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die Ungeheuerlichkeit traf mich mit der Wucht des Vorschlaghammers, als ich am Frühstückstisch die Lokalseite aufschlug.

      Was war das…?

      Die Überschrift über ein Ereignis nach der gestrigen Ratssitzung sprang mir ins Auge.

      WUT UND EMPÖRUNG NACH DER ATTACKE, so lautete die Überschrift.

      „Was hat das zu bedeuten?“ Das war meine Reaktion, denn ich war baff.

      „Diverse Wahlplakate der SPD sollen wir Grüne beschmiert haben“, erläuterte ich das Gelesene. „Glaubst du das? In einer Presseerklärung wirft uns der SPD-Sprecher Grießmann faschistische Methoden vor und ich, Georg Blume, wäre gar kriminell.“

      „Das glaubt er doch selbst nicht.“

      „Hör zu, Karla. Er fordert mich auf, dass ich mich für die Vorfälle im Rat entschuldigen müsse. Außerdem wäre es angebracht, mich von der Plakataktion zu distanzieren. Was soll der Scheiß?“

      Mir war der Appetit gründlich vergangen, deshalb hatte ich wie ein Papagei gekreischt: „Was nimmt sich das Ekelpaket raus? Nein, mein Freund, das wird nichts. Ich reagiere auf deine Frechheit. Eine Klarstellung muss raus, und das möglichst schnell.“

      Mit dem Wortlaut erklärte ich Karla die gebotene Dringlichkeit, denn nach dem ersten Schlückchen Kaffee stand ich auf, dann besprach ich am Telefon die notwendigen Schritte mit der grünen Fraktion, dabei formulierte ich in einer Gegendarstellung, dass ich Bauer zwar mit der Krücke bedroht hätte, ihn jedoch keinesfalls berührt habe. Allein auf meine Drohgebärden täten die ungerechtfertigten Anschuldigungen beruhen.

      Diesen Wortlaut hatte mir die Fraktion abgesegnet, dann hatte ich die Erklärung an den Chefredakteur der Lokalpresse weitergegeben.

      „Korrigieren sie ihren Fehler in der Berichterstattung“, hatte ich ihn aufgefordert und das Gespräch beendet. Danach hatte ich erleichtert durchgeschnauft: „Okay, das ist erledigt.“

      Prompt erregte mich der unsinnige Angriff des Abgeordneten. „Grießmann ist ein Arschloch“, beschrieb ich den Wichtigtuer. „Als Kinder hatten wir im Sandkasten gespielt, schon da kehrte er den Arztsohn fast abartig heraus. Diesen Minderwertigkeitskomplex konnte er nicht übertünchen. Daher wunderte es mich umso mehr, wie schnell er in seiner Partei ans Ruder kam? In ihr steht sein Name für Fleiß und Beharrlichkeit. Dennoch ist er ein Egoist, weshalb man ihm besser aus dem Weg geht.“

      „Jetzt reicht es mir“, antwortete Karla und rollte mit den Augen, worauf ich ergänzte: „Schon gut. Ich langweile dich.“

      „Ja, das tust du. Ich will nichts mehr über den Kerl hören.“

      „Na gut. Ich mache es kurz“, vervollständigte ich meine Erklärung, „denn es stellt sich die berechtigte Frage, woher sich der Wichtigtuer das Recht nimmt, uns Grüne in die faschistoide Ecke zu schieben? Das ist plumpes Wahlkampfgetöse und passt zu ihm. Er hält es für einen genialen Schachzug.“

      Das war ausführlich genug. Ich dachte insgeheim: Die Runde hat Grießmann verloren. Zwar nicht durch einen k.o. Sieg, aber den durfte ich auch nicht erwarten, schon gar nicht in der ersten Runde.

      Kaum war mein Kopf freigepustet, da fing mich mein Fluchtinstinkt an zu peinigen, obwohl der dicke Batzen Haushaltsrede anstand. Die gehörte in ein Textgewand gekleidet. Nach der Rede würde ich den Stress in die Schublade packen, erst dann war das Werk für das Jahr 1986 vollbracht.

      Die Angriffe auf meine Person schaukelten sich auf den Gipfel der Gemeinheit hoch. Die Gerüchteküche um die Auseinandersetzung im Rat kochte.

      Das ahnte ich selbstverständlich nicht, als ich mich auf den Weg zum Bäcker machte, um frische Brötchen einzukaufen.

      Und wieder zurück im Treppenhaus, lag die abonnierte Tageszeitung parat. Die hob ich auf, doch schon beim Blick auf die Vorderseite erstarrte ich.

      „Zum Teufel mit der Sensationspresse“, protestierte mein Gerechtigkeitssinn.

      Ich stürmte ungeschickt die Stufen hinauf, wegen der Krücken, und in Karlas Reich eingetreten, schimpfte ich kolossal: „Du kannst den Unfug lesen, den der Schmierfink Reuter geschrieben hat. Für den ist es amtlich, dass ich zugeschlagen habe. Und schau, ein Foto von mir auf der Titelseite.“

      Danach gönnte ich mir eine Beruhigungsphase, dann rasselte ich den Text unter der Abbildung runter: „Das Bild zeigt Georg Blume, den Fraktionschef der Grünen im Rat“, las ich Karla vor.

      Schließlich ergänzte ich: „Blume ist gegen den CDU Ratsherren Günther Bauer handgreiflich geworden. Der Leidtragende war außerdem Manager des Fußballclubs Alemannia Aachen.“

      Und weitere Textzeilen verdaut, schimpfte ich auf den Verfasser: „Reuter hat nicht alle Tassen im Schrank. Wie sonst kann er mich verurteilen und an den Pranger stellen?“

      Wutentbrannt stapfte ich mit Karla die wenigen Stufen in meine Mansarde hinauf. Wir wohnten in übereinanderliegenden Wohnungen. Dort goss ich uns Kaffee ein. Den hatte ich bereits vor dem Gang zum Bäcker aufgesetzt.

      Beim Kaffeetrinken las ich den Zeitungsbericht auf der Kommunalseite zum Tathergang vor: Nach Auskunft zuverlässiger Quellen hat Herr Blume den Streit angezettelt, stand darin. Er hat seinen Standpunkt mit seiner Krücke schlagkräftig untermauert. Damit schadet er der Debatte um die Frauengleichstellung.

      Um Gotteswillen!“

      Karla klang, als würde sie gleich hyperventilieren. „Der Schreiberling hat vor, dich fertig zu machen, anders kann ich den Artikel nicht deuten“, meckerte sie, denn sie verstand die Welt nicht mehr.

      Dann ergänzte sie ihren Angriff auf die Presse: „Unter keinen Umständen darfst du den Mist unwidersprochen hinnehmen.“

      Ich hörte auf Karla, denn ich rief, in der von der Zeitungsnotiz herauf beschworenen Untergangsstimmung, bei Chefredakteur Reuter in seiner Lokalredaktion an. Und der meldete sich teilnahmslos: „Ja, hier Reuter. Was gibt’s, Herr Blume?“

      „Das wissen Sie genauso gut wie ich“, fluchte ich wie ein Scheunendrescher durch die Leitung. „Spucken Sie aus, warum Sie sich an den Spekulationen gegen mich beteiligen. Ich hatte ihre Neutralität erwartet, doch dank ihrer Mithilfe arten die Verleumdungen zur Hetzkampagne gegen mich aus.“

      Erst nachdem ich mich entladen hatte, wurde meine Tonlage vertretbarer. „Außerdem ist nichts von Ihrem Geschmiere wahr“, setzte ich meine Angriffe fort. „Es ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde, denn die Auseinandersetzung war harmlos. Noch dazu haben Sie das grimmigste Foto von mir aufgestöbert. Auf dem ähnele ich einem Meuchelmörder.“

      „Na, na, Herr Blume“, räusperte sich Reuter, um sich danach jovial zu geben: „Wenn’s so harmlos war, dann verstehe Ihre Aufregung nicht. Sie haben nichts zu befürchten, war’s so, wie Sie behaupten.“

      „Behaupten? Pah, das klingt geradezu abfällig aus Ihrem Mund“, motzte ich. Dann brüllte ich in die Sprechmuschel: „Es war so, Herr Reuter! Ach was, Sie können mich mal.“

      Ich beendete das Gespräch und donnerte das Gerät auf die Konsole. Durch Reuters Ignoranz war ich zurecht verbiestert, weshalb ich mich Karla mit vor Zorn gerötetem Gesicht zuwandte: „Den Schmierfinken zu beschimpfen ist zwecklos. Er ist nicht besser als andere Presseheinis. Wenigstens wurde die Gegendarstellung in vollem Wortlaut abgedruckt.“

      Da erst hatte mich mein, zwar mit einem Fragezeichen, aber dick umrandetes Machwerk versöhnlich gestimmt.

      Während ich noch mehrere Sekunden am altertümlichen Schrank mit dem Telefonapparat lehnte, klingelte das abermals und eine vertraute Stimme begrüßte mich. Es war meine von mir getrennt lebende Frau.

      „Hey, Georg“, sagte sie.

      Und ich grüßte ebenfalls: „Hey, Andrea.“

      Danach fragte sie mich, und das ängstlich: „Wie

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