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und mitten in der Lunge pechschwarzes Gift. Um sie die Ursachen des Übels nicht weit suchen zu lassen, stellt sie ihr die Schwester vor Augen, ihre glückliche Ehe und den Gott in all seiner Schönheit. [805] Alles läßt sie groß erscheinen. Das erregt die Cecropstochter; darum nagt verborgener Kummer an ihr, darum seufzt sie voll Sorge Tag und Nacht. So schwindet die Ärmste in langsamem Siechtum dahin, wie Eis, an dem die noch unbeständige Sonne zehrt. Nicht sanfter versengt Herses Glück ihr Herz, [810] als wenn man an dorniges Gras Feuer legt; keine Flammen schlagen hervor, doch leise schwelende Glut verbrennt es. Oft wollte sie sterben, um nichts Derartiges sehen zu müssen, oft wollte sie es wie ein Verbrechen dem strengen Vater erzählen; schließlich setzte sie sich auf die Schwelle, dem ankommenden Gott entgegen, [815] um ihn auszusperren. Als er ihr mit schmeichelnden Bitten und gar sanften Worten zuredete, sprach sie: »Hör auf; ich will mich von hier erst fortbewegen, wenn du vertrieben bist.« – »Bei diesem Vertrag soll es bleiben«, sprach der flinke Cyllener. Er öffnete die Türflügel mit seinem himmlischen Stab. [820] Aglauros versucht aufzustehen, kann aber die Körperteile, die man beim Sitzen abbiegt, vor lauter träger Schwere nicht mehr bewegen. Sie ringt zwar darum, sich mit aufgerichtetem Rumpf zu erheben, aber das Kniegelenk ist steif, Kälte schleicht durch die Zehennägel, die Adern verlieren ihr Blut und erbleichen. [825] Und wie der Krebs, das unheilbare Übel, im Körper immer weiter kriecht und bisher unangegriffene Teile in die Zerstörung einbezieht, so kam tödlicher Winter allmählich in die Brust, verschloß die lebenswichtigen Bahnen und die Atemwege. Sie versuchte nicht zu sprechen, und hätte sie es versucht, [830] so hätte ihre Stimme keinen Weg mehr gefunden. Schon hatte der Stein den Hals erreicht, der Mund war hart geworden, und sie saß als lebloses Denkmal da. Der Stein war nicht weiß; die Seele hatte auf ihn abgefärbt.

      Iuppiter und Europa

      Sobald der Sohn der Atlastochter jenes Mädchen so für ihre Worte und für ihre unheilige Gesinnung bestraft hat, verläßt er das nach Pallas benannte Land, [835] schlägt mit den Flügeln und gelangt in den Himmel. Ihn ruft sein Vater beiseite und spricht zu ihm, ohne ihm den wahren Grund seines Auftrags, nämlich die Liebe, zu nennen: »Mein Sohn, du treuer Bote meiner Befehle, spute dich und gleite mit gewohnter Schnelligkeit vom Himmel hinab in das Land, das zum Gestirn deiner Mutter emporblickt und links von ihr liegt. [840] Die Eingeborenen nennen es Sidonis. Dorthin eile, und die königliche Rinderherde, die du dort in der Ferne Gebirgskräuter fressen siehst, lenke zur Küste!« Sprach’s, und schon sind die Jungstiere vom Berg vertrieben und ziehen, wie befohlen, zum Strand, wo die Tochter des großen Königs [845] in Begleitung junger Mädchen aus Tyros zu spielen pflegte. Schlecht vertragen sich Würde und Liebe; selten wohnen sie beisammen! Es trennt sich von seinem majestätischen Szepter der Vater und Herrscher der Götter, dessen rechte Hand mit dem dreizackigen Blitz bewaffnet ist. Der Gott, der durch sein Nicken die Welt erschüttert, [850] nimmt die Gestalt eines Stieres an, mischt sich unter die Jungstiere, muht und spaziert anmutig durch die zarten Gräser. Ist er doch weiß wie Schnee, in den noch keine harte Sohle ihre Spuren getreten hat und den kein regennasser Südwind schmelzen ließ. Der Hals strotzt vor Muskeln, am Bug hängen die Wammen, [855] die Hörner sind zwar klein, doch könnte man sie für kunstvolle Handarbeit halten, auch sind sie durchscheinender als reine Edelsteine. Die Stirn hat nichts Drohendes, das Auge nichts Furchterregendes, die Miene strahlt Frieden aus. Es staunt Agenors Tochter, daß er so schön ist, daß er nicht angriffslustig und bedrohlich wirkt. [860] Aber trotz seiner Sanftmut fürchtet sie sich zunächst, ihn anzurühren. Bald nähert sie sich ihm und hält ihm Blumen ans schneeweiße Maul. Da freut sich der Liebende, und in der Vorfreude auf die erhofften Wonnen küßt er ihr die Hände. Kaum, ja kaum kann er das Weitere noch aufschieben. Bald kommt er spielerisch auf sie zu, bald springt er im grünen Grase umher, [865] bald legt er seine schneeweiße Flanke in den gelben Sand. Und nachdem er ihr allmählich die Furcht genommen hat, läßt er sich bald die Brust von der Mädchenhand tätscheln, bald die Hörner mit frischen Girlanden umwinden. Es wagte die Königstochter sogar, ohne zu wissen, auf wem sie ritt, sich auf den Rücken des Stieres zu setzen. [870] Da strebt der Gott allmählich vom Festland und dem trockenen Strand hinweg und setzt seine Füße trügerisch ein wenig ins Wasser; dann entfernt er sich weiter und trägt seine Beute mitten über die Meeresfläche. Sie ängstigt sich und blickt, die Entführte, zum Strand zurück, den sie verlassen hat. Mit der Rechten hält sie ein Horn fest, [875] die andere Hand ruht auf dem Rücken. Das flatternde Kleid bauscht sich im Winde.

      Drittes Buch

      Cadmus

      Schon hatte der Gott die trügerische Stiergestalt abgelegt, sich zu erkennen gegeben und bewohnte wieder sein ländliches Kreta, als der Vater, der von nichts wußte, dem Cadmus befiehlt, die Geraubte überall zu suchen. Für den Fall, daß er sie nicht finde, droht er ihm obendrein die Verbannung als Strafe an. [5] So zeigt er sich in ein und derselben Tat liebevoll und grausam. Nachdem er den Erdkreis durchirrt hat – denn wer könnte Iuppiters Schlichen auf die Spur kommen? –, meidet Agenors Sohn als Verbannter Vaterland und Vaterzorn; als Schutzflehender sucht er Rat beim Orakel des Phoebus und fragt, in welchem Land er wohnen solle. [10] »Ein Rind wird dir«, sprach Phoebus, »auf einsamen Feldern begegnen; es hat noch kein Joch zu spüren bekommen und noch nie den krummen Pflug gezogen. Laß dich von ihm führen. Wo es dann im Grase ausruht, sollst du Mauern bauen und sie nach dem Rinde benennen.« Kaum ist Cadmus von der castalischen Grotte herabgestiegen, [15] da sieht er eine Kuh ohne Hirten langsam daherkommen, die kein Zeichen der Dienstbarkeit auf dem Nacken trägt; er folgt ihr nach, setzt mit verhaltenem Schritt die Füße in ihre Spuren und betet in der Stille zu Phoebus, der ihm diesen Weg gewiesen hat. Schon lagen das Bett des Cephisus und die Felder von Panope hinter ihm, [20] da blieb das Rind stehen, hob die mit hohen Hörnern geschmückte Stirn zum Himmel und ließ die Luft von seinem Gebrüll erzittern; dann blickte es sich nach den Begleitern um, die ihm nachfolgten, ließ sich nieder und legte die Flanke ins zarte Gras. Cadmus spricht ein Dankgebet, küßt die fremde Erde [25] und grüßt die unbekannten Berge und Fluren. Er wollte dem Iuppiter opfern; so schickt er Diener, aus einer lebendigen Quelle Wasser für ein Trankopfer zu holen.

      Dort war ein uralter Wald, den noch keine Axt verletzt hatte, und mitten darin eine Höhle hinter dichten Weidenruten. [30] Sie bildete ein niedriges Gewölbe aus fest gefügten Steinen und war reich an Quellwasser. Hier verbarg sich in der Grotte eine Schlange, die dem Mars heilig war. Ein goldener Kamm schmückt sie, Feuer sprühen die Augen, der Leib ist ganz von Gift geschwollen, drei Zungen blitzen hervor, in drei Reihen stehen die Zähne da. [35] Als die Männer aus Tyros diesen Hain mit unglückseligen Schritten betreten hatten und der Krug klirrte, den man ins Wasser senkte, reckte aus der tiefen Höhle die blaue Schlange ihren Kopf und ließ ein schreckliches Zischen ertönen. Schon sind die Krüge den Händen entglitten, das Blut weicht aus den Gliedern, [40] und ein plötzliches Zittern ergreift sie, als wären sie vom Donner gerührt. Der Drache aber schlingt sich in rollenden Windungen, bildet schuppige Ringe, im Sprung krümmt er sich zu unermeßlichen Bögen, und weit über die Mitte seines Körpers hinaus reckt er sich in die leichten Lüfte empor, blickt auf den ganzen Wald herab und ist so groß [45] wie die Schlange am Himmel zwischen den beiden Bären in ihrer vollen Länge. Und sofort packt der Lindwurm die Phönizier, gleichgültig, ob sie die Waffen oder die Flucht ergriffen oder ob gerade die Furcht beides verhinderte. Die einen tötet er durch seinen Biß, die anderen durch langewährende Umstrickung, wieder andere durch den Pesthauch des tödlichen Giftes.

      [50] Schon stand die Sonne am höchsten, und die Schatten waren klein geworden. Da wundert sich Agenors Sohn, warum seine Gefährten so lange nicht kommen, und geht ihren Spuren nach. Ihn schirmte ein Löwenfell, seine Waffen waren eine Lanze mit blinkender Eisenspitze, ein Wurfspieß und Mut, der besser ist als jede Waffe. [55] Kaum hat er den Wald betreten, die Leichen der Ermordeten erblickt und darüber den siegreichen Feind mit seinem Riesenleib, wie er mit blutiger Zunge schmerzliche Wunden beleckt, spricht er: »Entweder will ich euren Tod, meine Getreuesten, rächen oder mit euch sterben.« Sprach’s, hob mit der Rechten einen Felsen, groß wie ein Mühlstein, [60] und schleuderte den mächtigen Block mit mächtigem Schwung. Durch seinen Aufprall wären steile Mauern mit hohen Türmen ins Wanken geraten, doch die Schlange blieb unverletzt. Wie ein Panzer schützten sie die Schuppen und die harte schwarze

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