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      »Jonas, Sie sind ein Prachtexemplar«, sagte er mit unterdrücktem Lachen. »Was können Sie eigentlich nicht?«

      »Der Mensch muß alles können«, erwiderte Jonas mit Würde.

      »Recht so«, lobte Brandler. »Doch wo ist die gnädige Frau, wo Herr Rave?«

      »Die Herrin ist wegen der Pflegerin für Didi unterwegs und der Herr ist – nun – er hat eine dringende Angelegenheit zu erledigen.«

      »Und was machen Sie nun?«

      »Ich bereite das Mittagsmahl.«

      »Recht so, alter Freund! Ich habe einen Bärenhunger und lade mich feierlichst zu Tisch.«

      Er konnte es sich nicht erklären, warum Jonas auf einmal so verlegen wurde. Und als der Gast ihm gar in die blitzsaubere Küche folgte, war er vollkommen ratlos.

      »Es schickt sich für den gnädigen Herrn doch nicht, hier in der Küche…«, wagte er einzuwenden, doch er lachte ihn aus.

      »Schicken oder nicht, Jonas – mal kann man auch etwas tun, was sich nicht schickt.«

      Und schon saß er auf der Küchenbank.

      Er machte große Augen, als Jonas nun aus der kleinen Speisekammer Brot holte und dieses in einen Topf schnitt.

      »Was wird denn aus dem Brot?«

      »Das gibt, mit Milch gekocht, eine nahrhafte Suppe.«

      Jetzt herrschte eine lähmende Stille in der Küche. Brandler meinte, ihm fielen plötzlich Schuppen von den Augen.

      Da war er nun wochen-, nein, monatelang in diesem Haus ein und aus gegangen und hatte nicht einmal darüber nachgedacht, was für eine Beschäftigung Jobst Oluf eigentlich hat. Nun fiel es ihm allerdings ein, daß er fast immer zu Hause war – sollte er etwa stellenlos sein?

      Herrgott – das war ja gar nicht auszudenken! Da hatte er sich hier immer bewirten lassen, hatte das Kind hier mehr als ein Vierteljahr in Pflege gelassen, ohne auch nur einmal an eine Vergütung zu denken.

      Er stöhnte auf und war mit einem Satz bei Jonas. Er packte seine Schultern. »Jonas – so sagen Sie doch, um alles in der Welt, wird das das ganze Mittagessen Ihrer Herrschaft?«

      »Meine Herrschaft hat früher bessere Tage gesehen«, antwortete er mit versagender Stimme.

      »Und jetzt – Menschenskind, Jonas!«

      Jonas sah die tiefe Erregung Brandlers, sein Blick irrte zur Seite. »Jetzt sind sie unverschuldet in Not geraten. Kein Geld – der Herr schon fast ein Jahr ohne Stellung.«

      Die zitternden Hände Hans Heinrichs drückten Jonas auf einem Küchenstuhl. Er selbst blieb vor ihm stehen. »Was hat Ihr Herr für einen Beruf, Jonas?«

      »Der Herr ist Landwirt. Und daß er tüchtig in seinem Fach ist, das brauche ich wohl nicht erst zu betonen. Er hatte auch schon ganz gute Stellen – doch die Weiber – die laufen ihm ja nach wie die Schafe und waren allemal daran schuld, wenn er bald seine Stelle verlor.«

      »Ah so – und weiter, Jonas?«

      »Weiter kann ich nichts verraten, gnädiger Herr. Es ist nicht meine Sache, über die Verhältnisse meiner Herrschaft zu sprechen.«

      Brandler rannte in der Küche auf und ab; mit zwei Schritten war er sie allemal durch. Unermüdlich schritt er wohl fünf Minuten lang hin und her.

      »Wenn ich daran denke, Jonas – daß ich Ihrer Herrschaft noch die Pflege des Kindes aufgehalst habe…«

      Er hastete wieder in der Küche umher, machte dann aber plötzlich halt. »Jonas, ich kann nicht warten, bis die Herrschaften zurückkommen, ich bin zu erregt. Sagen Sie, ich wäre hier gewesen, hätte ihre Rückkehr jedoch nicht abwarten können.«

      Ohne Jonas noch einmal anzusehen, hastete er nach dem Korridor, nahm Hut und Mantel und verließ die Wohnung.

      *

      Hans Heinrich Brandler hatte eine schlaflose Nacht, wohl die erste in seinem verwöhnten, sorglosen Dasein.

      Gutmachen – nur gutmachen!

      Doch wie? Diese stolzen Menschen konnte er doch unmöglich behandeln wie irgendwelche Almosenempfänger. Er konnte ihnen doch nicht einen Geldschein in die Hand drücken, als Vergütung für die Pflege des Kindes!

      Er grübelte und überlegte, zerquälte sich das Hirn mit Gedanken und wußte doch keinen Weg, den er einschlagen konnte.

      Immer wieder kam er auf den einen Gedanken zurück, den er zuerst gehabt. Er mußte Jobst Oluf zu einer Stellung verhelfen, bei seinen ausgedehnten Beziehungen mußte das glücken. Doch darüber konnten noch Wochen vergehen, und so lange konnte man nicht mehr warten.

      Ja, daß ihm dieser Gedanke nicht gleich gekommen war!

      Bis er für Jobst Oluf irgend etwas gefunden hatte, nahm er ihn nach Groß-Löschen. Die Beamtenstellen waren wohl alle besetzt, und Jobst Oluf würde im Grunde überflüssig sein. Doch bis er das merkte, hatte er ihn sicherlich anderswo untergebracht.

      Ganz ermattet war er, als er sich einigermaßen beruhigt niederlegte.

      Zu gewohnter Stunde wachte er auf und fühlte sich hundeelend.

      Sein erster Befehl galt der Wirtschafterin, die ihm heute einen extra prima Kaffee brauen sollte. Doch als er den ersten Schluck trank, wurde er sehr ungnädig. Die völlig verdatterte Wirtschafterin mußte antreten und bekam von ihrem sonst allzeit gütigen Herrn zu hören, daß sie es absolut nicht verstünde, einen guten Kaffee zu kochen.

      »Gnädiger Herr, bis jetzt war mein Kaffee doch immer gut«, verteidigte sich das bejahrte rundliche Fräulein.

      »Er war so lange gut, weil ich keinen wirklich guten Kaffee kannte. Doch jetzt – äh, lassen wir das!«

      Der Gutsherr hastete aus dem Zimmer, die völlig konsternierte Wirtschafterin sich selbst überlassend. Sie war gekränkt, wirklich schwer gekränkt.

      Davon nahm ihr Herr jedoch keine Notiz, als er eine Stunde später bei ihr in der Küche erschien. Seine schlechte Laune war wie weggewischt.

      Noch vor wenigen Minuten hatte er, in schweres Grübeln versunken, in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch gesessen, die Blicke gedankenverloren umherschweifen lassen, bis sie an dem Schreibtischkalender haften geblieben waren.

      »Didi heute ein halbes Jahr alt«, stand unter der großen schwar­zen Zahl achtzehn. Ein kurzes Nachdenken – und schon eilte er nach der Küche und trat vor die Wirtschafterin hin.

      »Fräulein Lottchen, packen Sie, bitte, einen ganz großen Korb mit den schönsten, appetitlichsten Sachen«, gebot er lachend. »In einer Stunde schicke ich den Chauffeur, der die Sachen abholen wird. Klein Didi wird heute nämlich ein halbes Jahr alt.«

      Er strahlte sie an und verließ schnell die Küche, denn er hatte noch verschiedenes in der Wirtschaft zu erledigen.

      Er ließ Fräulein Lottchen noch konsternierter zurück als vor einer Stunde. Daß sie einen solchen Korb zurechtmachen sollte, war ihr ja nichts Neues, aber was ein solcher Korb mit dem halbjährigen Geburtstage Babys zu tun hatte, das wollte ihr nicht in den Kopf.

      Trotzdem wurde der Korb diesmal besonders reichhaltig und schön. Eigenhändig trug sie ihn zum Auto.

      »Oho, unser Fräulein Lottchen bringt eigenhändig den Korb, da muß er wohl ganz besonders gut gelungen sein«, lachte der Gutsherr, der soeben in das Auto stieg. »Na, ich weiß ja, Fräulein Lottchen, Sie sind eine Perle, und die Groß-Löschener Küche wäre einfach aufgeschmissen, wenn Sie nicht wären.«

      Das war wie Balsam auf die Wunde der Eitelkeit Fräulein Lottchens. Sie nickte sehr gnädig, war schon halb versöhnt, doch nur halb erst – o ja!

      Das kümmerte den vergnügten Hans Heinrich herzlich wenig. Seelenvergnügt saß er im Auto und fuhr der Stadt zu. Dort besorgte er köstliche gelbe Rosen,

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