit ihr in der Dunkelheit zum Auto.

      Aber weshalb erzähl ich dir das überhaupt. Vielleicht kannst du nicht dichthalten?“

      “Na Kurt, nun mach aber mal einen Punkt. Was soll denn auf einmal dein Misstrauen? Habe ich dir einen Anlass dazu gegeben?“

      “Nein, entschuldige. Ich will nur ganz sicher gehen, dass es unter uns bleibt.“

      “Da kannst du Gift drauf nehmen.“

      “Außer dir weiß nämlich niemand etwas von meinem Klau. Ich musste den Lancia nicht mal aufbrechen. Die Wagentür war unverschlossen. Ich habe ’rutsch, rutsch’ das ganze Handschuhfach ausgeräumt, und dann, im Dunkeln, die hintere, lederne Sitzbank abgetastet. Dabei stieß ich, tief versteckt im Leder, auf einen Brief und auch den habe ich gestrunzt.

      Dieser blöde Brief ist es. Der gibt mir eine Menge Rätsel auf.“

      “Hast du ihn bei dir?“

      “Nein. Warte, ich hol ihn mal.“

      Sami Wieser empfindet ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit seinem neuen Kumpel gegenüber. Auch dessen Familie ist schwer in Ordnung. In der Klasse vom PvH- Gymnasium, haben ihn nicht alle mit offenen Armen aufgenommen. In Hamburg war er sich gar nicht bewusst, dass er Jude ist. Da war das überhaupt kein Thema.

      Kurt kommt angerannt, wie ein geölter Blitz. Er reicht ihm einen Din A4 Bogen. Sami betrachtet ihn.

       Lieber Genosse Eberhardt!

       Ich grüße Dich und die Walli ganz herzlich.

       Dieser Brief entspringt einer großen Sorge,

       und Du weißt, wie sehr ich Euch beide verehre.

       Unsere Partei ist nicht mehr in der Lage, unser

       Leben und das Leben unserer Angehörigen

       zu schützen, denn die Gegner werden von

       Tag zu Tag mächtiger und barbarischer.

       Sich weiterhin öffentlich für unsere Partei

       zu engagieren, heißt in heutigen Tagen

       sich um Kopf und Kragen reden.

       Eberhardt, deine mutige Rede im

       Stadtparlament war ein einziger Lichtblick,

       was m. E. viele, ebenfalls so empfunden

       haben, aber sie ließ mein Herz stocken.

       Eberhardt, halte dich in Zukunft, um des

       Himmels Willen, zurück.

       Eines späteren Tages kommt Deine große Stunde.

       Dessen bin ich mir und alle anderen Genossen,

       ganz sicher.

       Februar 1936

      Wie heißt es doch auf Plattdeutsch: “Was dem enen sien Uhl, ist dem anderen sien Nachtigall”.

      Nein, Dr. Fritz Rübnitz ist ein Mann von Prinzipien. Und selbstredend gehört dazu: Achtung vor Würde und Eigentum des Anderen.

      In

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