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denkt man über ihn durch Analogie nach.Deshalb muss man mit Ideen vorsichtig sein, die man von jemanden einfach so übernimmt. Alte Konventionen und frühere Formen werden oft ohne Nachfrage akzeptiert, und wenn sie einmal akzeptiert sind, setzen sie der Kreativität oft eine Grenze.

      Dieser Unterschied ist einer der Hauptunterschiede zwischen dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess aka KVP [32] und dem zuvor beschriebenen Grundbegriffe-Ansatz. Kontinuierliche Verbesserungen finden in der Regel innerhalb der ursprünglich gesetzten Grenzen statt. Im Unterschied dazu erfordert das Grundbegriffe-Denken, dass man die eigene Loyalität zu früheren Formen oder Verfahren aufgibt und die Funktionsweise in den Vordergrund stellt. Es gilt, die beiden Fragen zu beantworten: „Was versucht man zu erreichen?“ und „Was ist das funktionelle Ergebnis, welches man erreichen will?“

      «Grundsätzlich tendiert man dazu, die Funktion zu optimieren und die Form zu ignorieren.»

      Interessanterweise ist der beste Weg, um innovative Ideen zu entwickeln, die Reduktion der Dinge auf das Wesentliche - und zudem ist das Verständnis der Grundbegriffe seines Fachgebiets ein wichtiger Faktor. Ohne ein solides Verständnis der Grundlagen besteht kaum eine Chance, die Details zu beherrschen, die im Wettbewerb den oft entscheidenden Unterschied ausmachen. Jede Innovation - auch die bahnbrechendsten - erfordert meist eine lange Zeit für Anpassungen und Verbesserungen. Die vorher erwähnte Firma SpaceX führte viele Simulationen durch, nahm Tausende von Anpassungen vor und benötigte mehrere Versuche, bevor sie herausfand, wie man eine erschwingliche und wiederverwendbare Rakete bauen kann. Im Juni 2020 konnte schließlich nach neun Jahren das US-gefertigtes Raumschiff „Crew Dragon“ der Firma SpaceX von Cape Canaveral abheben und erfolgreich an die ISS andocken.

      Das Grundbegriffe-Denken bringt einen auf ganz andere, originelle Lösungen und man lernt dabei, selbstständig zu denken. Es ersetzt nicht die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung, ändert jedoch die Richtung der Verbesserung bzw. Anpassung. Wenn man nicht anhand der Grundbegriffe argumentiert, nimmt man kleine Verbesserungen an einem Fahrrad statt an einem Schneemobil vor.

       3. Ein zweckmässiger Überblick

      In Gedanken rezitiere ich unmittelbar nach dem Aufwachen mit „Neuer Tag, neues Glück“ einen mir gut bekannten, alten Spruch und rolle mich schwerfällig aus dem Bett, wobei ich gleichzeitig meine sich sehr müde anfühlenden Knochen ausstrecke. Dabei knarzt und kracht es geräuschvoll in den Gelenken, während ich einen Blick aus dem nahen Fenster auf die schöne, ferne Alpenlandschaft werfe, die ganz langsam von der Sonne in ein leuchtendes Bordeaux-Rot gehüllt wird. Wenn schon nicht ein Versuch zur Überwindung der meist quälenden Gedanken über die weiterhin vorherrschende und die Nachrichten dominierende Krise, dann ist zumindest dieser bilderbuchhafte Frühlingsanfang ein schöner Anlass, um Altes hinter sich zu lassen.

      Ich stampfe mit langsamen Schritten die vierzehn Stufen der Holztreppe zur Küche hoch und setze die Kaffeemaschine auf - immer die gleiche Routine, Wasser nachfüllen, Maschine einschalten und das grüne, blinkende Licht abwarten, dann eine Kapsel einwerfen und die heisse, braune Brühe in die weisse Tasse einlaufen lassen. Dabei betrachte ich konzentriert die sich langsam füllende Tasse, aber meine Gedanken schweifen auf bereits länger zurückliegende Ergebnisse ab.

      Besonders gut besinne ich mich an das Jahr 2000 zurück und die damals stark vertretene Befürchtung, dass die Welt beim Jahrtausendwechsel aufgrund einer nicht vollständig durchdachten Speicherung der Datumsformate auf Computern ein vollständiges Chaos erleben würde. Ein griffiges Akronym dafür war schnell gefunden: Y2K aka „Year 2 Kilo aka „Year 2000“ und bald darauf in aller Munde. Fieberhaft wurde von zahlreichen Experten und Beratern dieses Problem analysiert und mit enormen Anstrengungen durch Techniker und Software-Ingenieure erfolgreich behoben. Der angekündigte Weltuntergang aufgrund falsch funktionierender IT-Systeme ist glücklicherweise vollständig ausgeblieben, aber die Angst der Menschen und Unternehmen vor einem ähnlichen Szenario ist stark ausgeprägt.

      «Die Geschichte der Kommunikation ist sehr alt und die dabei genutzten Medien haben sich regelmässig an die neu verfügbaren Technologien angepasst.»

      In der beständigen Evolution der Gesellschaft haben sich über einen sehr langen Zeitraum hinweg vier grundlegenden Verbreitungsarten oder Medien für die Kommunikation zwischen Menschen und die Verbreitung von Wissen entwickelt. Obschon durch Sprachforscher nicht zweifelsfrei belegbar, war vermutlich erst der moderne Mensch (Homo sapiens) dazu fähig, zu sprechen. Die Produktion und Arbeit mit Steinwerkzeugen sowie die Weitergabe dieses Wissens erfordert kommunikative Austauschformen, die ohne Sprache undenkbar sind.

      Diese Fähigkeit wurde schrittweise über einen langen Zeitraum erworben und verschaffte dem Homo sapiens und seinen Nachfolgern einen markanten evolutionären Vorteil - die Hände konnte man für andere Zwecke nutzen, da man sich nicht mehr mit Gesten verständigen musste. Die Sprache wurde über die Jahrtausende immer weiterentwickelt und die benutzten Begriffe mehr und mehr ausgebaut sowie kreativ miteinander kombiniert.

      Die geschichtliche Verbreitung von Wissen

      Gemäss heutigem Stand der Forschung kommen die Ursprünge der Schrift aus Ägypten, Mesopotamien und China. Sie wurde primär erfunden, um den Besitzstand zu organisieren und zu wahren; also Buch zu führen und Notizen zu verfassen, die als Gedächtnisstütze dienen. Wer in Mesopotamien oder Ägypten schreiben konnte, war privilegiert, hatte ein hohes Ansehen und verfügte über ein gutes Einkommen.

      «Mit verbaler Kommunikation und der mündlichen Überlieferung von Wissen konnte der Mensch erstmals seine Welt strukturieren und beschreiben.»

      Mit der Erfindung des Alphabets im Jahr 1500 vor Christus und dessen Verbreitung durch die seefahrenden Phönizier wurde ein neues System eingeführt, bei dem die Laute in einzelne Buchstaben verschriftlicht wurden und durch deren Kombination die vollständige Fülle des sprachlichen Wortschatzes wiedergegeben werden konnte. Buchstaben, Zahlen und im speziellen das Binärsystem bilden eine sehr wichtige Basis für die danach erfolgte Entwicklung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien [21].

      «Der Buchdruck markiert den Beginn der globalen Vernetzung und der immer rascheren Verbreitung von Wissen.»

      Die Anfänge des Buchdrucks sind in Babylon und Rom zu finden, wo die Bücher zuerst im Blockdruckverfahren aus geschnittenem Holz seitenweise erzeugt wurden. Der uns bekannte Buchdruck mit beweglichen Lettern war eine der herausragenden Erfindungen des Mittelalters durch Johann Gutenberg unter Anwendung des Grundbegriffe-Ansatzes und hat bis heute die Kommunikationstechnologie mit allen seinen wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen ausgesprochen stark geprägt.

      Mit der Erfindung des Buchdrucks haben sich Bücher in wenigen Jahrzehnten in ganz Europa und in den Jahrhunderten danach über die ganze Welt ausgebreitet, was zeitgleich den Beginn der globalen Vernetzung und immer schneller fortschreitenden Verbreitung von Wissen markiert.

      Kurz nach der Entwicklung der ersten kommerziell nutzbaren Computer haben die Computerhersteller ab 1960 begonnen, über eine effiziente Verarbeitung ihrer unterschiedlichen Input-Daten nachzudenken. Dabei sprach man von Rohdaten, die zuerst physisch als Lochkarten gestapelt, und später elektronisch auf Magnetbändern gespeichert sowie auf Trommelspeichern oder Festplatten für die eigentliche Weiterbearbeitung zur Verfügung gehalten wurden.

      Beginnend in 1970 wurde die Vernetzungs- und Kombinationsmöglichkeiten von elektronischen Daten durch relationale Datenbank-Modelle zusätzlich erhöht und mit einer leicht verständlichen Abfrage-Sprache (Structured Query Language aka SQL) erweitert [22].

      Diese massive Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten von elektronischen Daten führte bereits Ende 1970 zu einer intensiven Debatte über den Datenschutz, um Menschen die Selbstbestimmung über deren Datennutzung zu ermöglichen. Durch die vermehrte Nutzung des Internets und sozialer Medien wurde ab Mitte der 1990er Jahre eine weitere massive Erhöhung der Verfügbarkeit, Beweglichkeit und Vernetzung der elektronischen Daten erzielt. Daraus sind neben der hoch spezialisierten Industrie der Datenanalysen ebenfalls der stark vermehrte Einsatz von

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