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einen Kuss. Lachend und glücklich genossen sie noch den Sonnenuntergang, bevor sie verschwanden.“

      „Eine schöne Geschichte“, sagte ich.

      „Da habe ich noch mehr!“, zwinkerte mir Martin zu und schwang sich weiter in Richtung Baumkrone. „An einen jungen Burschen erinnere ich mich noch sehr gut. Er kam damals mit einem Mädchen. Beide sehr schüchtern. Sie saßen auf der Bank, ein kleiner Abstand zwischen sich. Sie genossen den Sonnenuntergang. Ein paar schüchterne Worte, Blicke nur. Ich hüpfte leise herab und schlich mich hinter sie. Vorsichtig führte ich ihre Hände zueinander. Als sie sich berührten, blickten sie sich an und lächelten. Der Bursche rückte vorsichtig näher an sie heran. Langsam näherten sich ihre Lippen. Dann der erste Kuss!“

      Martin hüpfte zu mir herab. Er kletterte auf meine Schulter und machte es sich bequem. Nicht alle Geschichten, die er mir erzählte, gingen gut aus. Manche stritten sich auch. Trotz des wunderbaren Ausblicks. Aber so war das Leben. Es kam und ging wie die Jahreszeiten.

      „Komm, lass uns noch etwas klettern!“, rief Martin und war auch schon auf den Baum gehüpft.

      Ich lachte und kletterte hinterher. Ich schwang mich am untersten Ast hinauf. Glücklich ließ ich dann für eine Weile die Beine baumeln.

      „Was macht ein so hübsches Mädchen wie du da oben auf dem Baum?“ Die Stimme ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Martin hielt still. Er kannte den jungen Mann. Er war oft hier. Ein ebenso ruhiger Mensch wie Anna.

      Ich sprang herab. „Ron, was machst du hier?“

      Ron lächelte mich an. „Ich wollte einen besonderen Menschen an einem besonderen Ort treffen.“

      Martin hüpfte derweil leise in den Ästen herum, ohne dass wir es bemerkten.

      „Komm, setzen wir uns hin.“ Ron ließ sich auf die Bank fallen und guckte mich an. Schüchtern setzte ich mich zu ihm. Ich hatte ihn schon oft gesehen und er gefiel mir sehr. Auch Martin wusste das. Er hing im Ast über mir. Er passte auf mich auf.

      Ron legte den Arm um mich. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Martin lächelte. Ron passte einfach zu Anna. Jetzt musste er sie nur noch dazu bringen, einander zu küssen. Martin hüpfte herab.

      Ich atmete solange Rons Geruch ein. Er roch so gut ...

      Er beugte sich vor. „Weißt du, Anna, du bist etwas Besonderes und ich mag dich. Das wollte ich dir schon lange sagen.“

      Ich lächelte und schaute ihm in die dunkelgrünen Augen. Er beugte sich zu mir. Ich hatte ein wenig Angst. Aus dem Augenwinkel nahm ich Martin wahr. Er nickte und grinste über beide Ohren. Ich schaute in Rons Augen und lächelte. Dann küsste er mich.

      All meine Sehnsucht nach ihm, die heimlichen Blicke. Wie oft hatte ich mir das gewünscht? Er wollte mich gar nicht mehr loslassen.

      „Du bist mein Mädchen“, sagte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. So glücklich war ich schon lange nicht mehr gewesen.

      Martin hüpfte wieder auf die Äste hoch. Ich hatte ihm schon von Ron erzählt. Dass er meine Gefühle erwidern könnte, wäre mir im Traum nicht eingefallen. Er war der Typ Mädchenschwarm, den alle anbeteten und der im Normalfall die Schüchternen wie mich übersah. Martin lächelte. Er freute sich für Anna. Ein so nettes Mädchen hatte das verdient.

      Es war spät geworden. Auch uns gefiel der Sonnenuntergang. Und mir besonders Martins lebendige Erzählweise. Die Stille. Der sanft wehende Wind. Es war wunderschön hier. Ein Platz des Friedens, des glücklichen Seins. Hier war ich gern, hörte Martins Geschichten, genoss den Augenblick mit Ron.

      Ich war einer der wenigen Menschen, der die uralte Sprache der Bäume beherrschte. Das war toll. So viele Geschichten konnten sie erzählen. Man konnte viel von ihnen lernen, man musste ihnen nur genau zuhören und die richtigen Schlüsse aus ihren Erzählungen ziehen.

      Es wurde dunkel. Wir mussten gehen. Ron nahm meine Hand. Ein letzter Blick zurück. Ich entdeckte Martin auf einem Ast.

      „Ich komme wieder“, versprach ich ihm in Gedanken.

      Martin hüpfte vergnügt auf und ab, als hätte er mich verstanden. Wehmütig wandte ich mich ab. Die Sonne war fast verschwunden. Martin schaute uns nach und verschwand dann im Inneren des Baumes. Ein letztes Knarzen, dann war es ruhig. Nun stand der Baum starr und still. Wie ein ganz normaler Baum.

      Langsam und glücklich machten Ron und ich uns auf den Heimweg.

      Ann-Katrin Zellner ist 20 Jahre alt. Sie wohnt in Nürtingen und ihre erste Veröffentlichung war 2011 in der Krimizimmerei von Papierfresserchens MTM-Verlag. Trotz Ausbildung, Nebenjob und eigenem Haushalt findet sie noch Zeit zum Schreiben, meist Gedichte oder Kurzgeschichten. Angefangen hat sie damit 2008. Ansonsten spielt sie Akkordeon, liest gerne Krimis und Thriller, hört Musik und unternimmt etwas mit ihrem Freund oder ihrer Familie.

      *

      Eines Apfels Tod und Auferstehung

      Ein Schnabel den Apfel attackiert,

      bis dieser Teile der Schale verliert

      und wie Püree sein Fruchtfleisch zerfällt,

      weil es nicht länger dem Schnabel standhält.

      Des Apfels Leben ist kurz und trist,

      denn ’ne Made ihn von innen auffrisst,

      die sich von ihm so viel einverleibt,

      bis ihm nur noch sein Gehäuse bleibt.

      Der Apfel fühlt sich total gestresst,

      denn ihm bleibt nur ein kümmerlicher Rest

      und auf dem machen sich Fliegen breit;

      fast abgelaufen ist des Apfels Zeit.

      Tief versinken in feuchter Erde

      des dahinscheidenden Apfels Kerne,

      aus denen mit der Zeit entstehen

      Apfelbäume, herrlich anzusehen.

      Ingrid Baumgart-Fütterer (*1954) ist seit über 30 Jahren Lehrerin für Pflegeberufe. Seit fast 25 Jahren ist sie bereits verheiratet, hat aber keine Kinder. Dafür ist sie Besitzerin von drei Katern, über deren Streiche schon etliche Gedichte und Geschichten entstanden sind. Ihre Hobbys sind Malen, Lesen, Gedichte und Geschichten schreiben, Fahrradfahren, Schwimmen und Wandern. Bis jetzt hat sie zahlreiche Artikel in Pflegefachzeitschriften und Gedichte und Geschichten in diversen Anthologien veröffentlicht.

      *

      Ein Hase, ein Bär und ein Apfel

      In einem Wald – zwischen Buchen und Tannen – lebten Hase und Bär. Die zwei waren gute Freunde. Trotz des riesigen Größenunterschieds.

      Aber ein Problem gab es. Den Hasen ärgerte es, dass der Bär oft Schabernack mit ihm trieb. Zum Beispiel: Wenn der Bär mal schmutzige Tatzen hatte, nahm er den Hasen und putzte sie sich an dessen Fell ab, sodass sich der Hase im nahen See gleich waschen musste. Deshalb überlegte dieser schon lange, was er dagegen machen könnte.

      Der Hase hoppelte überlegend von seinem Hasenbau im Wald auf eine große Wiese mit vielen Bäumen. Neben der Wiese waren auch Gärten mit Allerlei zum Naschen. Als er so in Gedanken hoppelte, sah er unter einem Apfelbaum wunderschöne rote Äpfel liegen.

      Da kam ihm die Idee!

      Er nahm den schönsten zwischen seine Pfoten und polierte ihn mit seinem Fell, bis er glänzte, funkelte und strahlte. Dann hoppelte der Hase in einen Garten und stibitzte eine kleine, aber ganz scharfe Paprikaschote. Er machte mit seinen Hasenzähnen auf einer Seite ein Loch in den Apfel, um die Paprikaschote darin zu verstecken. Danach legte er den präparierten Apfel auf den Weg, den

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