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fragt er naserümpfend und ich sehe ihn selbstsicher an, während ein Schmunzeln seine Lippen umspielt.

      »Die sind doch nicht viel besser als Unkraut.«

      »Ich finde, sie werden unterschätzt.«, sage ich bestimmend, während ich weiterlaufe und die Finger in den Trägern meines Rucksacks verhake. Sein Blick ruht ununterbrochen auf mir, was mich anfängt, nervös zu machen.

      »Du willst mir also weismachen, dass dir ein Strauß Unkraut besser gefallen würde als ein Strauß Rosen?«

      »Wenn du mit Unkraut einen Strauß aus Mohn oder Wildblumen meinst, dann JA. Zumal man so einen Strauß auch persönlich pflücken muss und nicht irgendwo kaufen kann. So ist die Geste am Ende noch viel mehr wert.«

      »Mmmhh.«, knurrt er nachdenklich.

      »Was ist?«

      »Ich versuche mir die ganze Zeit einen Strauß Mohnblumen vorzustellen. Es geht nicht, ohne dass es armselig aussieht.«

      Er schüttelt den Kopf. »Die verwelken doch sofort, wenn man die irgendwo abreißt.« Ich lache ihn an. »Ganz genau.«

      Und er sieht mich an, als wäre ich verrückt.

      »Genau das ist es, was sie so besonders macht. Sie sind nur dann hübsch, wenn man sie so sein lässt, wie sie sind.«

      Ich ziehe gedankenverloren die Schultern nach oben.

      »Man kann sie nicht besitzen. Genau wie alle Dinge und Momente, die es wert sind.«

      Kurz darauf blicke ich zu ihm auf und lächle.

      »Kleine Wunder eben.«

      Er sieht mich auf eine Weise an, auf die er mich bisher noch nie angesehen hat, als jemand nach ihm ruft.

      Mir ist gar nicht aufgefallen, dass wir schon fast vor dem Haupteingang des Krankenhauses stehen.

      Eine wütend aussehende Frau kommt auf uns zu. Sie ist im mittleren Alter und trägt einen Schwesternkittel.

      Vince sieht mich unsicher an und dann wendet er sich zu ihr, bevor er die Hände hebt. »Schon gut, ich komme ja.«, sagt er höhnisch.

      »In welcher Zeitzone lebst du denn?« Sie deutet auf ihre Uhr, bevor sie mit dem Daumen über ihre Schulter zeigt.

      »Mach dich jetzt sofort in die Spur.«

      Doch Vince schenkt ihr ein zuckersüßes Lächeln, was wahrscheinlich jede Frau entwaffnen würde.

      »Autorität.«, dann pfeift er anerkennend, »find ich scharf.«

      Bei dem Wort ›scharf‹ zieht er bewundernd die Augenbrauen hoch und ihr wütender Gesichtsausdruck verflüchtigt sich.

       Wie macht er das nur?

      »Du hast fünf Minuten.« Dann dreht sie sich um.

      »Ja, Schatzi!«, ruft er ihr lachend hinterher, doch sie sieht nur flüchtig über ihre Schulter. »Tick, Tack.«

      »Wer war das?«, frage ich, aber er sieht ihr nur schweigend hinterher.

      Sein Lächeln ist weg und er wirkt nachdenklich.

      »Das erzähle ich dir morgen.«

      Dann geht er einfach.

      »Wie morgen?«, rufe ich und er dreht sich noch mal rum, läuft jedoch rückwärts weiter, währender mir ein Lächeln der Extraklasse schenkt.

      »Man sieht sich …Emmi.«

      Wie von selbst breitet sich ein Lächeln in meinem Gesicht aus und er dreht sich wieder um, bevor er zum Haupteingang des Krankenhauses verschwindet.

       Kapitel 10

      Wie jeden Morgen liege ich wach und starre an die Decke, allerdings ist heute Morgen etwas anders und ich weiß nicht, ob es mir gefällt.

      Ich freue mich auf den Tag und das nur seinetwegen. Genau das macht mir Angst. Was, wenn er das nur gesagt hat, um meiner Frage auszuweichen? Was will er überhaupt machen und wann?

      Wir haben gar keine Details geklärt. Wie will er mich eigentlich erreichen? Er hat ja noch nicht mal meine Telefonnummer.

      So langsam dämmert es mir, wie abwegig das alles ist und was für eine Idiotin ich bin. Das Glücksgefühl verfliegt auf der Stelle und ich falle ohne Bande zurück in den Schatten, der mein Leben bestimmt, als plötzlich mein Handy vibriert.

      Eine Nachricht von einer unbekannten Nummer.

      Mein Herz hört buchstäblich auf zu schlagen.

      ›Wann hast du heute Feierabend?

      - das wirklich gutaussehende Ungeheuer

      Ich würde am liebsten klatschend auf meinem Bett auf und ab hüpfen.

      Krieg dich wieder ein! Nach fünfminütigem Dauergrinsen und vergeblicher Mühe mich abzulenken, überlege ich, was ich antworte.

      Seit meiner Diagnose bin ich hauptberuflich krank, aber ich mache ein Studium und besuche Onlineseminare in Literaturwissenschaften an der JWU. Doch davon weiß abgesehen von meiner Mom niemand, also umgehe ich die Frage.

       ›Ich habe ab 16 Uhr Zeit.‹

      - die sture Zicke

      Eigentlich hätte ich sofort Zeit, aber das würde nur zu Fragen führen, für die ich nicht bereit bin.

       ›Dann bin ich 16 Uhr bei dir.‹

      - der Typ, den du gern nackt sehn würdest.

      Ich versuche es angestrengt, aber ich kann ein Grinsen nicht verhindern. Selbstverliebter Idiot. Moment …bei mir?

      ›Du weißt, wo ich wohne?

      Seine Antwort lässt nicht lange auf sich warten.

       ›Natürlich.‹

      Woher weiß er, wo ich wohne? Ich überlege kurz, ob ich ihn danach frage, aber er würde es mir sowieso nicht erzählen, also nehme ich es einfach hin.

      Als ich unter der Dusche stehe, überkommt mich die Panik, gefolgt von einer Schar aus Schmetterlingen, die in meinem Bauch rumwirbeln und die ich einfach nicht ignorieren kann.

      Genauso wenig wie die Neugier, die in mir aufsteigt und das Gefühl, mich seit langem auf etwas zu freuen.

      Es sind Wellen an Emotionen, die wieder und wieder über mir hereinbrechen und nach der Zeit, in der ich praktisch innerlich tot war, ist es überwältigend.

      Nachdem ich zehn Minuten unentschlossen vor dem Kleiderschrank stehe, entscheide ich mich schließlich für ein schwarzes Maxikleid, das mit winzigen roten und gelben Blumen übersät ist.

      Es hat einen sehr tiefen V-Ausschnitt, bei dem man definitiv den kompletten BH sehen würde, den man bei diesem Kleid durch die eingearbeiteten Cups aber nicht braucht. Er ist mit einer schwarzen Häkelbordüre betont und hat am Bein einen langen Schlitz.

      Für einen Moment überlege ich, ob es zu gewagt ist, aber es ist ein bodenlanges Kleid, was eigentlich gar nichts zeigt, ich sollte wirklich aufhören, so prüde zu sein.

      Ich drehe mir die Haare ein und lege ein Make-up auf, das die Augen betont, wodurch das hellblau meiner Augen wirklich gut zur Geltung kommt. Es sieht gut aus.

      Ich sehe gut aus, stelle ich fest, als ich vor dem Spiegel stehe und sich ein Lachen auf meinem Gesicht ausbreitet, das meine Grübchen zum Vorschein bringt. Ich habe sie seit Ewigkeiten nicht mehr im Spiegel gesehen und fühle mich seit so langer Zeit wieder wie ich selbst.

      Es ist dreiviertel vier und mir wird schlecht. Für einen kurzen Moment überlege ich, das Ganze doch noch abzublasen, aber als ich aus dem Fenster sehe, sehe ich einen schwarzen Audi vorfahren.

      

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