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wirklich guter Witze, die wir kennen, lässt sich leicht auf jüdischen Ursprung zurückverfolgen. Der Individualpsychologe Freud hat sich um diese Seite der Frage wenig gekümmert. Doch sind die meisten von ihm zitierten Witzbeispiele dem jüdischen Bereich entnommen. Auch dass er selber, der Analytiker des Witzes, Jude war, empfand er bestimmt nicht als Zufall.“ (Landmann, 1960, S. 33–34)

      Dem streitbaren und brillant formulierenden Autor ist in vielen Punkten zuzustimmen: Salcia Landmann gibt Witze als jüdisch aus, die keine jüdischen Witze sind. „Einfach dadurch, dass man einen Popen oder einen Dorfpfarrer zum Rabbiner macht, werden russische, polnische oder böhmische Geschichten noch nicht jüdisch.“ (Torberg, Wai, S. 60) Salcia Landmann habe mit ihrer Sammlung den jüdischen Witz als solchen zur Unkenntlichkeit verstümmelt. „Sie hat ihn, wai geschrien, ermordet.“ (Torberg, Wai, S. 65) Torberg vermutet, dass „dieses schnöde Machwerk“ deshalb zu einem Bestseller werden konnte, weil es den Lesern „das Gefühl gibt, sie haben die Vergangenheit bewältigt und haben sich dabei auch noch gut unterhalten“. Obwohl es nicht ihre Absicht gewesen sei, habe sie dem Antisemitismus Vorschub geleistet. „Diese Unempfindlichkeit, die fundamentale Gefühl- und Instinktlosigkeit gegenüber allem, aber auch wirklich allem, was das Wesen des jüdischen Witzes ausmacht, musste zwangsläufig zum antisemitischen Effekt des Buches führen.“ (Torberg, Wai, S. 56)

      Im Jahr 1971 erschien im Berliner Colloquium Verlag das Buch Der echte jüdische Witz. Der Autor, Jan Meyerowitz, geboren in Breslau, war in die USA emigriert und hatte sich als Komponist, Dirigent, Pianist einen Namen erworben. Meyerowitz teilte Torbergs Kritik, ja er verschärfte sie sogar. Die „Soziologie und Sammlung“ jüdischer Witze – so der Untertitel von Landmanns Buch – sei „der Aufgabe so ziemlich alles schuldig geblieben, und die weite Verbreitung des Buches ist ein großes, vielleicht unreparierbares Missgeschick. Wir würden gar nicht darüber reden, wenn es nicht eine solche historische Entgleisung wäre.“ Die einzige protestierende Stimme, jene Friedrich Torbergs, dürfte wirkungslos verhallt sein. „Auf viele Juden hat die ‚Soziologie und Sammlung‘ jedenfalls fast so abstoßend und schmerzlich gewirkt wie so manches in der Nazizeit Geschriebene …“ Salcia Landmann habe bei der Auswahl der Witze wenig Takt bewiesen. „Ihre besondere Vorliebe gehört anscheinend dem oft sehr unglücklich wirkenden Witz über die verschmutzten Gettos und der Einwohner und über jüdische Gaunereien.“ Viele dieser hässlich wirkenden Witze seien „echt“, also weder antisemitischer Herkunft noch unjüdisch, doch dürfen sie heute „keinesfalls ohne sorgfältige historische und psychologische Erklärung im Druck erscheinen“. (Meyerowitz, S. 13–15)

      Meyerowitz spricht damit das Hauptproblem des Buches an. Der erste Teil mit dem Titel Einleitung enthält die historischen und psychologischen Erklärungen, der zweite Teil ist die Witzesammlung. Wer in dieser blättert, ohne die Einleitung gelesen zu haben, erfährt nichts über den Hintergrund. Meyerowitz hingegen hat einen durchgeschriebenen Text abgeliefert, in den die Witze als Belege eingebaut sind.

      Salcia Landmann hat als Reaktion auf ihr Buch unzählige Witze von Juden aus aller Welt geschickt bekommen. Im Jahr 1972 veröffentlichte sie einen Ergänzungsband. Im Vorwort wies sie darauf hin, dass ihr erstes Buch über den jüdischen Witz mit Begeisterung aufgenommen worden sei. „Mit dem wachsenden Erfolg des Buches, es liegt heute in verschiedenen Ausgaben in über 500.000 Exemplaren vor, kamen natürlich auch Angriffe. Etliche aus den ehemaligen jüdischen ‚Witzezentren‘ – also Wien, Berlin etc. – aus der Feder jüdischer Kollegen. Sie übersahen unter anderm, dass es hierfür ziemlich solider Kenntnisse der jüdischen Geistestradition bedarf.“ Was Torberg als Problem des Buches ansah, definiert sie als seine Stärke. „Man empfand es als einen Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschen und Juden. Man war erleichtert, nach den fürchterlichen Vorgängen der Nazizeit endlich auch wieder anders als nur mit Schreck und Gram an die Juden Europas denken zu dürfen.“ (Landmann, 1972, S. 7) Ihr ging es darum, möglichst viele Witze zu sammeln und für die Nachwelt zu dokumentieren; sie veröffentlichte im Anhang ihrer späteren Bücher Listen der „Spender von Witzen“.

      In einem entscheidenden Punkt geht Torbergs Kritik ins Leere. Er klassifiziert die kurzen Sprachwitze in der Landmann’schen Sammlung als „die ödesten Kalauer“ (Torberg, Wai, S. 56). Auch die „Schirm-Scharm“-Witze, auf die ich später zurückkommen werde (siehe S. 98, S. 203), missfallen ihm.

      Torberg hat diese Sprachwitze nicht gemocht und als witzlos abgetan, das ist sein gutes Recht. Aber er hat übersehen, dass sie spezifisch jüdisch sind und in einem Buch über den jüdischen Witz nicht fehlen dürfen. Armin Berg, den Torberg geschätzt und immer wieder lobend erwähnt hat, trug genau solche Witze unter dem Jubel des Publikums vor.

      Torberg hatte sich schon Mitte der 1970er Jahre einem verwandten Thema gewidmet, den Anekdoten aus dem jüdischen Milieu. Sein Buch Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten sollte ein ebenso großer Bestseller wie Salcia Landmanns Witzesammlung werden, wobei sich auch Torberg einige Schlampigkeitsfehler zuschulden kommen ließ.

      Für mein Buch Die Tante Jolesch und ihre Zeit studierte ich in der Handschriftensammlung der Nationalbibliothek den Briefwechsel Torbergs mit Zeitgenossen. Gewissenhafte Leser seines Anekdotenbandes wiesen ihn auf zahlreiche Irrtümer hin (Sedlaczek/Mayr, S. 161). Verglichen mit jenen Böcken, die Salcia Landmann geschossen hat – wir erinnern uns: sie verwechselte Sigmund Freud mit Alfred Adler –, waren Torbergs Fehler grosso modo weniger gravierend. Schlimm ist jedoch ein falsch wiedergegebenes Karl-Kraus-Zitat, das eigentlich ein Sprachwitz ist. Zu finden in der Fackel, Nr. 381–383, 19. 9. 1913, S. 71. Im Original lautet es:

      Einen Brief absenden heißt in Österreich einen Brief aufgeben.

      Friedrich Torberg macht daraus:

      Einen Brief befördern, heißt in Österreich einen Brief aufgeben. (Torberg, Tante Jolesch, S. 172)

      Nicht die Post gibt Briefe auf, sondern der Absender. „Ich beknirsche mich ganz besonders wegen des falschen Kraus-Zitats; das hätte mir nicht passieren dürfen“, antwortete Torberg dem Leserbriefschreiber. (Torberg, zitiert in Sedlaczek/Mayr, S. 163) – und versäumte es in der Folge, das Zitat in den Nachauflagen zu korrigieren. Auch in der heutigen Taschenbuchausgabe findet sich das entstellte Kraus-Zitat – und der 2. Wiener Gemeindebezirk, „der fast ausschließlich von Juden bewohnt war“, wird in dem Buch fälschlich „Leopoldstraße“ genannt – statt richtig: „Leopoldstadt“. (Torberg, Tante Jolesch, S. 40) Das ändert aber nichts an meiner Einschätzung, dass Die Tante Jolesch ein geniales und zugleich vergnügliches Buch ist.

      Für unser Thema nicht uninteressant ist der Einwand eines Leserbriefschreibers gegen die Pointe der folgenden Anekdote. Ich reduziere sie auf den Kern.

      In Wien gab es vor 1938 zwei beliebte koschere Restaurants, das Neugröschl und das Tonello. Eines Tages bestellt ein Gast im Tonello zu früher Stunde ein Scholet. Als der Kellner aus der Küche kommt und bedauert, dass das Scholet noch nicht fertig sei, ruft der enttäuschte Gast: „Was? Halb eins und noch kein Scholet? Bei Neugröschl wird schon gerülpst!“ (Torberg, Tante Jolesch, S. 69)

      Der Leserbriefschreiber wandte ein, dass der Gast im Tonello nicht das Wort rülpsen verwendet habe. Der Ausspruch sei anders verbürgt: „Bei Neugröschl prallen sie schon.“ Torberg rechtfertigte sich in seiner Antwort an den Leserbriefschreiber damit, dass er aus Gründen der sogenannten „guten Manieren“ den Ausspruch des Gastes absichtlich falsch zitiert habe, „weil in diesem Zusammenhang der von mir verwendete Ausdruck die gleichen Dienste tut wie der originale. Hier wird keine Korrektur erfolgen.“ (Torberg, zitiert in Sedlaczek/Mayr, S. 157)

      Schon Jahre vor dem Erscheinen der Tante Jolesch erzählte Fritz Muliar die Geschichte als Witz – sie ist zu finden auf Preiser Records und im Buch Das Beste aus meiner jüdischen Witze- und Anekdotensammlung.

      (…) Dort beim Tonello kommt herein um dreiviertel zwelf ein Mensch. Elegant, groiße Erscheinung, schmeißt den Hut auf dem Haken und schreit: „Kellner! Eine Bohnensuppe!“ – „Verzeihen Se, es is dreiviertel zwelf, die Bohnensuppe is nich fertig.“ – „Wos“, sogt er, „nich fertig!? Beim Neugröschl prallen se schon!“ (Muliar, S. 20)

      Salcia Landmann bringt den Witz ebenfalls, aber sie siedelt

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