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Während der hochgemute Phaethon dies bewundert und das Kunstwerk betrachtet – siehe, da hat die wachsame Aurora im hellen Osten die purpurnen Tore und die rosengefüllten Hallen geöffnet: Die Sterne fliehen, ihren Zug beschließt [115] Lucifer und verläßt als letzter seinen Posten am Himmel. Als er sah, daß dieser sich der Erde zuwandte, die Welt sich rötete und die Ränder der Mondhörner sich gleichsam verflüchtigten, gebietet Titan den flinken Horen, die Pferde anzuschirren. Rasch führen die Göttinnen den Befehl aus, holen die feuerspeienden Rosse, [120] die sich an saftiger Ambrosia gesättigt haben, von den hohen Krippen herbei und legen ihnen das klirrende Zaumzeug an. Dann bestrich der Vater das Gesicht seines Sohnes mit einem heiligen Zaubermittel und feite es gegen die zehrenden Flammen, setzte ihm den Strahlenkranz aufs Haar und sprach, indem er [125] wiederholt aus tief besorgter Brust aufseufzte – denn er ahnte Schmerzliches –:

      »Kannst du wenigstens diesen Ermahnungen deines Vaters gehorchen: Geh, Knabe, mit dem Stachel sparsam um und gebrauche kräftiger die Zügel! Aus eigenem Antrieb eilen die Rosse; die Arbeit besteht darin, ihren Eifer zu bändigen. Und wähle nicht den Weg, der geradlinig durch die fünf Zonen führt! [130] Schräg geschnitten verläuft in weitem Bogen die Bahn; sie gibt sich mit dem Bereich dreier Zonen zufrieden und meidet den Südpol und den Großen Bären mit seinen Nordwinden. So sei dein Weg! Deutlich wirst du die Radspuren sehen. Und damit Himmel und Erde gleichmäßig erwärmt werden, [135] drücke den Wagen nicht zu weit hinab und lenke ihn nicht durch den obersten Äther. Steigst du zu hoch empor, wirst du die himmlischen Hallen verbrennen, gehst du zu tief, die Erde; in der Mitte wirst du am sichersten fahren. Möge dich auch das Rad nicht zu weit nach rechts tragen zur Schlange, die sich ringelt, und auch nicht zu weit nach links zu dem tief am Himmel stehenden Altar! [140] Halte dich zwischen beiden! Das Weitere überlasse ich dem Schicksal. Es möge dir helfen und besser für dich sorgen als du selbst! Während ich rede, hat die feuchte Nacht die Wendemarken am Hesperischen Strand berührt. Länger dürfen wir nicht warten: Wir werden verlangt. Aurora glüht, und die Finsternis ist vertrieben. [145] Nimm die Zügel in die Hand – oder, wenn dein Sinn sich noch ändern kann, dann mache dir meinen Rat, nicht meine Räder zu eigen, solange du noch kannst, solange du auf festem Boden und nicht unerfahren auf der Achse stehst, die du dir zu deinem Unheil gewünscht hast. Laß mich der Erde das Licht spenden, damit du es in Sicherheit schauen kannst.«

      [150] Phaethon besteigt den leichten Wagen mit seinem jugendlich schlanken Körper. Schon steht er oben, freut sich, mit den Händen die leichten Zügel zu berühren, und dankt von dort aus dem widerstrebenden Vater. Inzwischen erfüllen die vier geflügelten Sonnenrosse Feurig, Morgenschein, Brand und Lohe die Lüfte [155] mit flammendem Wiehern und schlagen mit den Hufen an die Schranken. Schon hatte Tethys diese aufgestoßen, ohne vom Schicksal ihres Enkels etwas zu ahnen, und den Rossen stand der unermeßliche Himmel offen: Da stürmen sie los, bewegen die Beine durch die Luft, zerreißen Nebelschleier, die ihnen im Wege stehen. [160] Von den Flügeln emporgetragen, überholen sie die Ostwinde, die aus derselben Richtung kommen. Aber das Gewicht war leicht, so daß es die Sonnenrosse nicht wiedererkennen konnten, und dem Joch fehlte die vertraute Schwere. Wie gebogene Schiffe ohne den rechten Ballast hin und her schwanken und, weil sie zu leicht sind, unstet über das Meer fortgetragen werden, [165] so macht der Wagen, frei von der gewohnten Last, Sprünge in der Luft und wird in die Höhe geschleudert, als wäre er leer. Sobald das Viergespann dies bemerkt hat, stürzt es los, verläßt die ausgefahrene Bahn und läuft nicht mehr geordnet wie sonst. Phaethon ist erschrocken und weiß nicht, wohin er die ihm anvertrauten Zügel lenken soll, [170] auch weiß er den Weg nicht, und selbst wenn er ihn wüßte, könnte er den Pferden seinen Willen nicht aufzwingen. Damals erwärmte sich zum ersten Mal das eisige Gestirn der Sieben Dreschochsen am Strahl der Sonne, und sie versuchten vergebens, in dem verbotenen Meer zu baden; und die Schlange, die ganz nahe am eisigen Pol wohnt, vor der sich bisher niemand zu fürchten brauchte, weil sie durch den Frost träge geworden war, [175] wurde warm und bekam durch die Hitze neue Angriffslust. Man sagt, sogar du, Bootes, seist verwirrt geflohen, wenn du auch noch so träge warst und dein Karren dich aufhielt. Doch als Phaethon von der höchsten Höhe des Äthers hinabblickte, der Unglückliche, auf die Lande, die weit, weit unten hingebreitet waren, [180] erbleichte er, in plötzlicher Angst erzitterten ihm die Knie, und ungeachtet all des hellen Lichtes senkte sich Finsternis über seine Augen. Schon hätte er lieber die Rosse des Vaters nie angerührt, schon reut es ihn, seine Herkunft erfahren und seine Bitte durchgesetzt zu haben, schon wünscht er sich sehnlich, ein Sohn des Merops zu heißen. [185] Er wird fortgetragen wie vom rasenden Nordwind ein fichtenes Schiff, dessen Lenkung der verzweifelte Steuermann aufgegeben und das er Göttern und Gebeten überlassen hat. Was tun? Eine große Himmelsstrecke liegt bereits hinter ihm, eine größere vor ihm. Im Geiste schätzt er beides ab; bald blickt er voraus gen Sonnenuntergang – wohin zu gelangen ihm nicht beschieden ist –, [190] bald zurück zum Sonnenaufgang. Wie betäubt weiß er nicht, was er tun soll. Weder läßt er die Zügel los, noch kann er sie anziehen, noch kennt er die Namen der Pferde. Auch sieht er, bunt über den weiten Himmel verstreut, Wunderwesen und die Bilder riesiger Tiere, die ihm Angst einjagen. [195] Es gibt einen Ort, an dem der Skorpion seine Scheren in zwei Bögen krümmt und mit seinem Schwanz und den beiderseits gebogenen Armen seine Glieder über den Raum von zwei Tierkreiszeichen ausdehnt. Sobald ihn der Knabe sah, wie er von schwarzem Gift troff, das er ausschwitzte, und ihn mit seinem krummen Stachel zu verwunden drohte, [200] verlor er die Besinnung, eisig packte ihn die Angst, und er ließ die Zügel los. Diese liegen schlaff auf dem Rücken der Pferde; durch die Berührung geraten die Rosse außer Rand und Band und jagen, ohne daß jemand sie zurückhält, durch unbekannte Luftregionen. Regellos rasen sie, wohin ihr Ungestüm sie treibt, [205] stoßen an die Sterne, die am hohen Himmelsgewölbe befestigt sind, reißen den Wagen durchs Unwegsame, steigen bald zu den höchsten Höhen empor, bald stürzen sie abwärts auf halsbrecherischen Wegen in der Nähe der Erde dahin. Luna wundert sich, daß die Rosse ihres Bruders auf einer tiefer gelegenen Bahn laufen als die ihren, und versengt dampfen die Wolken. [210] Überall dort, wo die Erde am höchsten ist, wird sie vom Feuer ergriffen, bekommt Spalten und Risse und dörrt aus, weil ihr die Säfte entzogen sind. Das Gras wird grau, samt seinen Blättern brennt der Baum, und das trockene Saatfeld liefert seinem eigenen Unheil Nahrung.

      Doch was ich beklage, ist noch gering! Große Städte gehen mit ihren Mauern unter, [215] und der Brand legt ganze Länder mit ihren Völkern in Asche. Es brennen die Wälder mit ihren Bergen. Es brennt der Athos, der cilicische Taurus, der Tmolus, der Oeta, der Ida, der damals trocken war, sonst überreich an Quellen, der Helicon, der Berg der jungfräulichen Musen, und der Haemus, der damals noch nicht dem Oeagrus gehörte. [220] Es brennt der Aetna von zweierlei Feuern, die sich ins Unermeßliche steigern, es brennt der Parnaß mit seinen zwei Gipfeln, der Eryx, der Cynthus, der Othrys, Rhodope, die endlich einmal die Schneekappe verliert, Mimas, Dindyma, Mycale und der Cithaeron, der für heilige Orgien geschaffen ist. Scythien nützt die heimische Kälte nichts; der Caucasus brennt. [225] Ebenso der Ossa, der Pindus, der Olymp, der größer ist als beide, die luftigen Höhen der Alpen und der wolkentragende Apennin.

      Da sieht Phaethon den Erdkreis von allen Seiten in Flammen stehen und hält die gewaltige Hitze nicht aus; glühendheiße Luft wie aus dem tiefen Schlund einer Esse [230] atmet er mit dem Mund ein, spürt, daß sein Wagen sich bis zur Weißglut erhitzt, kann die aufgewirbelte Flugasche nicht mehr ertragen und ist ringsum in heißen Rauch gehüllt. Von pechschwarzem Dunkel bedeckt, weiß er nicht mehr, wohin er fährt oder wo er ist, und läßt sich von der Willkür der Flügelpferde fortreißen. [235] Wie man glaubt, wurden damals Aethiopiens Völker schwarz, weil die Hitze das Blut an die Oberfläche ihres Körpers lockte. Damals ward Libyen trocken, weil die Glut dem Lande die Feuchtigkeit entzog. Damals weinten die Nymphen mit aufgelöstem Haar um ihre Quellen und Seen: Boeotien vermißt Dirce, [240] Argos Amymone, Ephyra die Wellen der Pirene. Nicht einmal Flüsse, denen weit voneinander entfernte Ufer beschieden sind, bleiben verschont: Inmitten seiner Wellen dampfte der Tanais, ebenso der alte Penëus, der teuthrantische Caicus, der schnelle Ismenus, der Erymanthus bei Phegia, [245] der Xanthus, der später noch einmal brennen sollte, der gelbe Lycormas, der Maeander, der spielerisch seinen Lauf immer wieder zurückbiegt, der mygdonische Melas und der taenarische Eurotas. Es brannte auch der babylonische Euphrat, es brannte der Orontes, der schnelle Thermodon, der Ganges, der Phasis und die Donau. [250] Es siedet der Alpheus, die Ufer des Spercheus brennen; das Gold, das

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