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Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band. Gerhard Henschel
Читать онлайн.Название Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9783455005011
Автор произведения Gerhard Henschel
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Doch es war noch nicht aller Tage Abend, denn in meinem Kasten befand sich noch eine ansehnliche Zahl von Drähten, Kondensatoren usw., und es gab auch einen Drehknopf für die Senderwahl und zwei andere, einen für die Lautstärke und einen, um das lästige Rauschen wegzukriegen. All das in einem hübschen weißen Gehäuse mit einer dunklen Abdeckplatte. Sogar für die drei Batterien war Platz. Das sah ja alles sehr vielversprechend aus. Aber dann begann eine Pechsträhne: Zuerst ging mir einer von den Drehknöpfen kaputt (4,50 DM). Dann zerbarst ein Transistor (2,50 DM). Sodann zerriß ein Ohrhörer (1,20 DM). Das mußte ich alles neu bestellen (ein Bestellschein lag bei) und den Betrag per Zahlkarte überweisen (1,00 DM). Summa summarum kostete mich die Kaputtgeherei also 9,70 DM plus 2,00 DM für die Verpackung. Also 11,70 DM. Dazu noch die ganze Schererei mit dem zur Post gehen, Zahlkarte ausfüllen … und dann das Warten. Übrigens hatten die mir auch einen neuen Bestellschein geschickt, und auf dem kostete der Drehknopf schon 6,50 DM. Uff!
Endlich kam das Päckchen an, aber ohne Ohrhörer, weil die Vollidioten keinen hatten. Nachlieferung in zwei Wochen. Und als ich glücklich alles wieder beisammenhatte, machte ein Kondensator schlapp. Da ich zum Bestellen keine Lust mehr hatte, ging ich in das nächste Elektrogeschäft und holte mir einen für zwanzig Pfennig. Jetzt frag ich mich, warum ich wegen der anderen Sachen nicht auch in das Geschäft gegangen bin. Na ja, auf jeden Fall klappte das mit dem Radio dann leidlich gut, und ich konnte sogar bald auf diese Scheißdrahtantenne verzichten.
Meine Mutter hatte am 9. Geburtstag. Was kriegt sie? Ein Radio!
Und dann ist mir noch was Blödes passiert: Der Bogen von meiner Geige ist mir durchgebrochen. Ich hatte den Harald in die Seite gepiekt, na, und da hat er halt zugehauen. Mein Geigenlehrer hat gesagt, das billigste Ding sei so 50 DM teuer. Mich hat bald der Schlag getroffen. Zum Glück hat Holger sich als Bastler betätigt und den Bogen mittels Holzleim und weißen Klebestreifen wieder zusammengepappt. Wenn ich nach der Konfirmation genug Geld habe, dann hole ich mir einen neuen. Hoffentlich hält der alte noch so lange.
Das mit dem Zelten in den Sommerferien, das klappt auch nicht. Harald hat kein Geld mehr, um sich ein Zelt zu kaufen. Der Holger hat sowieso kein Geld, und ich … das geht alles für den Bogen drauf, denn soviel Zaster werde ich zur Konfirmation auch nicht bekommen, daß es dazu reicht.
So, Schluß für heute, und ich werde auch nicht mehr so schreibfaul in nächster Zeit (hoffe ich).
Schö, Michael
P.S. Zum Damespiel: Ich geb’s auf!
Eine Gemeinheit! Feige aus dem Spiel auszusteigen, nur weil ich das schon so gut wie gewonnen hatte!
Immer klappte alles nicht. Immer, immer kriegte man eins vor die Zwölf, mittenrein, wenn man sich auf was Schönes gefreut hatte, und sei’s auch nur ein Sieg im Damespiel oder ein Zelturlaub in den Ferien.
Auf der Rückfahrt nach Meppen wollte ich in meinem Fußballbuch lesen, aber Wiebke war am Kotzen, Papa am Mosern und Renate wegen irgendwas am Flennen. Da hätte sich auch der stärkste Mann der Welt nicht mehr auf Franz Beckenbauers Beschreibung seiner Ballannahmetechnik konzentrieren können.
In Meppen mußte Papa abends gleich wieder los, um Mama und Volker vom Bahnhof in Rheine abzuholen.
Wiebke lief zu ihrem geliebten Hamster hoch, und Renate sagte, daß Papa Mama versprochen habe, in der Zeit ihrer Abwesenheit den VW zu reparieren, aber daraus sei nichts geworden. Und nun müßten sie und Mama mit dem Zug nach Bielefeld juckeln. »So ein Umstand! Wenn Papa den VW in ’ne Werkstatt gebracht hätte, wäre der längst wieder verkehrstüchtig!«
Gegen Mitternacht kamen Mama, Papa und Volker in Meppen an. Bei der ewig langen Überfahrt nach Hoek van Holland, sagte Mama, hätten hoher Seegang und infolgedessen allgemeine Übelkeit obwaltet.
Im Wohnzimmer entkorkte Papa eine Flasche Weißwein. Nachdem alle angestoßen und den ersten Schluck getrunken hatten, sagte Papa, daß er mit sich zu Rate gegangen sei und beschlossen habe, sich einen Tag freizunehmen und Renate am Donnerstag nach Bielefeld zu fahren.
Das war ein Wort.
»Dann fahr ich aber mit!« rief Mama.
Wiebke schlief schon, aber ich noch nicht, und zur Feier des Tages kriegte ich nun auch mal einen Schluck Wein zugeteilt. Der schmeckte säuerlich, und als ich ihn runtergewürgt hatte, wußte ich nicht, was ich davon halten sollte.
Mama schwärmte von den Londoner Museen (eins davon mit Thomas Edisons erster Glühbirne). London, das sei eine Weltstadt aus lauter Kleinstädten. Übrigens hätten da herrenlos herumstehende Gepäckstücke dem nächsten Bobby gemeldet werden sollen, wegen der vielen Bombenattentate, und einmal habe Mama genau einem solchen Gepäckstück gegenübergestanden, aber keinen Bobby gesehen, und ’ne halbe Stunde später sei die Stelle von der Polizei abgeschirmt und von Menschen umlagert gewesen. Volker habe sich währenddessen Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett angesehen. Und nun noch was ganz anderes: Im feinen Pipps Hill Country Club, sagte Mama, hätten Volker und sie das Schwimmbad benutzen dürfen, weil Tante Therese und Onkel Bob da »members« seien. »Und Norman, dieser Größenwahnsinnige, der hat sich jetzt ’n Sportwagen mit Lotusmotor angeschafft!«
Nur habe Volker leider nie die Klappe aufgemacht und sich bloß immer verschämt »Hello« und »Good-bye« abgebängt.
Dann wurden Klamotten ausgepackt, von Marks & Spencer, die schwere Menge. Für mich fiel ein gnatschblaues, mit meterlangen Kragenlappen versehenes Hemd ab, dem mit unbewaffnetem Auge anzusehen war, daß man nicht mehr in die Sauna zu gehen brauchte, wenn man das Ding einen Tag lang getragen hatte.
»Don’t drink water because fish shit in it«, sagte Papa.
Am Ostermontag kriegte Papa Volker, Wiebke und mich zur Gartenarbeit ran: Klee aus dem Rasen rupfen. Keinen anderen Menschen auf der Welt hätte das kümmerliche bißchen Klee zwischen den Grashalmen gestört, aber Papa war jedes einzelne verdammte Kleeblättchen ein Dorn im Auge. Der Klee würde sich über den ganzen Rasen ausbreiten, wenn man nichts dagegen unternehme, behauptete Papa, und dann hätten wir irgendwann keinen Garten mehr, sondern ’ne Unkrautplantage.
Na und? Ich hätte lieber in ’ner Unkrautplantage gewohnt, statt den Rasen stundenlang nach wildwüchsigen Kleeblättern zu durchforsten. Und das an einem der heiligsten Feiertage der Christenheit!
»Nun stell dich doch nicht so bockbeinig an«, sagte Mama. »Gartenbesitzer müssen halt auch mal was tun für ihr Paradies! Ihr freut euch doch auch alle darüber, daß wir hier ’n schönen Garten haben und nicht irgendwo im Hochhaus eingepfercht sind!«
Nein, darüber freute ich mich nicht im mindesten.
In Deutsch las der Wolfert eine Erzählung des Dichters Heinrich von Kleist vor, eine »Ankedote aus dem letzten preußischen Kriege«, von anno dunnemals. Wie da ein Reiter gegen die Franzosen losgeritten sei:
»Bassa Manelka!« ruft der Kerl, und gibt seinem Pferde die Sporen und sprengt auf sie ein; sprengt, so wahr Gott lebt, auf sie ein und greift sie, als ob er das ganze Hohenlohische Korps hinter sich hätte, an; dergestalt, daß, da die Chasseurs, ungewiß, ob nicht noch mehr Deutsche