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als Ausdruck einer Mischung von Dummheit, Feigheit und eingebildetem Besserwissen, wie Schnee in der Märzensonne« (1/142), bekennt er.

      Seite an Seite also mit Vorstellungen, die einem fast primitiven Obskurantismus entlehnt sind, tritt die politische Moderne des Nationalsozialismus in Erscheinung. Hitler beschreibt die Organisationsprinzipien eines zukünftigen Nazi-Staates. Nichts bleibt unbedacht: Institutionen, Religion, Bildung, Armee, Diplomatie, Urbanistik, eine – eugenische – Gesundheitspolitik. »Die Forderung, daß defekten Menschen die Zeugung anderer ebenso defekter Nachkommen unmöglich gemacht wird, ist eine Forderung klarster Vernunft […] Denn hier wird man, wenn nötig, zur unbarmherzigen Absonderung unheilbar Erkrankter schreiten müssen – eine barbarische Maßnahme für den unglücklich davon Betroffenen, aber ein Segen für die Mit- und Nachwelt« (1/270), heißt es weiter.

      Wenn er Ziele schildert, spricht er zuweilen auch von seinen Methoden. So beschreibt er in aller Ausführlichkeit seine Vorstellung von Propaganda: »Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergeßlichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwerten, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag.« (1/190) Und ähnlich weiter unten: »Das Volk ist in seiner überwiegenden Mehrheit so feminin veranlagt und eingestellt, daß weniger nüchterne Überlegung als vielmehr gefühlsmäßige Empfindung sein Denken und Handeln bestimmt.« (1/193) Sogar die Politik wird an der physischen Bedingung der Arier festgemacht, auf die er seine besondere Aufmerksamkeit richtet: »Der völkische Staat hat in dieser Erkenntnis seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körperbildung der geistigen Fähigkeiten. (Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und Entschlußkraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit), und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung.« (1/41)

      Einen Bereich allerdings vernachlässigt Hitlers Analyse: die Wirtschaft. Zu dem Zeitpunkt nämlich wird er bereits von Geschäftsleuten und Industriellen unterstützt und will sich ihre Gunst nicht verscherzen. Das »sozialistische« Element seines nationalsozialistischen Programms befindet sich also auf dem Rückzug. Von 1934 an kümmert sich Hitler darum, die Statthalter der antikapitalistischen Linie in der NSDAP zum Schweigen zu bringen, und leugnet auch seine Verbindung zu deutschen Großindustriellen wie Krupp oder Thyssen nicht.

      Der internationalen Politik widmet Hitler dagegen zahlreiche Seiten. Wenn er manchmal das traditionelle Register des Bismarck’schen Allianzenspiels[19] zieht, behandelt er hier vorrangig die ideologische Dimension, um dann seine Vorstellung vom Krieg als einer Tugend an sich kundzutun: »Im ewigen Kampfe ist die Menschheit groß geworden – im ewigen Frieden geht sie zugrunde.« (1/142) Und weiter unten schreibt er: »Demgegenüber müssen wir Nationalsozialisten unverrückbar […] an unserem außenpolitischen Ziele festhalten, nämlich dem deutschen Volk den ihm gebührenden Grund und Boden auf dieser Erde zu sichern […] Und diese Aktion ist die einzige, die vor Gott und unserer deutschen Nachwelt einen Bluteinsatz gerechtfertigt erscheinen läßt« (2/313). Hitler beabsichtigt also, die von den beiden Feinden Deutschlands, von Frankreich und dem bolschewistischen Russland ausgehende Bedrohung aus dem Weg zu räumen. Beide Länder beschreibt er als »verjudet« und will daher gnadenlos gegen sie Krieg führen. Zu diesem Zweck empfiehlt er vor allem eine strategische Allianz mit Italien und England. Mit letzterem könnte sich Deutschland die Welt teilen: die Meere dem Vereinigten Königreich, der Kontinent an Deutschland. Der Kampf gegen Frankreich stellt auch ein Mittel zur Expansionssicherung nach Osten dar. »[…] allerdings unter der Voraussetzung, daß Deutschland in der Vernichtung Frankreichs wirklich nur ein Mittel sieht, um danach unserem Volke endlich an anderer Stelle die mögliche Ausdehnung geben zu können. Heute zählen wir achtzig Millionen Deutsche in Europa! Erst dann aber wird jene Außenpolitik als richtig anerkannt werden, wenn nach kaum hundert Jahren zweihundertfünfzig Millionen Deutsche auf diesem Kontinent leben werden […].« (2/393) Auch ein mögliches Abkommen mit England hindert Hitler nicht daran, auf die Angelsachsen zu schimpfen, dass sie sich die Herrschaft über »dieses Land sichern« wollen.

      Zu Zeiten, als Hitler noch der Putschist im Gefängnis ist, schreibt er bereits mit der an Wahnwitz grenzenden Überzeugung, die er niemals aufgeben wird und seinen größten Trumpf ausmacht: »Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein.« (2/316)

      Eine »banale, schreckliche« Judenbesessenheit

      Die wesentlichste aller Vorstellungen in der Gesamtanlage von Hitlers Weltanschauung, der Schlussstein in seinem schrecklichen Gedankengebäude, macht ganze zwei Worte aus: »die Juden«. Kein Wunder, dass »Jude« in Mein Kampf das am häufigsten vorkommende Wort ist, noch vor »Deutschland«, »Rasse«, »Krieg«, »Marxismus«, »Frankreich« oder auch »Nationalsozialismus«. »Jude« taucht 373-mal auf.[20]

      Bezug auf die »Juden« wird fortlaufend genommen. Er findet sich in langen Analysen der Niederlage von 1918, der verabscheuten Weimarer Republik, Frankreichs, der Vereinigten Staaten, der Kommunisten. In dieser Hinsicht wirkt Hitlers Haft wie ein mächtiger Brutkasten. Bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis erklärt Hitler seinen Vertrauten, dass er sich bisher viel zu gemäßigt gezeigt habe. Er sei sich während seiner Arbeit an Mein Kampf über die Judenfrage klar geworden. Sie stelle nicht nur für das deutsche Volk, sondern für alle Völker ein Problem dar, denn »Juda ist die Weltpest«.[21]

      Die Juden gefährden die arische Rasse, in Hitlers Augen das schlimmste ihrer Verbrechen. »Der schwarzhaarige Judenjunge lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blute schändet und damit seinem, des Mädchens, Volke raubt. Mit allen Mitteln versucht er die rassischen Grundlagen des zu unterjochenden Volkes zu verderben. So wie er selbst planmäßig Frauen und Mädchen verdirbt, so schreckt er auch nicht davor zurück, selbst im größeren Umfange die Blutschranken für andere einzureißen. Juden waren und sind es, die den Neger an den Rhein bringen, immer mit dem gleichen Hintergedanken und klaren Ziele, durch die dadurch zwangsläufig eintretende Bastardierung die ihnen verhaßte weiße Rasse zu zerstören, von ihrer kulturellen und politischen Höhe zu stürzen und selber zu ihren Herren aufzusteigen.« (1/344f.) So tief sitzt der Antisemitismus in Hitler, so absolut greift er bei ihm, dass er die Juden in seiner Vorstellung entmenschlicht und aus ihnen eine eigene, nahezu tierhafte Gattung neben der der Menschen macht. Genau dieses den Zeitgenossen von der Nazi-Propaganda eingehämmerte Bild wird später die Nazi-Henker überzeugt haben, sie würden tatsächlich die Menschheit schützen oder Schädlinge abtöten, wenn sie die jüdische Bevölkerung bis hin zu ihren Neugeborenen wie Vieh ausrotten.

      »Den gewaltigsten Gegensatz zum Arier bildet der Jude […] Denn wenn auch der Selbsterhaltungstrieb des jüdischen Volkes nicht kleiner, sondern eher noch größer ist als der anderer Völker, wenn auch seine geistigen Fähigkeiten sehr leicht den Eindruck zu erwecken vermögen, daß sie der intellektuellen Veranlagung der übrigen Rassen ebenbürtig wären, so fehlt doch vollständig die allerwesentlichste Voraussetzung für ein Kulturvolk, die idealistische Gesinnung. Der Aufopferungswille im jüdischen Volke geht über den nackten Selbsterhaltungstrieb des einzelnen nicht hinaus. Das scheinbar große Zusammengehörigkeitsgefühl ist in einem sehr primitiven Herdeninstinkt begründet, wie er sich ähnlich bei vielen anderen Lebewesen auf dieser Welt zeigt. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, daß Herdentrieb stets nur so lange zu gegenseitiger Unterstützung führt, als eine gemeinsame Gefahr dies zweckmäßig oder unvermeidlich erscheinen läßt. Das gleiche Rudel Wölfe, das soeben noch gemeinsam seinen Raub überfällt, löst sich bei nachlassendem Hunger wieder in seine einzelnen Tiere auf. Das gleiche gilt von Pferden, die sich des Angreifers geschlossen zu erwehren suchen, um nach überstandener Gefahr wieder auseinanderzustieben.« (1/317ff.)

      In Hitlers Augen stellen die Juden nicht allein eine Bedrohung der Rassenreinheit dar. Im Einklang mit vielen seiner Zeitgenossen, darunter dem Nazi-Theoretiker Alfred Rosenberg, der nachweislich Einfluss auf ihn ausübt,[22] verkörpern die Juden den Kapitalismus, die Weltfinanz und den politischen Liberalismus wie den Marxismus und den Progressismus

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