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noch immer nicht die Oberin des Internats angerufen.«

      »Weshalb wollten Sie das?« wunderte sich Hohenried.

      »Ich habe einen Verdacht«, flüsterte Buchner geheimnisvoll. »Die Komteß erhielt nie Antwort auf ihre Briefe, so daß sie glaubte, auch dort würden alle sie nur ablehnen wegen ihres Gebrechens. Und ich vermute, daß man die Briefe an sie abgefangen hat, falls man ihre überhaupt losschickte.«

      »Da können Sie durchaus recht haben«, pflichtete Hohenried ihm bei. Was hatte er da aufgerührt. Er vermochte es kaum zu fassen. »Sie sehen, Herr Buchner, ich muß unbedingt mit der Komteß sprechen.«

      Buchner stimmte natürlich lebhaft zu. Besonders, weil er den Eindruck hatte, sein Besucher sei sehr an der Komteß interessiert. Und keineswegs nur geschäftlich.

      »Ich werde ihr alles erzählen. Und dann ruft entweder sie selbst an oder ich melde mich bei Ihnen«, versprach er. »Aber so leid es mir tut, ich muß jetzt wirklich wieder das Geschäft öffnen.«

      *

      »Oh, Gertrud, meine Liebste! Gerade habe ich an dich gedacht«, verkündete Sofie Baronin Kaltenberg, als sich Frau von Hohenried am Telefon meldete. »Wie geht es euch denn? Meine Güte, wenn ich daran denke, wie du und Otto vor fast fünfzig Jahren geheiratet habt. Ach, was war das für eine Zeit – trotz aller Armut. Und wie jung wir waren und wie glücklich, noch einmal davongekommen zu sein. Erinnerst du dich, ich war damals eine deiner Brautjungfern, und dann fing ich deinen Strauß und heiratete bereits ein Jahr später.«

      Gertrud kannte die Geschichte in- und auswendig. Sie wartete nur ab, bis Sofie einmal Atem holte. Sie hatte ein Atemvolumen, um das jede Sängerin sie beneidet hätte. Sie überlegte, ob sie Sofie nach ihrem Befinden fragen sollte, fürchtete aber, dann wieder erst einmal eine Ewigkeitsgeschichte zu hören und fragte deshalb, alle Höflichkeit außer acht lassend: »Sag mal, die Sternheims…«

      »Ach, die Sternheims. Nun, da gibt es ja keine mehr. Ein Jammer, so eine gute, alte Familie. Diese gräßliche Roswitha hat ja den Rüdiger Herrenberg geheiratet, nachdem er seine erste Frau ins Grab gebracht hat. Die beiden passen gut zusammen. Und natürlich haben sie sich das ganze Sternheimsche Vermögen unter den Nagel gerissen, dank dem die bei Gott unansehnliche Britta – du liebe Zeit, ich habe nichts gegen das Mädchen! Aber du verstehst schon…« Sie wartete nicht ab, ob Gertrud verstand, sondern fuhr fort: »Also, sie hat meiner armen Juliane den Ekbert Holsten ausgespannt. Natürlich nur mit ihrem Geld. Und ich sagte Juliane, daß es um so einen käuflichen Patron ohnehin nicht schade ist – aber das arme Ding heult sich die Augen aus und glaubt, nie wieder so etwas Kostbares zu finden…«

      »Das tut mir sehr leid für Juliane und euch alle. Aber du hast ganz recht…« Unseligerweise hatte Gertrud das Gefühl gehabt, in diesem Fall doch auf den Schicksalsschlag der Kaltenbergs eingehen zu müssen.

      »Nicht wahr, das findest du auch? Gräßlich, diese Herrenbergs! Bestimmt ist der arme Robert, der ja schrecklich gutmütig war, an der Kälte dieser Frau gestorben…« Sie bekam einen Hustenanfall und mußte ihren Redefluß für einen Moment unterbrechen. Gertrud nützte die Gelegenheit.

      »War da bei den Sternheims nicht eine Tochter?«

      »Ach Gott, ja, das arme Ding! Es kam mit einem zu kurzen Bein auf die Welt, wofür es natürlich nichts konnte, aber Roswitha wollte deshalb nichts von ihr wissen. Außerdem – aber bitte, das bleibt unter uns –«, als ob irgend etwas geheim bliebe, wenn Sofie es wußte, »also, die Kleine, wie hieß sie doch gleich – ach ja, Angelina – Robert war ja ganz verknallt in sie, aber er durfte es natürlich nicht zeigen und deswegen wollte er es auch nicht wahrhaben.« Sie schnappte nach Luft.

      »Was wollte er nicht wahrhaben?« fragte Gertrud ganz interessiert.

      »Aber Liebste, das gibt es doch nicht, daß du das nicht weißt! Das Mädchen ist geistig zurückgeblieben. Ich weiß nicht, wo man sie inzwischen hingesteckt hat. Wahrscheinlich in irgendein Heim. Armes Ding! Erst das Bein und dann auch noch der Verstand.«

      »Danke, Sofie«, warf Gertrud ein, bevor sie wieder zu Atem kam. »Mich interessierte es wegen der Einladungen zu unserer Goldenen Hochzeit.«

      »Hach, wie reizend! Dürfen wir auch darauf hoffen?«

      »Aber selbstverständlich!«

      »Auch meine Kinder?«

      »Das ist doch klar, da brauchst du gar nicht zu fragen. Ich wollte nur wissen, ob ich diese Angelina auch dazu einladen muß.«

      »Du bittest die Herrenbergs?« Es klang empört.

      »Vielleicht. Ich weiß es noch nicht. Zudem macht das alles Ansgar, und mein Mann und ich tun so, als würden wir nichts von den Vorbereitungen merken.«

      »Gott, wie süß. Und Ansgar? Kann er sich noch immer nicht entschließen?«

      Gleich bietet sie ihm Juliane an, dachte Gertrud. Sie war zwar schweigsam, schon, weil neben ihrer Mutter niemand zum Reden kam, trotzdem wünschte sie Ansgar keine Schwiegermutter wie diese allwissende Sofie.

      »Ihr hört demnächst von uns – oder richtiger: von Ansgar«, sagte Gertrud deshalb rasch. »Entschuldige, wir haben natürlich eine Unmenge Vorbereitungen.« Sie legte schnell auf, bevor das Maschinengewehr, wie Otto Sofie nannte, wieder losprasselte.

      Uff! Das arme Ding! Aber dann mußte das Mädchen, das Ansgar getroffen und das ihn so tief beeindruckt hatte – auch wenn er es natürlich nicht zugab – jemand anderes sein. Es gab ja genug Komtessen und Baronessen. Vielleicht hieß sie ähnlich, denn, da hatte Sofie recht, die Sternheims waren mit Robert ausgestorben, wenn man von dem armen Wurm absah.

      Dann fiel ihr ein, daß Ansgar auch etwas von einem orthopädischen Schuh erwähnt hatte… Nun, auch da gab es leider genug, die mit so einem Übel geschlagen waren.

      Sie hörte auf dem Gang die Stimme ihres Sohnes. Eilig lief sie zur Tür.

      »Ansgar, ich muß dich sprechen.«

      »Das dachte ich mir. Deshalb bin ich ja hier.« Er lachte, offensichtlich sehr zufrieden.

      »Hat es mit dem Vertrag geklappt?« Sie freute sich, weil er so befriedigt aussah.

      »Ja. Teuer, aber in Ordnung.«

      »Du, ich habe inzwischen mit Sofie Kaltenberg telefoniert.«

      »Ach, du lieber Himmel!« Ansgar war sichtlich wenig erbaut. »Was hast du ihr denn gesagt?«

      »Ich habe mich wegen dieser Angelina Sternheim erkundigt.«

      »Ach, Mama, warum hast du es nicht gleich über das Fernsehen verkündet?«

      Sie sah ihn amüsiert an.

      »Wieso? Gibt es denn etwas zu verkünden?«

      »Quatsch. Also, was hast du mit dieser Klatschbase besprochen?«

      »Ich sagte, wegen der Gästeliste zu unserer Goldenen Hochzeit…« Erschrocken brach sie ab. Ansgar lachte.

      »Es war mir schon längst klar, daß Papa und du bemerkt habt, wie wir in Vorbereitungen schwelgen. Aber bitte, tut weiter so, als würdet ihr keine Ahnung haben.«

      »Sehr einverstanden. Dann muß ich nicht mitwirken«, erwiderte seine Mutter vergnügt. »Aber bitte, vergiß Sofie plus Familie nicht. Die gräßliche Tochter des gräßlichen Herrenbergs, der Roswitha Sternheim geheiratet hat, hat ihr nämlich den Verlobten weggeschnappt.«

      »Soll sie froh sein. Der Holsten ist ein Waschlappen.«

      »Na schön, jedenfalls sagte sie mir, daß die Tochter von Robert Sternheim geistig und körperlich behindert sei und von ihrer Mutter wohl in ein Heim gegeben wurde.«

      Sie erschrak, weil Ansgar totenbleich wurde.

      »Um Gottes willen, Ansgar!«

      Er gab keine Antwort, drehte sich nur auf dem Absatz um und verließ den hübschen Barocksalon seiner Mutter.

      Was hatte

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