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und bellte in die Luft: »Nennt ihr das eine Hütte, ihr Landstreicher? Seht ihr nicht, dass es ein großes Schloss aus Stein ist? Seht ihr nicht die schönen Mauern, die vielen Fenster und die großen Tore und die prächtige Terrasse, wau, wau, wau? Nennt ihr das etwa eine Hütte? Seht ihr nicht den Hof, seht ihr nicht den Garten, seht ihr nicht die Gewächshäuser, seht ihr nicht die Marmorfiguren? Nennt ihr das etwa eine Hütte? Haben denn Hütten einen Park mit Buchengehölzen und Haselnusssträuchern und Wiesen mit Laubbäumen und Eichenwäldchen und Tannenwäldchen und einen Tiergarten, der voller Rehe ist, wau, wau, wau? Nennt ihr das etwa eine Hütte? Habt ihr schon einmal eine Hütte erlebt, die um sich herum so viele Wirtschaftsgebäude hat, dass es wie ein ganzes Dorf aussieht? Wie viele Hütten kennt ihr denn, die eine eigene Kirche und ein eigenes Pfarrhaus haben und über Herrenhäuser und Bauernhöfe und Pachthöfe und Landarbeiterkaten gebieten, wau, wau, wau? Nennt ihr das etwa eine Hütte? Zu dieser Hütte gehört das größte Gut von Schonen, ihr Lumpenpack! Jeder Zipfel Erde, den ihr seht, ihr Wolkenhänger, ist dieser Hütte untertan, wau, wau, wau!«

      All das bellte der Hund in einem Atemzug heraus, und die Gänse kreisten währenddessen über dem Hof und hörten ihm zu, bis er eine Pause machen musste. Dann aber schrien sie: »Warum bist du denn so böse? Wir haben doch nicht nach dem Schloss gefragt, sondern nur nach deiner Hundehütte.«

      Die Wildgänse flogen nun zu einem der großen Felder östlich vom Schloss, um Graswurzeln zu knabbern, und hielten sich dort mehrere Stunden auf.

      Als sie endlich satt waren, zogen sie wieder hinunter zum See und spielten und vergnügten sich dort bis gegen Mittag. Sie forderten den weißen Gänserich zum Vergleich in allen möglichen Sportarten heraus und schwammen, liefen und flogen mit ihm um die Wette. Der große Zahme tat sein Bestes, wurde von den schnellen Wildgänsen jedoch stets geschlagen. Der Junge saß die ganze Zeit auf seinem Rücken und feuerte ihn an und hatte genauso viel Spaß wie die anderen. Alle schrien und lachten und schnatterten, und es war ein Wunder, dass die Leute vom Herrensitz sie nicht hörten.

      Eines Tages sagte Akka zu dem Jungen, er laufe allzu leichtsinnig im Park herum. Ob er denn nicht wisse, dass er sich bei seiner geringen Größe vor vielen Feinden vorzusehen habe. Nein, davon hatte er keine Ahnung, und nun begann Akka, ihm alle diese Feinde aufzuzählen.

      »Wenn du im Wald bist«, sagte sie, »dann musst du dich vor Fuchs und Marder in Acht nehmen. Am Ufer des Sees musst du an Fischotter denken. Wenn du auf der Steineinfriedung sitzt, dann darfst du das Wiesel nicht vergessen, das durch das kleinste Loch schlüpfen kann, und wenn du dich in einem Laubhaufen schlafen legst, musst du zuerst untersuchen, ob nicht die Kreuzotter darin schläft. Sobald du aufs freie Feld hinauskommst, musst du ein Auge auf Habicht und Bussard, auf Adler und Falken haben, die hoch in den Wolken schweben. Im Haselgebüsch kann dich der Sperber fangen. Elstern und Krähen gibt es überall, und denen darfst du nicht allzu sehr trauen. Und sobald die Dämmerung hereinbricht, musst du die Ohren spitzen und auf die großen Eulen lauschen, deren Flügelschlag so lautlos ist, dass sie dich erreicht haben können, bevor du sie bemerkst.«

      Als der Junge hörte, dass ihm so viele Feinde nach dem Leben trachteten, hielt er seine Lage für vollkommen hoffnungslos. Vor dem Sterben fürchtete er sich nicht so sehr, aber er hatte keine Lust, aufgefressen zu werden. Deshalb fragte er Akka, was er tun könne, um sich vor den Raubtieren zu schützen.

      Akka antwortete sogleich, er müsse versuchen, sich mit dem Volk der kleinen Tiere in Wald und Flur gut zu stellen – mit Eichhörnchen und Hasen, mit Finken und Meisen und Spechten und Lerchen. Wenn er sie zu Freunden hätte, könnten sie ihn vor Gefahren warnen, könnten ihm Schlupfwinkel zeigen und sich in der größten Not zusammentun und ihn verteidigen.

      Doch als der Junge ein paar Stunden später diesen Rat befolgen wollte und sich an Sirle, das Eichhörnchen, wandte, um seinen Beistand zu erbitten, schlug es ihm diese Bitte ab. »Du hast weder von mir noch von den anderen kleinen Tieren etwas Gutes zu erwarten«, sagte Sirle. »Glaubst du, wir wissen nicht, dass du Nils, der Gänsejunge, bist, der im vorigen Jahr Schwalbennester heruntergerissen, Stareneier zerschlagen, Krähenjunge in Mergelgruben geworfen, Drosseln in Schlingen gefangen und Eichhörnchen eingesperrt hat? Du musst dir schon selber helfen, so gut du kannst, und froh sein, wenn wir uns nicht gegen dich verbünden und dich zurück nach Hause jagen.«

      In früheren Zeiten, als er noch Nils, der Gänsejunge, war, hätte er eine solche Antwort gewiss nicht ungestraft gelassen, jetzt aber fürchtete er nur, dass auch die Wildgänse erfahren könnten, wie viel Schlimmes er getan hatte. Seitdem er in ihrer Gesellschaft war, hatte er sich nicht den kleinsten Streich erlaubt. Er hatte kein einziges Vogelnest zerstört, hatte nicht eine Feder aus einem Gänseflügel gerupft und hatte jeden Morgen, wenn er Akka begrüßte, die Mütze abgenommen und sich verbeugt.

      Das Eichhörnchenweibchen

      Donnerstag, den 24. März

      In ebendiesen Tagen trug es sich zu, dass in einem Haselstrauch am Ufer des Vombsees ein Eichhörnchenweibchen gefangen und zu einem nahegelegenen Bauernhof gebracht wurde. Alle Leute auf dem Hof, junge und alte, freuten sich über das hübsche kleine Tier mit dem buschigen Schwanz, den klugen, neugierigen Augen und den zierlichen Füßchen. Sofort wurde ein alter Eichhörnchenkäfig zurechtgemacht und mit einem grüngestrichenen Häuschen und einem Rad aus Stahldraht ausgestattet. Das Häuschen hatte Tür und Fenster und sollte dem Tier als Ess- und Schlafzimmer dienen. Sie bereiteten ihm darin aus Laub ein Lager und gaben ihm eine Schale Milch und ein paar Nüsse. Mit dem Rad aus Stahldraht sollte das Tier spielen, sollte darin laufen, klettern und sich herumschwingen.

      Die Leute glaubten, sie hätten dem Eichhörnchen alles bestens eingerichtet, und wunderten sich, dass es sich trotzdem nicht wohlzufühlen schien. Es saß nur traurig und missmutig in einer Ecke seiner Kammer, rührte weder Milch noch Nüsse an und drehte das Rad kein einziges Mal herum. »Sicher hat es Angst«, sagten die Leute vom Bauernhof. »Morgen, wenn es sich eingewöhnt hat, wird es auch fressen und spielen.«

      Nun waren die Frauen auf dem Bauernhof gerade mit den Vorbereitungen zu einem Festschmaus beschäftigt. An dem Tag, als das Eichhörnchen gefangen wurde, waren sie bei der großen Bäckerei und mussten noch lange nach Einbruch der Dunkelheit arbeiten.

      Es gab aber im Haus ein altes Mütterchen, das zu hinfällig war, um noch beim Backen zu helfen. Obwohl sie das selbst wusste, fand sie es schlimm, von allem ausgeschlossen zu sein. Weil sie traurig war, ging sie nicht schlafen, sondern setzte sich ans Wohnzimmerfenster und schaute hinaus. Durch die Küchentür, die wegen der Wärme geöffnet war, fiel ein heller Lichtschein auf den Hof. Der war viereckig gebaut und wurde so gut beleuchtet, dass die Alte Risse und Löcher im Putz der Mauer gegenüber erkennen konnte. Sie sah auch den Eichhörnchenkäfig, der gerade dort hing, wo das Licht am hellsten war, und sie bemerkte, dass das Tier unentwegt von seiner Kammer zum Rad und vom Rad in seine Kammer lief, ohne sich einen einzigen Augenblick auszuruhen. Sie fand diese Unruhe merkwürdig, doch sie glaubte natürlich, das Eichhörnchen könne wegen des grellen Lichtscheins nicht schlafen.

      Der Hof hatte zwischen Kuhstall und Pferdestall einen breiten, überdachten Torweg, und auch der war beleuchtet. Als nun eine Zeit vergangen war, sah das Mütterchen einen winzigen Knirps leise und vorsichtig durch den Torweg auf den Hof geschlichen kommen. Er war nicht mehr als eine Handbreit groß, trug aber Holzschuhe und Lederhosen wie jeder andere Arbeitsmann. Das alte Mütterchen hielt ihn für den Kobold des Hofs und fürchtete sich nicht im Geringsten.

      Als der Kobold den gepflasterten Hofplatz erreicht hatte, lief er spornstreichs zum Eichhörnchenkäfig, der jedoch so hoch hing, dass er ihn nicht erreichen konnte. Deshalb holte er sich aus dem Geräteschuppen eine Rute, stellte sie gegen den Käfig und kletterte daran empor, wie ein Seemann an einem Tau. Oben angelangt, begann er an der Tür des grünen Häuschens zu rütteln, als wollte er sie öffnen. Das alte Mütterchen blieb jedoch ruhig sitzen, denn sie wusste, dass die Kinder ein Vorhängeschloss daran angebracht hatten. Als der Kobold die Tür nicht aufbekam, sah die Alte, dass das Eichhörnchenweibchen hinaus in das Rad eilte und dort lange mit seinem Besucher beriet. Nachdem der Kobold alles gehört hatte, was das gefangene Tier ihm anvertrauen wollte, rutschte er an der Rute wieder hinunter und lief zum Tor hinaus.

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