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      Der britische Philosoph Alain de Botton schlägt deshalb vor, dass wir mit den Menschen, die nicht mit uns übereinstimmen, ein gemeinsames Abendessen veranstalten: „Sich mit einer Gruppe von Fremden an einen Tisch zu setzen, hat den unvergleichlichen und seltsamen Vorteil, dass es schwieriger wird, sie ungestraft zu hassen. Vorurteile und ethnische Streitigkeiten nähren sich aus der Abstraktion.

      Doch die Nähe, die ein gemeinsames Essen erfordert - beispielsweise das zeitgleiche Hinsetzen, das Herumreichen von Getränken oder die Aufforderung an einen Fremden, das Salz zu reichen - stört die Fähigkeit, uns an den Glauben zu klammern, dass die Außenseiter, die ungewöhnliche Kleidung tragen und mit markanten Akzenten sprechen, es verdienen, nach Hause geschickt oder angegriffen zu werden.

      Bei all den groß angelegten politischen Lösungen, die zur Lösung ethnischer Konflikte vorgeschlagen wurden, gibt es nur wenige wirksamere Wege, die Toleranz zwischen verdächtigen Nachbarn zu fördern, als sie zu zwingen, gemeinsam zu Abend zu essen.“ [11]

      Bereits US-Präsident Abraham Lincoln hat dies so gehandhabt, wie sein folgendes Zitat schön aufzeigt: «Ich mag diesen Mann nicht. Ich muss ihn besser kennen lernen.»

      Wenn es darum geht, die Meinung der Menschen zu ändern, ist es sehr schwierig, von einer extremen Überzeugung zur einem anderen Extrem zu springen. Man kann seine Meinung nicht zu stark auf einmal ändern, da sich dies bedrohlich anfühlt. Ein guter Ort, um über eine bedrohliche Idee nachzudenken, ist eine nicht bedrohliche Umgebung. Deshalb sind Bücher oft ein besseres Vehikel für die Veränderung von Überzeugungen und Meinungen als Gespräche oder Debatten.

      «Das Beste, was einer guten Idee passieren kann, ist, dass sie durch möglichst viele Menschen geteilt wird.»

      Im Gespräch muss man seinen Status und sein Erscheinungsbild sorgfältig miteinander abwägen. Man will sein Gesicht wahren und nicht dumm aussehen. Wenn man mit unbequemen Tatsachen konfrontiert wird, neigt man oft dazu, seine aktuelle Position zu verstärken, anstatt öffentlich zuzugeben, dass man sich irrt.

      Ein Buch - wie das vorliegende - hingegen löst diese Spannung auf, da der Dialog im Kopf des Betroffenen stattfindet, ohne dass die Gefahr besteht, von anderen sofort beurteilt zu werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die grundlegende Erkenntnis, dass falsche Überzeugungen leider weiterhin bestehen bleiben, da Menschen weiterhin über diese sprechen.

      Deshalb verbringt man seine Zeit besser damit, für gute Ideen einzutreten, als falsche Überzeugungen zu bekämpfen und fortwährend zu erklären, warum schlechte Ideen schlecht sind.

      «Das Beste, was einer schlechten Idee passieren kann, ist, dass sie von vielen Menschen vergessen wird.»

      In der gerade andauernden und sicher noch viele weitere Wochen fortwährenden, durch die Weltkrise verursachten Ruhe bietet sich eine ausgezeichnete Gelegenheit, genauer über diese Gedanken nachzusinnen.

      In der sonst alltäglichen Hektik vergisst man leider allzu leicht, dass das eigentliche Ziel darin besteht, sich mit der jeweils anderen Seite zu verbinden, mit Menschen zusammenzuarbeiten, sich mit Menschen anzufreunden und diese in die eigene Gruppe zu integrieren.

       2.2 Meinungsblasen und objektive Informationen

      An die meisten ihrer Überzeugungen sind die Menschen nicht durch ihre eigene direkte Wahrnehmung gelangt, sondern sie glauben daran, weil es ihnen von - wirklichen und falschen - Experten, dem Internet und den Medien, Kollegen und Freunden oder ihren Verwandten so mitgeteilt wurde.

      «Objektive Informationen sind schlicht nicht möglich, da unsere Informationen immer aus dem selbst gewählten Umfeld stammen.»

      Was genau und woran die Menschen glauben, hängt also im Wesentlichen davon ab, von wem diese ihre Informationen beziehen und wie glaubwürdig diese Personen in ihren Augen sind. Menschen lesen unterschiedliche Zeitungen, hören unterschiedliche Radiosender, informieren sich über unterschiedliche soziale Medien und haben unterschiedliche Freunde. Aus diesem Blickwinkel sind „objektive Informationen“ schlichtweg nicht möglich, da diese immer einen direkten Bezug zum eigenen, selbst geschaffenen Umfeld und Weltbild haben.

      Jedoch will in vielen Fällen ein Mensch überhaupt nicht mit Informationen konfrontiert werden, die seinen bereits bestehenden Meinungen widersprechen. Wird man dennoch damit konfrontiert, nehmen sie diese anderen Meinungen oder Informationen meistens nicht wahr oder finden zahllose Gründe, diese abzulehnen.

      Grundsätzlich bereitet es Menschen ein unangenehmes Gefühl, sich mit Positionen zu beschäftigen, die nicht die eigenen sind und spricht dabei vom sogenannten Bestätigungsfehler aka Confirmation Bias. Menschen vermeiden kognitive Dissonanz, indem sie selektiv wahrnehmen, was sie wahrnehmen wollen.

      Deswegen verkehren Menschen üblicherweise wenig mit Menschen, die sie nicht mögen und andere politische Meinungen vertreten als sie selbst. Ein Mensch wählt seine Freunde, seinen Stammtisch und sein Umfeld im Allgemeinen nach dem Kriterium der Ähnlichkeit aus und findet diejenigen sympathisch, die Gemeinsamkeiten - Meinungen, Interessen, aber auch reine Äußerlichkeiten - mit ihm teilen.

      Zudem liest ein Mensch jene Zeitungen, die eher seiner politischen Ausrichtung entsprechen und abonniert Newsletter von ihm nahestehenden Organisationen.

      Manche Menschen hingegen glauben lieber an Verschwörungstheorien anstelle von Fakten, weil ihnen dies eine Illusion von Kontrolle über die Welt gibt - an Verschwörungen kann man schließlich etwas ändern. Verschwörungstheorien sind nicht notwendigerweise immer falsch oder eine Lüge, und ungleich schwerer zu widerlegen, da sie lediglich die Vermutung sind, dass sich bestimmte Menschen zu einem Thema miteinander verschworen haben.

      Es sind meist dieselben Typen von Menschen, welche an Verschwörungstheorien glauben - ihnen bedeutet es viel, einzigartig zu sein und dient zudem einem egozentrischen Schutzverhalten.

      «Menschen erschaffen ihre Meinungsblasen eigenhändig und sind somit selber schuld an der Filterung.»

      Wenn ein Mensch stets nur mit der eigenen Meinung konfrontiert wird und nie die Gegenseite dargestellt bekommt, immer nur bestätigt wird und die kontroverse Diskussion eines Themas versäumt oder ignoriert, dann lebt dieser in einer Meinungsblase.

      Dies passiert beispielsweise, wenn man ausschließlich in Freundesgruppen mit ähnlichen Interessen verkehrt und immer die gleichen Informationsquellen (Internet, soziale Medien, Tageszeitungen) konsultiert.

      Der amerikanische Internet- und Politik-Aktivist Eli Pariser hat im Jahr 2011 in seinem gleichnamigen Buch erstmals den Begriff „Filter Bubble“ aka Filterblase für die Medienwissenschaft verwendet, um auf die theoretischen Gefahren der Filter-Algorithmen von Suchmaschinen oder Feeds in sozialen Netzwerken hinzuweisen. Ihm war aufgefallen, dass er auf Facebook immer weniger Kommentare von seinen Kontakten, die eher konservativ orientiert waren, sah und verdächtigte bald den Facebook-eigenen Algorithmus. Laut Pariser entstehe die Filterblase, weil Webseiten und soziale Medien versuchen, mit Algorithmen und oft mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz vorherzusagen, welche Informationen man auffinden möchte.

      Dies basiert primär auf den verfügbaren Informationen über den Benutzer (wie Standort, Suchhistorie und das Klick-Verhalten), persönlichen Daten und Cookies (nein, das hat gar nichts mit Keksen zu tun :) sowie dem Vergleich von Interessen mit anderen Benutzern. Daraus resultiert eine - durch Maschinen automatisierte - Isolation gegenüber Informationen, die nicht der Meinung des Individuums entsprechen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass die isolierende Wirkung von Filterblasen derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen ist und allgemein als nicht belegbar gilt.

      Im Wesentlichen wollte er mit seinem Buch darauf aufmerksam machen, dass diese Algorithmen irgendwann vielleicht nur noch die eigene Sichtweise des Nutzers zulassen würden und alle anderen Informationen entsprechend automatisch ausgefiltert würden [12].

      Und dies scheint durchaus zuzutreffen: In den sozialen Medien haben die Menschen über die letzten Jahre aufwändig mit „Like“ und „Follow“ von Themen, Personen und Meinungen ihr eigenes, meist faktenresistentes Weltbild aufgebaut.

      Wobei

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