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        Nachwort

        Zeittafel

      Der Junge

      Der Kobold

      Sonntag, den 20. März

      Es war einmal ein Junge. Er war etwa vierzehn Jahre alt, lang, dünn und flachshaarig und ein rechter Taugenichts. Am liebsten schlief und aß er, und dann machte er gern dumme Streiche.

      Eines Sonntagmorgens wollten seine Eltern den Gottesdienst besuchen und machten sich dazu bereit. Der Junge saß derweil in Hemdsärmeln auf der Tischkante und freute sich, dass sie nun bald das Haus verließen. »Da kann ich mir Vaters Flinte herunterholen und einen Schuss abfeuern, ohne dass mich jemand stört«, dachte er.

      Doch es schien fast, als hätte der Vater die Gedanken seines Sohns erraten, denn gerade als er davongehen wollte, drehte er sich noch einmal um. »Wenn du schon nicht mit uns in die Kirche willst, könntest du wenigstens die Predigt zu Hause lesen, finde ich. Versprichst du mir das?«

      »Ja«, sagte der Junge sofort. Doch natürlich nahm er sich vor, nur so viel zu lesen, wie er Lust hätte.

      Noch nie hatte der Junge seine Mutter so schnell laufen sehen. Im Nu war sie am Bücherbord, nahm Luthers Postille heraus, legte sie auf den Tisch am Fenster und schlug die Predigt des Tages auf. Dann schob sie den großen Lehnstuhl heran, in dem sonst keiner als Vater sitzen durfte.

      Der Junge hielt es für übertrieben, dass sich seine Mutter mit diesen Vorbereitungen so viel Mühe machte, denn mehr als ein oder zwei Seiten wollte er gar nicht lesen. Da aber schien ihn sein Vater ein zweites Mal zu durchschauen. »Dass du auch ja ordentlich liest!«, sagte er in strengem Ton. »Wenn wir zurückkommen, frage ich dich jede Seite ab, und wehe du hast eine übersprungen, dann soll es dir schlecht ergehen!«

      »Die Predigt ist vierzehn und eine halbe Seite lang«, sagte die Mutter, wie um das Maß vollzumachen. »Wenn du das alles schaffen willst, musst du dich wohl sofort daransetzen.«

      Dann brachen sie endlich auf, und als der Junge in der Tür stand und ihnen nachsah, war ihm zumute, als säße er in einer Falle. »Da gehen sie und beglückwünschen sich wohl dazu, dass ich die ganze Zeit, wo sie weg sind, über der Predigt hocken muss«, dachte er.

      Doch seine Eltern beglückwünschten sich ganz gewiss nicht, im Gegenteil, sie hatten großen Kummer. Sie waren arme Kätner, und ihr Besitz war nicht viel größer als ein kleiner Garten. Als sie hierhergezogen waren, hatten sie zuerst nicht mehr als ein Schwein und ein paar Hühner füttern können. Doch weil sie ungewöhnlich fleißige und tüchtige Leute waren, hielten sie jetzt auch Kühe und Gänse. Sie waren gewaltig vorangekommen, und sie wären an diesem schönen Morgen froh und zufrieden zur Kirche gewandert, hätten sie nicht an ihren Sohn denken müssen.

      Der Vater klagte, der Junge habe in der Schule nichts lernen wollen und sei ein solcher Nichtsnutz, dass man ihn höchstens zum Gänsehüten gebrauchen könne. Die Mutter bestritt die Wahrheit seiner Worte nicht, doch sie bekümmerte am meisten, dass der Junge wild und ungezogen war, grausam zu Tieren und gemein zu Menschen. »Möge ihm Gott die Bosheit austreiben und einen anderen Sinn geben!«, sagte sie. »Sonst wird er sich und uns ins Unglück stürzen.«

      Der Junge überlegte eine lange Zeit, ob er die Predigt nun lesen sollte oder nicht. Dann aber sagte er sich, dass es diesmal wohl am besten sei, den Eltern zu gehorchen. Er setzte sich in den Lehnstuhl und fing an zu lesen. Doch als er das eine Weile getan hatte, merkte er, dass ihm der Kopf schwer wurde.

      Draußen war das allerschönste Frühlingswetter. Zwar war das Jahr nicht weiter als zum 20. März gekommen, aber der Junge wohnte in der Gemeinde West-Vämmenhög, tief unten im südlichen Schonen, und dort war der Frühling schon voll im Gang. Grün war es draußen noch nicht, doch es war frisch, und die Knospen sprießten. Alle Gräben waren voller Wasser, und der Huflattich am Grabenrand stand in Blüte. Alle Sträucher auf der Steineinfriedung des Hofes waren braun und blank geworden. Durch die angelehnte Haustür war das Tirilieren der Lerchen bis in die Stube zu hören. Hühner und Gänse liefen draußen herum, und hin und wieder muhten die Kühe, denn sie spürten die Frühlingsluft bis in ihre Verschläge.

      Und der Junge las und nickte und kämpfte gegen die Müdigkeit. Doch es ging, wie es ging, er wurde vom Schlaf übermannt.

      Er hatte noch nicht lange geschlafen, da erwachte er von einem leisen Geräusch im Hintergrund. Auf dem Fensterbrett vor ihm stand ein kleiner Spiegel, in dem fast das ganze Zimmer zu sehen war. Als der Junge nun den Kopf hob und sein Blick auf den Spiegel fiel, entdeckte er, dass jemand den Deckel von Mutters Truhe aufgeschlagen hatte.

      Seine Mutter besaß eine große Truhe aus Eichenholz mit eisernen Beschlägen, die niemand als sie selbst öffnen durfte. Darin verwahrte sie alte Bauerntrachten und schwere Silberspangen, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte und die sie besonders sorgfältig hütete.

      Jetzt sah der Junge im Spiegel ganz deutlich, dass der Deckel der Truhe offen stand. Das war ihm unbegreiflich, denn Mutter hatte die Truhe geschlossen, bevor sie gegangen war. Es wäre ihr ganz gewiss nicht passiert, die Truhe offen zu lassen, wenn er sich allein im Haus aufhielt.

      Ihm wurde richtig unheimlich zumute. Vielleicht hatte sich ein Dieb ins Haus geschlichen?

      Während er vor dem Spiegel saß und hineinstarrte, bemerkte er mit Verwunderung, dass über den Rand der Truhe ein schwarzer Schatten fiel. Er guckte und guckte und wollte seinen Augen nicht trauen. Doch was er anfangs für einen Schatten gehalten hatte, wurde immer deutlicher, und bald erkannte er, dass es etwas Wirkliches war. Tatsächlich, es war ein Kobold, der rittlings auf dem Rand der Truhe saß.

      Von Kobolden hatte der Junge zwar schon gehört, doch niemals hätte er sich vorgestellt, dass sie so klein sein könnten. Der da auf dem Truhenrand saß, war höchstens eine Handbreit groß. Er hatte ein altes, runzliges, bartloses Gesicht, trug einen langen schwarzen Rock, Kniehosen, einen schwarzen Hut mit breiter

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