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heißen die mit zwei Pferden bespannten Kutschen in Wien, und lassen uns durch die Innenstadt karren. Bei dem herrlichen Sommerwetter ein Vergnügen ohne jede Drängerei, weil für uns zwei sogar vier Sitzplätze vorhanden sind.“

      „Schade“, entgegnete die Frau mit einem koketten Augenaufschlag.

      „Warum schade?“, fragte ich verblüfft.

      „Erstens“, sagte sie mit bewusst unverhohlenem Blick auf meinen beachtlichen Bizeps, „weil ich dann nicht die Nähe eines jungen, starken Mannes unmittelbar neben mir genießen darf. Zweitens, weil ich dann mangels längerer Märsche wohl keine Blasen an den Füßen bekomme, es also mit dem Auf-Händen-Tragen auch nichts werden wird.“

      Diesmal war ich es, der sein Gegenüber lange ernst und nachdenklich ansah. Liebte die Frau es schelmisch und frivol zu sein? Spielte sie mit mir? Oder war da mehr? Wollte sie ihr Strohwitwendasein mit mir versüßen? Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, kann ich es gestehen. Ich hätte nichts dagegen gehabt!

      Dafür sprach, dass sie eine recht nette, wirklich attraktive Frau war.

      Dagegen, dass ich nicht ganz, aber doch ziemlich unerfahren in derlei Dingen bin, jedenfalls in letzter Konsequenz. Bis auf die Knochen blamieren wollte ich mich sicher nicht bei einer Frau mit offensichtlicher Erfahrung und mannigfacher Vergleichsmöglichkeit!

      Dafür sprach, dass daraus angesichts ihrer baldigen Abreise nichts Ernstes werden konnte, und ich wegen ihres Alters und Familienstandes keine langfristigen Folgen zu befürchten hätte, weder in Form einer aufdringlichen, klettenhaften Anhänglichkeit mit Besitzanspruch noch in Form eines von mir produzierten Gschrappen.

      Dagegen sprach wiederum, dass es da einen Ehemann gab, den ich nicht näher kannte und dessen Reaktion und allfällige Rachegelüste ich nicht einschätzen konnte, sollte die Sache ruchbar werden.

      Dafür sprach, dass ich mangels Freundin sexuell hungrig war, sehr hungrig, sehr sehr hungrig.

      Dagegen sprach, dass ich so möglicherweise die Büchse der Pandora meiner brach liegenden Triebe öffne.

      „Was ist los, junger Mann?“,zwitscherte die Frau fröhlich, als von mir keine Antwort kam. Offenbar konnte sie doch nicht Gedanken lesen.

      „Oh, nichts“, log ich ohne rot zu werden. „Ich überlegte gerade, ob wir uns mit dem Fiaker bis in den Prater kutschieren lassen sollten. Aber selbst ich als Wiener weiß nicht, ob das möglich ist. Die Fiaker haben nämlich genau genormte Routen und Arbeitszeiten. Aber wir können ja fragen. Wenn nicht, dann fahren wir eben mit der U-Bahn-Linie U1 von der Station Stephansplatz bis in den Prater.“

      „Und was wollen wir dort?“, fragte die Frau.

      „Mit dem Riesenrad fahren. Von dort hat man aus luftiger Höhe von mehr als 60 Metern einen wunderbaren Blick auf die Stadt. Und anschließend kann man den gleich anschließenden Wurstelprater besuchen.“

      „Den was?“, fragte die Frau.

      „Den Wurstelprater. Das ist ein Vergnügungspark, der leider zunehmend sein ursprüngliches Flair verliert, ja schon weitgehend verloren hat, weil dort inzwischen die gleichen hochtechnisierten Attraktionen von Hochschaubahnen, Liften, Go-Kart-Bahnen usw. stehen, wie man sie in allen Vergnügungsparks dieser Welt findet. Auch hier in Wien gibt es nur mehr sehr wenig Lokalkolorit. Heutzutage ist fast alles globalisiert. Schade! Aber ein paar Gustostückerl, die kaum jemand kennt, kann ich Ihnen als echter Wiener natürlich schon zeigen.“

      „Gut. Dann lassen Sie uns aufbrechen. Wann werden wir zurück sein?“

      „Wann immer Sie wollen. Ich kann das einteilen. Aber länger als vier Stunden sollten wir schon allein wegen des Schuhwerks nicht weg sein.“

      „Das passt sehr gut. Mein Mann kommt ohnehin frühestens um 23 Uhr zurück. Da haben wir noch genug Zeit uns auszuruhen.“

      Was sie mit ‚ausruhen‘ genau meinte, sagte sie nicht. Ich fragte auch nicht nach, weil mir die eigentlich nebensächliche Zeitangabe, ihre Wortwahl und deren Bedeutung erst sehr viel später wieder in den Sinn kam und klar wurde.

      Kap_4 Stadtbummel

      Wir flanierten wie vorher besprochen am Ring in Richtung Oper. Aber nicht nur wir. Leider viele andere Touristen, zum Teil ganze Hundertschaften, die dicht gedrängt wie eine Schafherde irgendwelchen Flaggen, Regenschirmen oder sonstigen Standarten folgten, die ihre Leithammel oder Leitkühe, pardon, Reiseleiter oder Reiseleiterinnen, weithin sichtbar in die Höhe streckten.

      Irgendwann in dieser Drängerei hakte sich die Frau bei mir ein.

      „Darf ich?“, fragte sie, obgleich sie es ja schon getan hatte. „Ich gehe Ihnen sonst in dem Trubel wohl verloren.“

      „Natürlich“, antwortete ich höflich. „Ich will Sie nicht hier in diesem Gewühl verlieren. Und entschuldigen Sie, dass ich das nicht schon von mir aus angeboten habe, wie es sich für einen Gentleman gehört hätte.“

      Und so schwammen wir im oder gegen den Strom unzähliger Touristen, bis mir die Geduld riss und ich bei der Oper den Ring verließ, um vorbei am Hotel Sacher den Burggarten von hinten zu betreten. Nach einer kurzen Pause auf einer schattigen Parkbank erreichten wir nach Passieren einiger Tordurchgänge schließlich den Heldenplatz.

      Leider war am dortigen Standplatz kein freier Fiaker zu sehen. Offenbar waren alle im Einsatz.

      So quälten wir uns in der Menschenmenge weiter bis zum Schweizer Tor, dem Eingang zur alten Burg, wo sich die Schatzkammer befindet. Angesichts der langen Menschenschlange davor strichen wir den Besuch dieses Museums von unserer Wunschliste.

      Vor dem Michaelertor gab es freie Fiaker. Aber jetzt wollte ich keinen mehr buchen.

      Stattdessen schlenderten wir die Herrengasse bis zum berühmten Café Central, wo wir, von mir völlig unerwartet, einen Tisch bekamen. Ich beriet meine Begleiterin nach bestem Wissen – ob der vielen Kalorien und des vielen Zuckers allerdings mit schlechtem Gewissen. Schließlich wusste ich nicht, ob sie nicht schon an Altersdiabetes leidet. Aber das war ihre Sache. Schließlich entschloss sie sich voll Neugier die Sachertorte zu probieren, für die Wien berühmt ist. Dass Sahne hierzulande Schlagobers heißt, wusste meine Begleiterin selbst. Nicht aber, dass ein Einspänner eine typisch wienerische Art ist, Kaffee zu servieren.

      Ich selbst gönnte mir eine Kardinalschnitte. Als ich ihre begehrlichen Augen sah, ließ ich sie kosten. Und schließlich teilten wir unsere Mehlspeisen wie Freunde, die sich schon viele Jahre kennen. Wir waren uns ganz offensichtlich menschlich näher gekommen. Mich freute das und nährte gewisse Erwartungen, über die zu sprechen es aber wohl verfrüht ist.

      Anschließend bummelten wir über die Freyung, einem großen, etwa dreieckigen Platz, der übrigens im Mittelalter noch Wiens Mistplatz war, bis zum Graben, einem langgestreckten Platz, dessen Name von einem hier früher gelegenen Wehrgraben rührt. An seinem östlichen Ende steht der unvermeidliche Höhepunkt jedes Wienbesuchs, Wiens internationales Wahrzeichen schlechthin, ‚der Steffl‘.

      Es ist dies der Kosename der Wiener für den Dom, der dem heiligen Stephan geweiht ist. Sein rund 137 m hoher Südturm war im 15. Jhdt. Für ein halbes Jahrhundert der höchste Kirchturm der Welt. Daneben hat die Kirche drei weitere Türme: Zwei kleine, spätromanische an der Westfassade, sowie den gotischen Nordturm, der aber aus Mangel an Geld, das für Rüstungszwecke benötigt wurde, nur bis zur halben Höhe des Südturms gedieh.

      Nach einem kurzen Besuch in der Kathedrale, wo ich mangels passender Kenntnisse nicht viel erklären konnte und die Frau sich deshalb ein Informations-Heftchen für Touristen kaufte, griff ich in meine Tasche und hielt ihr eine Packung Mannerschnitten hin.

      „Hier, ein kleines Überraschungsgeschenk: Ich habe es für Sie vorsorglich als kleine Wegzehrung mitgenommen. Ich hoffe, dass diese Ihnen auch jetzt nach der ungeplanten Stärkung im Cafe Central noch mundet. Denn dass wir dort oder in irgendeinem anderen der renommierten In-Lokale, etwa beim ehemaligen K. u. K. Hofzuckerbäcker Demel, einen Platz finden würden, hatte ich nicht erwartet.“

      Meine Begleiterin

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