Скачать книгу

nicht in eurem reinen Meer baden.«

      Die Meeresgötter nickten zustimmend; in wendigem Wagen durchzieht Saturnia den klaren Äther mit ihrem bunten Pfauengespann.

      Apollo und Coronis (I)

      Wie die Pfauen erst vor kurzem, nach der Ermordung des Argus, bunt geworden waren, so waren deine Flügel, [535] geschwätziger Rabe, früher strahlend weiß, erst kürzlich schwarz geworden. Dieser Vogel hatte nämlich einst schneeweiße Federn, so silberglänzend, daß er völlig fleckenlosen Tauben gleichkam und nicht den Gänsen nachstand, die später mit wachsamer Stimme das Capitol retten sollten, und nicht dem Schwan, der die Flüsse liebt. [540] Die Zunge wurde ihm zum Verhängnis; sie, die geschwätzige Zunge, bewirkte, daß seine Farbe, die weiß war, jetzt ins Gegenteil verkehrt ist.

      In ganz Haemonien gab es kein schöneres Mädchen als Coronis aus Larissa: Dir, Gott von Delphi, gefiel sie ganz gewiß, solange sie entweder treu oder unbeobachtet war; aber der Vogel [545] des Phoebus bemerkte ihren Treubruch. Gerade war er unterwegs zu seinem Herrn, um ihm die heimliche Verfehlung als unerbittlicher Kläger zu enthüllen. Ihn holt, heftig mit den Flügeln schlagend, die geschwätzige Krähe ein, um alles auszukundschaften. Nachdem sie gehört hatte, was ihn zu seinem Fluge bewog, sprach sie:

      Die Krähe – Nyctimene

      »Deine Reise bringt dir keinen Nutzen. [550] Verachte nicht, was meine Zunge dir voraussagt. Halte dir vor Augen, was ich war und was ich bin. Frage dich dann, ob ich’s verdient habe. Du wirst finden, daß mir meine Gewissenhaftigkeit zum Verhängnis wurde. Denn einst hatte Pallas den Erichthonius, ein Kind, das ohne Mutter entstand, in ein Körbchen aus attischer Weide eingeschlossen [555] und den drei Töchtern des doppelgestaltigen Cecrops mit dem strengen Gebot übergeben, keinen Blick auf ihr Geheimnis zu werfen. Versteckt unter dem leichten Blätterwerk einer dichtbelaubten Ulme, kundschaftete ich aus, was sie tun würden. Zwei von ihnen, Pandrosos und Herse, bewahren das Anvertraute ohne Falsch. Aglauros allein nennt ihre Schwestern feige, [560] schiebt mit der Hand das Geflecht auseinander, und sie sehen darin ein Kind und eine Schlange, die sich emporreckt. Ich berichte der Göttin das Geschehene. Dafür ernte ich folgenden Dank: Ich werde ausdrücklich aus Minervas Gefolge verstoßen und muß hinter der Nachteule zurückstehen. Meine Bestrafung kann den Vögeln [565] zur Warnung dienen, sich nicht durch Geplapper Gefahren einzuhandeln. Aber ist sie nicht etwa seinerzeit von sich aus auf mich zugekommen, ohne daß ich sie um irgend etwas Derartiges gebeten hätte? Du kannst Pallas selbst fragen: Zürnt sie mir auch noch so sehr – selbst im Zorn wird sie das nicht bestreiten können. Mein Vater war nämlich Coroneus, der in Phocis berühmt war [570] – ich sage dir damit nichts Neues –, und ich war eine Prinzessin. Reiche Freier umwarben mich; denke nicht gering von mir! Meine Schönheit wurde mir zum Verhängnis. Denn als ich mit gemächlichen Schritten, wie gewohnt, ganz außen am Strand über den Sand hinschlenderte, sah mich der Meergott und fing Feuer. Und nachdem er mit Bitten [575] viel Zeit und Schmeichelworte unnütz vertan hat, will er es mit Gewalt versuchen und folgt mir. Ich fliehe, verlasse den festen Strand, und vergebens mühe ich mich in dem lockeren Sande ab. Dann rufe ich Götter und Menschen zu Hilfe; doch meine Stimme erreicht keine Menschenseele. Aber die Jungfrau ließ sich bewegen, für die Jungfrau einzutreten, [580] und sie kam mir zu Hilfe. Ich streckte die Arme zum Himmel; die Arme färbten sich schwarz von leichten Federn. Ich mühte mich, das Kleid von den Schultern abzuwerfen, doch es war schon zu Flaum geworden und hatte tief in der Haut Wurzeln geschlagen. Ich versuchte, mit der flachen Hand an die entblößte Brust zu schlagen, [585] doch ich hatte keine Hände mehr, und meine Brust war nicht mehr entblößt. Ich lief; und der Sand hemmte meine Füße nicht mehr, sondern ich erhob mich von der Erdoberfläche. Bald fliege ich im Schwung durch die Luft davon. So wurde ich Minervas unbescholtene Gefährtin. Doch was nützt mir das alles, wenn jetzt Nyctimene, die durch ein grausiges Verbrechen zum Vogel wurde, [590] als Nachfolgerin meinen Ehrenplatz eingenommen hat? Oder hast du etwa noch nicht gehört, was auf ganz Lesbos die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß Nyctimene das Ehebett ihres Vaters geschändet hat? Sie ist zwar jetzt ein Vogel, aber schuldbewußt entzieht sie sich den Blicken, meidet das Tageslicht, verbirgt ihre Schande im Dunkeln, [595] und darum verjagen alle sie aus dem weiten Himmelsraum.«

      Apollo und Coronis (II)

      Während sie solches sprach, sagte zu ihr der Rabe: »Dein Versuch, mich zurückzurufen, möge dir selber Unheil bringen! Was scheren mich nichtige Vorzeichen!« Und er läßt sich nicht von der begonnenen Reise abbringen und erzählt seinem Herrn, daß er Coronis in den Armen eines jungen Mannes aus Thessalien sah. [600] Als der Liebende von dem Vergehen hörte, entglitt ihm der Lorbeer; und der Gott verlor zugleich die Fassung, das Plectrum und die Gesichtsfarbe. Zornig aufbrausend, greift er zu den gewohnten Waffen, spannt den Bogen, dessen Hörner er zurückbiegt, und durchbohrt mit seinem unentrinnbaren Geschoß die Brust, [605] die so oft an der seinen ruhte. Getroffen, stieß Coronis einen Seufzer aus, zog sich das Eisen aus der Wunde, benetzte dabei ihre schneeweißen Glieder mit purpurrotem Blut und sprach: »Du hättest mich ja bestrafen können, Phoebus, aber erst nachdem ich Mutter geworden wäre. Jetzt wird mein Tod zweier Menschen Tod sein.« [610] Sprach’s, und zugleich mit dem Blute entschwand ihr das Leben. Und in den Leib, aus dem die Seele entflohen war, kroch die Kälte des Todes. Ach, zu spät bereut der Liebende die grausame Bestrafung, und er haßt sich selbst, weil er dem Ankläger Gehör schenkte und im Zorn so hitzig war; er haßt auch den Vogel, der ihn gezwungen hatte, das Vergehen und die Ursache seiner Kränkung [615] zur Kenntnis zu nehmen; er haßt den Bogen, die eigene Hand und mit ihr die blindlings abgeschossenen Pfeile. Er wärmt die Zusammengesunkene, trachtet mit verspäteter Hilfe das Schicksal zu besiegen und übt erfolglos seine Heilkunst aus. Nachdem er bemerkt hatte, daß diese Versuche vergeblich waren, daß man bereits den Scheiterhaufen aufschichtete [620] und daß die Glieder der Geliebten im letzten Feuer verbrennen sollten, seufzte er aus tiefster Brust – denn ein göttliches Antlitz dürfen keine Tränen benetzen –, nicht anders, als wenn einer vor den Augen der Kuh mit dem Hammer weit bis zum rechten Ohr ausgeholt [625] und dann mit deutlichem Schlag die gerundete Schläfe des saugenden Kalbes zerschmettert hat. Sobald Phoebus Balsam, der nichts nützte, auf ihre Brust gegossen, sie umarmt und ihr die rechten Ehren erwiesen hatte, die an dem Unrecht nichts änderten, ertrug er es nicht, daß sein Same zusammen mit der Mutter zu Asche werde. Er rettete den Sohn vor den Flammen und aus dem Leibe der Mutter [630] und brachte ihn in die Höhle des doppelgestaltigen Chiron. Den Raben aber, der sich dafür eine Belohnung erhoffte, daß er die Wahrheit berichtet hatte, schloß er aus dem Kreise der weißen Vögel aus.

      Ocyroe

      Inzwischen hatte der Halbmensch seine Freude an dem Zögling aus göttlichem Stamme, und er freute sich über die Würde, die mit der Bürde verbunden war. [635] Siehe, da kommt die Tochter des Centauren, rotes Haar wallt ihr auf die Schultern herab. Einst hatte die Nymphe Chariclo sie am Ufer eines reißenden Flusses geboren und Ocyroe genannt. Sie begnügte sich nicht damit, die Künste des Vaters zu erlernen; auch die Geheimnisse des Schicksals wußte sie zu verkünden. [640] Als aber ihr Geist in prophetische Verzückung geriet und sie von dem Gott erglühte, den sie in der Brust trug, sprach sie, das Kindlein anblickend: »Wachse, Knabe, und bringe der ganzen Welt Heil! Oft werden sterbliche Leiber dir ihre Rettung verdanken. Du wirst sogar Macht haben, entflohene Seelen wieder ins Leben zurückzurufen. [645] Einmal wirst du dies zum Zorn der Götter wagen und durch die Flamme des Großvaters daran gehindert werden, dieses Geschenk zum zweiten Mal zu verleihen. Und aus einem Gott wirst du zu einem Körper ohne Blut werden und aus einem Leichnam wieder zu einem Gott und zweimal ein neues Leben beginnen. Du auch, lieber Vater, jetzt unsterblich [650] und durch deine Geburt dazu bestimmt, durch alle Äonen fortzuleben, wirst dir dann sehnlichst wünschen, sterben zu können, wenn der Geifer der gräßlichen Schlange quälend deine verwundeten Glieder durchdringt. Und die Götter werden dich aus einem Unsterblichen in einen Sterblichen verwandeln, und die drei Parzen werden deinen Lebensfaden lösen.« [655] Es blieb noch etwas zu weissagen übrig. Doch da seufzt sie aus tiefster Brust, über ihre Wangen gleiten hervorquellende Tränen, und sie spricht: »Das Schicksal kommt mir zuvor, ich darf nicht weitersprechen, und es wird mir verwehrt, meine Stimme zu gebrauchen.

Скачать книгу