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       Tobias Haarburger

       Margarethe

       oder

       Die Schönheit der Farbe Weiß

       Roman

      Copyright: © 2020 Tobias Haarburger Umschlag & Satz: Erik Kinting – buchlektorat.net

      Verlag und Druck:

      tredition GmbH

      Halenreie 40-44

      22359 Hamburg

      978-3-347-09908-1 (Paperback)

      978-3-347-09909-8 (Hardcover)

      978-3-347-09910-4 (e-Book)

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

       Kapitel 1

      Margarethe befand sich in guter Stimmung, was bei ihr hieß, dass sie sich einfach nur wohlfühlte. Ihre Arbeit trat ein wenig in den Hintergrund, mehr war es eigentlich nicht, denn Margarethe kannte keine Gemütsschwankungen. Sie war konzentriert und aufmerksam. Selten, eigentlich nie empfand sie Heiterkeit, war aber auch niemals melancholisch. Nur bei einem Gedanken regte sich Wehmut bei ihr. Diese Erinnerung hatte über die Jahre allerdings nachgelassen und war inzwischen fast vergessen. – Margarethe blieb einfach immer in ausgewogener Stimmung.

      An diesem Freitag, der dem Karfreitag um eine Woche vorgelagert war, fuhr sie wie gewohnt um dieselbe Zeit, es war gegen acht Uhr, aus der Tiefgarage und bog in die vierspurige Straße ein, die stadteinwärts führte.

      Seit einem halben Jahr besaß sie nun schon den dunkelgrünen Mini und sie mochte diesen kleinen eleganten Wagen. Er hatte hellbraune Sitze aus Echtleder, verchromte Außenspiegel und sein Dachhimmel war mit einem Union Jack bedruckt. Da es gelegentlich vorkam, dass sie am frühen Morgen oder am Abend auf dem Weg nach Hause angerufen wurde, hatte sie eine Freisprechanlage einbauen lassen.

      Margarethe trug wie an jedem Tag einen blauen Blazer und eine Hose in derselben Farbe sowie eine weiße Bluse und schwarze Schuhe mit einem leichten Absatz. Sie hatte außerdem die gelben Ohrringe angesteckt, die durch ihre grünen ananasförmigen Anhänger auf einen subtilen Humor hätten schließen lassen können, gleichwohl war es so, dass Margarethe diesen Humor nicht besaß. Sie trug die Ohrringe nur der Abwechslung halber, denn ihr war aufgefallen, dass sie seit Jahren ein und dieselben Perlenstecker trug. Diese kleine Veränderung ihres Aussehens war etwas Besonderes für sie und sie hatte einige Tage gebraucht, bis sie die auffälligen Ohrringe nach einigem Ringen ansteckte – sie mochte eigentlich keine Veränderungen. Große auffällige Ringe für die Hände, wie sie derzeit beliebt waren, hatte sie bisher nicht einmal zur Kenntnis genommen.

      Als sie einige Minuten gefahren war, kam ein Anruf. Es war das Vorzimmer ihres Abteilungsleiters. Er, der Herr Abteilungsleiter, den sie im Übrigen wenig schätzte, wäre auf dem Weg zum Staatssekretär und er bitte sie, so schnell wie möglich dazuzukommen. – Sie könne in zwanzig Minuten im Ministerium sein, teilte sie der Vorzimmerdame mit.

      Margarethe hatte auf einen ruhigen Tag gehofft. In der Woche vor Ostern und der Woche danach hatte sie sich freigenommen. Nach Ostern würde sie in Cambridge an einer Tagung zu Rechtsgeschichte teilnehmen, ihrer einzigen Leidenschaft. Vorher wollte sie endlich neue Möbel kaufen. Das schob sie schon seit Jahren vor sich her. – Sie lebte in einem Sammelsurium aus zumeist alten Einzelstücken, die sich seit ihren Studententagen angesammelt hatten.

      Sie fragte sich, was der Zweck der Unterredung sein könnte, und rief einen Kollegen an. Er war Referatsleiter wie sie. Eigentlich hatte sie bisher kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Eher einer Gewohnheit folgend saßen sie in der wöchentlichen Besprechung ihrer Abteilung nebeneinander. Das war alles. Für sie war er in diesem Augenblick aber so etwas wie ihre Kontaktperson im Ministerium. Sie meinte auch, sich daran erinnern zu können, dass sie einmal zusammen Kaffee getrunken hatten. Es musste vor einigen Jahren gewesen sein. Obwohl sie schon zehn Jahre als Referatsleiterin arbeitete, kannte sie die Kollegen im Ministerium höchstens aus Sitzungen oder aus dem Fahrstuhl; eine persönliche Ebene hatte sie mit niemandem aufgebaut. Sie wechselte auch nie ein privates Wort. Nach anfänglichem Raunen darüber, was mit ihr wäre, hatte man sich daran gewöhnt; sie war eben die ewige Außenseiterin, solche Menschen gab es wohl.

      Der Kollege war perplex, als Margarethe anrief. Er wusste nichts, ja, er wusste rein gar nichts, wie er beteuerte. Dann herrschte Schweigen. Schließlich beendete er hastig und geradezu erschrocken das Gespräch.

      Margarethe parkte vor dem Eingang des Ministeriums. Der Platz war keineswegs für diesen Zweck bestimmt, aber sie hatte es eilig.

      Sie ging zügig die breite Treppe mit dem Eisengeländer hoch und eilte in das Vorzimmer des Staatssekretärs. Man ließ sie sofort eintreten.

      Als sie in das Büro kam, stand der Mann höflich auf, wartete aber hinter seinem Schreibtisch, bis Margarethe auf ihn zugekommen war, um sie zu begrüßen. Er war erst seit vier Wochen in dieser Position. In der kurzen Zeit hatte er sich bereits den Ruf erworben, vollkommen ahnungslos zu sein. Man hatte ihn, einen Kommunalbeamten, auf diese wichtige Position im Ministerium berufen, die so wichtig eigentlich gar nicht war. Der Justizminister war nämlich ein alter Hase und eine Größe in der Landespolitik, der grundsätzlich alles selbst entschied. Er wollte weder einen möglichen Nachfolger noch einen Fachmann auf der anderen Seite des Flures sitzen haben. Es war im Übrigen der Wahlkreis, der dran war, eine gehobene Position zu besetzen und ein besserer, also einer, der als Kandidat überfordert war, konnte praktischerweise nicht gefunden werden.

      Der Staatssekretär war zum Zeitpunkt seiner Berufung ein übervorsichtiger Dezernent, der einen recht mittelmäßigen Abschluss in Verwaltungsrecht hatte. Er beherrschte genau zwei Dinge: Erstens eine joviale im Gestus meistens übertriebene Begrüßung vorzunehmen – eine Fähigkeit, die er sich über die Jahre bei wichtigen Persönlichkeiten abgeschaut hatte – und zweitens eine Sitzung ohne jeden Beitrag von ihm für eine gewisse Zeit zu leiten. Er war wirklich die ideale Besetzung für die Vakanz. Bis auf Weiteres hörte er geflissentlich auf seine Abteilungsleiter.

      Den Abteilungsleiter, der da nun vor dem Staatssekretär saß und durchaus nicht aufstand, als Margarethe eintrat, konnte sie nicht ausstehen, insofern hatte sie mit ihm eine Gemeinsamkeit. Margarethe hatte die Angewohnheit, perfekt vorbereitet in eine Besprechung zu gehen. Sie hatte, wie keine andere, das juristische Rüstzeug, um praktisch alle Sachfragen zu beurteilen. Außerdem war sie nicht verwoben in dem Geflecht aus Freundschaften und sonstigen, wie auch immer entstandenen Abhängigkeiten in den höheren Rängen des Ministeriums. Es gab Tage, da korrigierte sie den Abteilungsleiter bei jedem Punkt der Tagesordnung. Dafür ließ dieser Margarethe hin und wieder schwierige Fragen bearbeiten, weil er selbst ratlos war und sich so wenigstens ihrer Fähigkeiten bedienen konnte; die Schriftsätze und Stellungnahmen erhielten allerdings seinen Namen. Die ewigen Korrekturen, die er sich gleichwohl vor aller Augen bieten lassen musste, ertrug er indes nicht mehr; er wollte sie loswerden und die Gelegenheit war nun gekommen.

      Der Staatssekretär der, weil er sowieso nichts verstand, über die Mühen eines Aktenstudiums hinwegging und die Akten, wenn es sich überhaupt ergab, demonstrativ aber recht fahrig durchblätterte, folgte wiederum grundsätzlich jedem Rat gerade dieses Abteilungsleiters. Sie waren über einige umständliche Ecken verwandt, womit die Basis eines uneingeschränkten Vertrauens bestand.

      Der Staatssekretär also begrüßte Margarethe in einer für sie unverständlichen, weil überschwänglichen Art und bat

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