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zu Anfang – nicht die Mühe, Margarethe in ihrer Funktion vorzustellen. Er war vierzig Jahre im Geschäft, wie er es nannte, und beherrschte die kleinen Gemeinheiten des Alltages perfekt. »Sie kennen bestimmt geschlossene Immobilienfonds«, begann er seine Erklärung in einer Art, als wäre er Experte auf diesem Gebiet. »Das Emissionshaus Schwarz und Schock bringt solche Fonds an den Markt. Alles andere steht in dem Dossier.« Er wies auf eine dünne Mappe, die auf dem Tisch lag. »Diese Firma ist von einem englischen Hedgefonds übernommen worden. Sie wissen, was ein Hedgefonds ist?«

      Margarethe reagierte nicht auf die Provokation.

      Der Abteilungsleiter wartete kurz ab und fuhr dann fort: »Unter dem Namen Schwarz und Schock sind Bankkonten auf den Cayman-Inseln in der Karibik eröffnet worden. Sie kennen die Cayman-Inseln?« Margarethe blickte zum Fenster hinaus.

      »Wir wissen noch nicht, um welchen Hedgefonds es sich handelt …«

      Was aber selbstverständlich die wichtigste Frage wäre, dachte Margarethe.

      »… wir werden es aber bald in Erfahrung bringen«, sagte er bestimmt und ohne zu erwähnen, wie man dies zu tun gedachte. »Wir wollen, dass Sie der Sache nachgehen. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Hedgefonds Geld aus den einzelnen Anlegerfonds abziehen und in die Karibik transferieren will. Sie werden von ihrer bisherigen Tätigkeit entbunden, sodass sie die Zeit haben, sich um den Fall zu kümmern.«

      »Bitte was?« Margarethe verlor fast die Contenance, was bei ihr eigentlich nie vorkam. »Das ist überhaupt nicht mein Gebiet. Ich leite das Referat für europäisches und internationales Strafrecht. Warum kümmert sich das Wirtschaftsreferat nicht um den Fall? Warum nicht eine operative Staatsanwaltschaft? Es gibt auch eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für internationalen Anlagebetrug!«

      »Beruhigen Sie sich«, sagte der Abteilungsleiter auf eine väterliche Art, die ihm nicht zustand. »Der Fall ist politisch brisant. Mehr kann ich dazu nicht sagen«, fügte er mit spitzem Mund hinzu. »Wir wollen das direkt unter unserer Kontrolle haben. Die Briten, die Amerikaner … Sie verstehen? Sie arbeiten sich doch schnell in neue Themen ein, dafür sind Sie doch bekannt. Ihr Referat leitet bis auf Weiteres Ihr Vertreter, machen Sie sich keine Sorgen.«

      »Und was ist, wenn ich nicht weiterkomme? Wir wissen praktisch nichts. Und was heißt denn politisch brisant? Klären sie mich mal auf.« Margarethe war empört.

      »Dann machen Sie eben was anderes«, antwortete der Abteilungsleiter schmunzelnd und sah zum Staatssekretär hinüber, der das Schmunzeln nachmachte. »Über die politischen Zusammenhänge können wir Ihnen leider nichts mitteilen.« Wieder sah er zum Staatssekretär und genoss seinen Triumph. »Sie berichten natürlich weiterhin an mich«, fügte er noch hinzu.

      »Nein, das werde ich nicht tun. Ich berichte an den Staatssekretär, wenn das politisch so brisant ist. Wir brauchen schnelle Entscheidungen, nicht wahr, Herr Staatssekretär?«

      Der Angesprochene fuhr zusammen. Musste er eine Entscheidung treffen? Er war in den letzten Momenten abwesend und stimmte Margrethe daher einfach zu. »Sie haben meine ganze Unterstützung«, sagte er frohen Mutes, das Richtige zu tun.

      Damit war Margarethe den Abteilungsleiter los, was schon mal hilfreich war. »Ich berichte Ihnen jeden Freitag«, sagte sie an den Staatssekretär gewandt. »Was ist mit dem Dossier? Steht da was drin?«

      Der Abteilungsleiter ärgerte sich, dass er so schnell ausgebootet worden war. Er wollte Margarethe das Leben so schwer wie möglich zu machen. Den Staatssekretär wollte er hingegen nicht blamieren, er hatte ihn ansonsten im Griff und wollte das mit einer Diskussion um die Entscheidung, die eben getroffen worden war, jetzt nicht aufs Spiel setzen. Einen kleinen Trumpf hatte er noch, den er nun ausspielte: »Das Dossier enthält den kompletten Zusammenhang«, sagte er. Das war schlechterdings eine dreiste Lüge. »Außerdem enthält es die Kontaktdaten des Sachbearbeiters bei der Bankenaufsicht. Der wird Ihnen weiterhelfen.« Er nahm die Mappe und gab sie Margarethe.

      Sie sah flüchtig hinein. Sie enthielt ein Blatt Papier, das zur Hälfte beschrieben war, und eine Visitenkarte. »Ich werde mir das in Ruhe ansehen und gebe Ihnen morgen Bescheid, ob ich die Sache annehmen werde. In den nächsten zwei Wochen habe ich Urlaub.«

      »Nehmen sie den Urlaub, so viel Zeit muss sein.« Der Abteilungsleiter freute sich. Ihm war es sehr recht, dass Margarethe zwei Wochen in der Sache verlieren würde.

      Margarethe stand auf und verließ den Raum.

      Der Abteilungsleiter war mit sich zufrieden. Trotz allem: Der erste Schritt war getan.

      Als sie gegangen war, sagte er zum Staatssekretär: »Wir sagen den Briten jetzt, wir hätten unsere beste Frau darauf angesetzt. Das wollten die ja, als sie mich anriefen, und es stimmt auch, sie ist die Beste. Wenn sie was rausbekommt, ist das natürlich unser Erfolg. Sie ist aber auch wirklich ehrgeizig. Wir müssen uns in Acht nehmen. Vielleicht können wir aber auch von ihr profitieren. Sie wird allerdings nichts finden, da bin ich mir sicher«, winkte er ab. »Sie hat überhaupt keinen Ansatz und weiß nicht, wie sie vorgehen müsste. Das Emissionshaus kann uns im Übrigen egal sein.«

      »Wie wichtig ist den Briten denn der Fall?«, fragte der Staatssekretär, um nur etwas zu fragen.

      »Sehr wichtig. Sie wollen, dass ihre karibischen Inseln nach dem EU-Austritt ihren Status als Geldwäscheparadies behalten können. Ein Fall, dessen Spur nach Deutschland führt, gefällt ihnen nicht. Sie wollen alles unter ihrer Kontrolle behalten. Ich habe mich aber mit denen verständigt, du verstehst …«

      ***

      Wenn Margarethe ausging, was selten vorkam, tat sie das alleine. An diesem Sonntag aber folgte sie der Einladung einer früheren Kommilitonin, die ihren vierzigsten Geburtstag feierte. Dass an sie gedacht worden war, war Zufall. Sie hatte die Kommilitonin seit Jahren nicht gesehen. Da Margarethe aber noch unter derselben Adresse wohnte, die sie gleich nach ihrer Promotion in eine damals noch geführte Liste ihres Jahrgangs eingetragen hatte, bekam sie eine Einladung.

      Die Kommilitonin war überrascht, als Margarethe durch die Tür trat. Sie hatte nicht angenommen, dass Margarethe unter den Gästen sein könnte. Zu dem Fest, das von sechs Uhr abends bis zum frühen Morgen dauern sollte, wurden fast siebzig Freunde des Hauses erwartet.

      Der Grund, warum Margarethe sich überhaupt auf den Weg gemacht hatte, lag in ihrem bevorstehenden Urlaub, der bei ihr eine für ihre Verhältnisse lockere Stimmung auslöste. Sie war in diesem Jahr noch nicht ausgegangen und wollte dies nun wenigstens einmal tun. Außerdem hatte sie mit höchstens fünf anderen Gästen gerechnet, von denen sie alle kennen würde. Dieser Ansturm von Menschen überraschte sie vollkommen.

      Ihre Kommilitonin, eine Rechtsanwältin, erkannte sie zwar, musste aber nach ihrem Namen fragen, als sie sich begrüßten. Sie erinnerte sich schließlich und bat Margarethe, die einen hübschen Blumenstrauß übergab, an das Büffet zu gehen und sich nach ihrem Belieben unter die Gäste zu mischen. Die Gastgeberin wurde sofort wieder in Beschlag genommen und Margarethe stand alleine zwischen Flur und Wohnzimmer. Ständig kamen neue Gäste, die begleitet von kleinen Albernheiten und Gelächter ihre Geschenke übergaben.

      Margarethe fühlte sich angesichts des Trubels sehr unwohl. Sie nahm sich vor, wenigstens eine halbe Stunde zu bleiben, um sich dann still und leise zu verabschieden. Sie kannte praktisch niemanden.

      Als sie ins Wohnzimmer kam, aus dem eine Tür in den Garten führte, sah sie draußen einen Sandkasten. Sie ging hin und setzte sich auf den Rand. Es tat ihr gut, die unbekannte Menge hinter sich zu lassen.

      Sie sah sich um und betrachtete das Anwesen. Sie war im Garten eines stattlichen Bürgerhauses. Die Familie, bei der sie zu Gast war, nutzte den Garten offensichtlich alleine, was ein ziemlicher Luxus inmitten der Stadt war.

      Es schien kein Programm für die Feier zu geben. Man reichte Mobiltelefone, mutmaßlich mit Kinder- und Urlaubsfotos herum. Jemand gab den DJ und diese weitere Lärmquelle und die zunehmende Unruhe ließen Margarethe beschließen, aus der halben Stunde fünfzehn Minuten zu machen.

      Da trat ein Mann auf sie zu. Er trug Jeans, die an beiden Knien eingerissen waren,

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