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„Piowati“, und eine koschere Konditorei gehörte einem Herrn „Tonello“. Kommerzienrat Braun zu Herrn Pollak: „Sagen Sie mal, Ihre Gattin erzählt überall, Sie seien eifersüchtig wie Piowati. Was bedeutet das?“ Herr Pollak: „Das ist ganz einfach. Meine Frau meint, eifersüchtig wie Othello. Und um sich ‚Othello‘ zu merken, denkt sie an Tonello. Und Tonello verwechselt sie mit Piowati.“ (Landmann, 1962, S. 202)

      Dass sie sich „Othello“ mithilfe der Mnemotechnik merken will, ist allein schon lachhaft. Hinzu kommt die falsche Anwendung dieses Assoziationsverfahrens, das für Witzeerzähler und Kabarettisten ein beliebtes Thema war. Hugo Wiener lässt sie von einer seiner Figuren, dem Herrn Reis, so erklären: „Ich denke an etwas anderes, und dabei fällt mir das Richtige ein.“ Wir werden später in dem Sketch „Etwas über Botanik“ darauf zurückkommen (siehe S. 163 ff.).

      Dass die Frau-Pollak-von-Parnegg-Witze so erfolgreich waren, hatte auch einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Es ist kein Zufall, dass sie um die Jahrhundertwende aufkamen. Damals waren unter den Juden „die Unterschiede zwischen den Gebildeten und den Neureichen so groß, dass die Spannung sich in Witzen entlud, die teilweise etwas gehässig waren“, schreibt Eike Christian Hirsch in seinem Witzableiter (Hirsch, S. 73–74).

      Genauso gewaltig war auch der Gegensatz zwischen armen und reichen Juden. Über Jahrhunderte war den Juden die Ausübung vieler Berufe sowie der Zutritt zu den Handwerkerzünften untersagt, genauso das Studium an den Universitäten und die Ausübung akademischer Berufe. Deshalb verlegten sie sich auf Geldgeschäfte und auf den Handel. Da sich die meisten Christen bis zum späten Mittelalter an das grundsätzliche Verbot von Zinsgeschäften hielten, wurde das Bankwesen zwangsläufig zu einer jüdischen Domäne. Nicht weniger erfolgreich waren Juden in den letzten Jahrzehnten der Habsburgermonarchie im Bereich der Baumwollspinnerei und Weberei. Einige von ihnen schafften es, innerhalb kurzer Zeit ein Firmenimperium aus dem Boden zu stampfen, begünstigt durch überaus firmenfreundliche Steuergesetze. So war der Onkel von Franz Jolesch – bekannt durch Torbergs Anekdotensammlung – nicht „eine Art Prinzengemahl“, der „ohne die Tante (in dem Buch) gar nicht vorgekommen wäre“. (Tante Jolesch, S. 17) Julius Jolesch war ein zielstrebiger Industrieller, der in Iglau einen erfolgreichen Familienbetrieb aufbaute und später bei dem Großindustriellen Isidor Mautner als Geschäftsführer anheuerte – genau genommen sogar zu dessen rechter Hand wurde.

      Bei einem Gedicht von Armin Berg, das dieser in seinen Auftritten vortrug und auch in einem Heftchen publizierte, konnte man an Julius Jolesch, Isidor Mautner oder Leopold Pollak denken.

      Mit einer Hose kam Herr Kohn / Nach Wien – jetzt hat er ä Million. / Oft hab’ ich drüber nachgedacht / Was der mit so viel Hosen macht. (Berg, Trommel-Verse, Vers Nr. 21)

      Neben dem Doppelsinn von „Million“ – zunächst auf den Geldreichtum Kohns bezogen, dann als Hinweis auf den gigantischen Umsatz des Unternehmens – soll die Schlusszeile wohl implizieren: Was macht dieser Industrielle mit so viel Geld?

      In einer älteren Version, einem Kindermundwitz, geht es nicht um Hosen, sondern um Hemden.

      „Siehst du, mein Kindleben, was Fleiß tut! Gottlieb Berger ist mit einem Hemd hierhergekommen und jetzt hat er eine Million.“ – „Mame, mei’ Neschome (= Seele), was soll er mit e Million Hemden.“ (Reitzer, Rebbach, S. 8)

      Am anderen Ende der sozialen Leiter gab es viele arme Juden, die ums Überleben kämpften. Manche waren mit hohen Erwartungen aus dem Osten des Habsburgerreiches nach Wien gezogen, fanden sich jedoch in der Reichshaupt- und Residenzstadt nicht zurecht. Sie schlugen sich als Hausierer, Gelegenheitsarbeiter, Schnorrer und Zechpreller durchs Leben – oder spielten als Theaterfiguren im Café Spitzer Klabrias.

      Zum Verständnis des folgenden Witzes muss man wissen, dass nü so viel wie „na und“ bedeutet.

      Frau Pollak: Baron, Sie machen sich keine Vorstellung, was wir haben gegeben gestern für ein Menu (gesprochen mit u) …

      Baron Schönfeld (höflich korrigierend): …nü!

      Frau Pollak: Wie haißt „nü“? Zuerst gab es Kaviar und Austern, dann Spargel und Hummer, dann Ente mit Orange, zuletzt Fürst-Pückler-Eis … Also ich sage Ihnen, ein Menu (wieder gesprochen mit u)!

      Der Baron: …nü!

      Frau Pollak: „Nü“?! Ist Ihnen das noch nicht genug? (Landmann, 1972, S. 171)

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      Frau von Pollak verbringt Weihnachten auf dem Semmering. Als sie eines Abends mit einem Bekannten eine Partie Schnapsen spielt, gesellt sich ein Kiebitz hinzu, der sie fragt: „Haben Sie Schi (gesprochen Schi) mitgenommen, Gnädigste?“ Frau von Pollak: „No na! Barfuß werd’ ich im Schnee herumrennen!“ (sie versteht Schuh) Hierauf er wieder: „Ich meine, ob Sie Skis (gesprochen Sk…) haben?“ Frau von Pollak: „Wieso, Sie sehn doch, dass mer schnapsen!“ (sie versteht Skis oder Sküs, die höchste Karte im Tarockspiel) Der Kiebitz gibt noch nicht auf. „Verzeihung, Gnädigste, ich wollte nur wissen, ob Sie Schis haben.“ Darauf Frau Pollak mit indigniertem Blick: „Schiss? Wovor?“ (Landmann, 1972, S. 173)

      Wer diesen Dreizahlwitz heute erzählt, muss beim Zuhörer altes Wissen über Kartenspiele voraussetzen oder den Witz erklären.

      In den Landmann’schen Sammlungen finden sich auch einige wenige Witze, in denen die Unbildung eines Mannes angeprangert wird.

      Korngelb, reich geworden, lässt seinem Sohn Klavierunterricht geben. Vom Nebenzimmer aus hört er zu. Plötzlich kommt er außer sich vor Zorn ins Musikzimmer hineingestürzt und schreit den Klavierlehrer an: Ich hab’ Sie engagiert, damit Sie mei’ Sohn das Klavierspielen beibringen – und Sie wagen es mit ihm stattdessen Karten zu spielen?“ – „Aber wie kommen Sie darauf“, fragt der Klavierlehrer erstaunt. „Ich habe ganz deutlich gehört, wie Sie zu meinem Sohn gesagt haben: Jetzt spielst du das As!“ (Landmann 1972, S. 161)

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      Herr und Frau Blau kommen nach Wien und gehen ins Theater. Gespielt wird die Operette „Madame Pompadour“. Das Stück hat schon angefangen, als Frau Blau ihren Mann fragt: „Wer war Madame Pompadour?“ Herr Blau weiß es auch nicht. Er fragt den Herrn, der neben ihm sitzt. Der gibt zur Antwort: „Eine Rokokokokotte.“ – „Ich hatte Pech“, flüstert Blau seiner Frau zu, „der Herr neben mir stottert.“ (Landmann, 1988, S. 430–431)

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      Silberstein, reich geworden, geht zum bekanntesten Modemaler der Stadt, um sich Bilder für seine neue Villa auszusuchen. Vor einem der Gemälde bleibt er stehen. „Was stellt das dar?“ – „Die zwölf Söhne Jakobs.“ – „Hat nicht auch Reichstein von Ihnen ein Bild mit den zwölf Söhnen Jakobs?“ – „Ja.“ – „Für mich malen Sie vierzehn Söhne!“ (Landmann, 1972, S. 165–166)

      Version 2

      Herr Neureich geht zum bekanntesten Modemaler der Stadt. (…)

       „Die zwölf Apostel.“ (…) „Für mich malen sie vierzehn Apostel!“

      Welche Version die ältere ist, lässt sich nicht feststellen. Aus Jakobs Söhnen gehen die Zwölf Stämme Israels hervor, die zwölf Apostel sind von Jesus Christus mit der Verkündigung des Glaubens beauftragt worden.

      Während die Graf-Bobby-Witze so gut wie ausgestorben sind, leben Witze über Neureiche weiter – Emporkömmlinge gibt es in jeder Gesellschaft.

      Lutz Röhrich weist darauf hin, dass derartige Witze häufig in einer Großstadt angesiedelt sind, wo Neureiche eher anzutreffen sind als auf dem Lande. In Berlin werden die dummen Aussagen einem Herrn und einer Frau Raffke in den Mund gelegt, weshalb sie Röhrich mit berlinerischer Dialektfärbung erzählt (Röhrich, S. 229–230).

      Raffke wird gefragt: „Kann Ihre Tochter Esperanto?“ – „Na klar, wie ne Einjeborene.“

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      Frau Raffke erzählt stolz: „Unsere Wohnung ist voller Tizians.“ Fragt Frau Neureich: „Könn’ Se nich mal ’n Kammerjäger komm’n lassen?“ (vgl. Landmann, 2010, S. 588, mit „Frau

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