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Fehler bei der Beurteilung der Lage begangen hatte.

      Und die Kälte blieb, sickerte in seine Brust und setzte sich dort fest. Sie hatten ihn endlich so weit. Sie hatten ihn ausgetrickst, ihm eine Falle gestellt – und jetzt war er vielleicht auch nicht besser als die.

      Das war kalt, ja – bitter kalt.

      Kapitel 4: Geknickt

      Harold Brognola besetzte die sensibelste Position in Washington. Er war inoffiziell die Nummer Zwei der nationalen Verbrechensbekämpfung, was seinen Rang im US-Justizministerium betraf. Bei der ganzen Hysterie, die in letzter Zeit in dieser Stadt herrschte, fand er sich bald auch auf dem heißen Stuhl als "Sonderberater" im Nationalen Sicherheitsrat wieder. Und als ob das noch nicht genug wäre, hatte man ihn zusätzlich damit beauftragt, den illegalen Kreuzzug eines gewissen Mack Bolan zu stoppen.

      Von seinem Werdegang her war Brognola eigentlich Spezialist für das organisierte Verbrechen. Er war als Leiter einer Bundeseinheit für Organisierte Kriminalität noch in den unteren Rängen gewesen, als Sergeant Bolan aus Vietnam zurückkehrte und begann, sich mit dem Feind im eigenen Land herumzuschlagen. Als Realist hatte der Bundespolizist die Wirksamkeit von Bolans illegalem Krieg sofort erkannt und schnell beschlossen, sich – und damit auch seine Regierung – verdeckt an diesen Bemühungen zu beteiligen. Bolan selbst hatte sich mit diesem Arrangement nie allzu wohl gefühlt, obwohl es Brognola zu Beginn der Aktionen gelungen war, dafür bei Washingtons Offiziellen eine klammheimliche Sympathie zu erzeugen. Während des vierten großen Feldzugs konnte Brognola dem Kämpfer sogar den Vorschlag zu einem richtigen "Abkommen" unterbreiten – einschließlich einer Generalamnestie für Bolans vergangene Taten und der Zusage einer stillen Duldung des Kriegs von Seiten des Staats. Alles, was sie im Gegenzug dafür verlangten, war ein bisschen Kontrolle über den Mann. Aber Bolan hatte rundheraus abgelehnt.

      Die Waffen dieses Mannes konnte man nicht mieten.

      "Danke", hatte er ruhig zu Brognola gesagt, "aber nein danke. Ich will keine Lizenz".

      Brognola hatte verstanden. Und die Ablehnung vertiefte noch die Bewunderung, die er für den großen coolen Kerl hegte. Aber es machte Brognolas Arbeit kein bisschen leichter. Nach dieser Weigerung, sich zusammenzutun, endete die kurze Romanze mit Washington. Die Reaktion war schnell und heftig: Haltet den Kerl auf. Und natürlich erhielt Brognola diesen undankbaren Auftrag.

      Seitdem balancierte er auf einem Drahtseil.

      Mack Bolan war wie das Huhn, das goldene Eier legt. Man brauchte dem Mann nur zu folgen und hinter ihm die Scherben aufzusammeln. Brognola hatte genau das getan, und der offizielle Krieg gegen das organisierte Verbrechen profitierte in jeder Hinsicht. Brognola selbst hatte beträchtliche persönliche Vorteile daraus gezogen. Zum Teufel – er war zur Nummer Zwei aufgestiegen und verdankte es zu einem großen Teil dem einzigartigen Mack Bolan.

      Und die hohen Tiere wollten das Huhn schlachten?

      *

      Harold Brognola war Polizist, sicher, ein guter Polizist, aber er war auch ein Mensch. Er wollte nicht, dass Mack Bolan aus dem Verkehr gezogen oder gar getötet wurde. Es war ein Drahtseilakt, aber Hal Brognola blieb einer Freundschaft und einer menschlichen Beziehung verpflichtet, die weit über das Berufliche hinausging. Er blieb Mack Bolan verpflichtet.

      Genau wie ein weiterer Mann: Leo Turrin würde Gott höchstpersönlich die Stirn bieten, wenn es um Bolan ging. Leo war auch eine Nummer Zwei – aber auf der anderen Seite. Als Unterboss im Pittsfield-Zweig der Mafia war er der ranghöchste Mafioso, der je eine geheime FBI-Marke sein eigen nannte. Der Undercover-Cop aus Pittsfield war ein unbedeutender Unterboss im Syndikat gewesen, als Bolan begann, es auseinanderzunehmen. Er hätte auch Leo auseinandergenommen – und war schon ungemütlich nah dran gewesen, als der kleine Kerl ihm seine wahre Rolle enthüllte. Leo Turrin hatte seither ein Dreifach-Leben geführt: Bundesagent, Mafiaboss und Verbündeter von Bolan. Die beiden halfen einander, und der Austausch war für den einen ebenso nützlich gewesen wie für den anderen. Turrins Aufstieg in den Kreisen der Mafia war kometenhaft. Auch seine Bundesaktien hatten enorme Dividenden geerntet. Der Wert der Nebeneffekte für das FBI war unbezahlbar – und niemand war sich dessen mehr bewusst als Hal Brognola. Sehr bald, so glaubte man, würde Turrin in den Elitekreis des Syndikats berufen werden, bekannt als La Commissione, – dem offiziellen Führungsgremium der organisierten Unterwelt. Einen Undercover-Agenten in diesem Kreis zu haben, war gar nicht hoch genug einzuschätzen.

      Also nein, Brognola wollte nicht, dass Mack Bolan eingeschränkt würde, oder gar getötet.

      Genauso wenig wie Leo Turrin.

      *

      Der Anruf kam in der Dämmerung von Washington.

      "Hier ist Sticker", kündigte sich die in bekannter Weise verstellte Stimme aus Pittsfield an.

      "Einen Moment", knurrte Brognola und wechselte in die Warteschleife. "Arbeit", murmelte er als Antwort auf die schlaftrunkene Frage in den Augen seiner Frau und stieg aus dem Bett. Er zündete sich eine Zigarre an, streifte seinen Bademantel über – in dieser Reihenfolge – und ging dann ins Arbeitszimmer, wo er den Anruf auf eine sichere Leitung legte.

      "Okay, Sticker. Wer stirbt im Morgengrauen?"

      "Kommt drauf an", war die ruhige Antwort. "Was ist in Colorado los?"

      Brognola seufzte. "Jede Menge. Die Broncos machen sich ganz gut dieses Jahr. Könnten es sogar in die Playoffs schaffen. Ich höre auch viel Gutes aus Aspen – wird 'ne prima Ski-Saison. Abgesehen davon, wer will was von Colorado wissen?"

      " Du zumindest solltest", sagte Turrin zu ihm. "Man nennt Denver nicht umsonst einen Vorort von Washington. Nur weil wir einen Sportfan im Weißen Haus sitzen haben, kann man doch nicht alles übrige vernachlässigen."

      "Okay, Colorado ist also die Regierung West. Na und? Für ein Gespräch im Morgengrauen ist das echt mager – also was zum Teufel ist los?"

      "Striker ist da draußen, das ist los. Nur diesmal scheint er das Ziel zu sein. Man hat ihn gehörig ins Schwitzen gebracht, Hal. Er will wissen, ob die Bundesbehörden dort etwas vorhaben. Er sagt, er ist auf ein, Zitat: "militärisches Killer-Kommando" gestoßen. Er hat ihnen bei seiner Flucht schwere Verluste zugefügt. Er dachte, es seien, Zitat: "feindliche Truppen". Aber jetzt macht er sich Sorgen, dass er die Falschen erwischt hat. Offen gesagt, ich auch. Ich bin derjenige, der ihn auf das Gebiet angesetzt hat."

      "Du hattest Hinweise?"

      "Na ja ... so ähnlich. Eher Gerüchte als Hinweise. Striker vermutet eine Falle. Er hat eine positive Identifikation von einer der Fraktionen – es sind meine Leute, das ist bestätigt. Er hat Grund zu der Annahme, dass die anderen zu dir gehören. Eine Zusammenarbeit, Hal. Leitest du eine?"

      "Nein ..."

      "Das klingt nicht nach einem hundertprozentigen Nein. Bist du dir sicher?"

      "Nicht wirklich. Soweit ich weiß, läuft da nichts. Aber ich werd mich umhören müssen. Hast du gesagt: schwere Verluste?"

      Turrins Seufzer zischte in die Verbindung. "Ja."

      "Verdammt".

      "Tja ... es musste wohl mal so kommen. Es ist schwer, die Spieler auseinanderzuhalten, Hal. Ich frage mich sowieso, wie der Kerl das die ganze Zeit geschafft hat. Der Punkt ist – du weißt, wie gewissenhaft er die Guten von den Bösen trennt – der Punkt ist folgender: Der Kerl steht schon so lange unter enormem Stress. Er ist kein Psychopath, weißt du, und ..."

      Brognola schnaubte bei diesem Argument in den Hörer. "Natürlich nicht. Er ist der am wenigsten verrückte Kerl, den ich je ..."

      "Eben, das ist ja der Punkt. Falls sich herausstellt, dass er einen Haufen von "seinen Leuten" umgebracht hat – überleg mal, was das mit ihm machen würde. Wie gesagt, er steht unter Druck. Ein normaler Mann wäre schon längst zusammengebrochen. So was wie das könnte ihn knicken, Hal. Ehrlich, ich mach mir ziemlich Sorgen."

      Brognola kaute einen Moment lang auf den neuen Informationen herum,

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