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Nachtkästchen, fand ich eine Rechnung mit aufgedrucktem Vermerk:

      »Die geehrten Gäste werden höfl. ersucht, in bar zu zahlen. Schecks werden prinzipiell nicht angenommen.

      Hochachtungsvoll

       Kaleguropulos, Hotelwirt«

      Der Direktor kam nach einer Viertelstunde und bat um Entschuldigung, es wäre ein Versehen und die Rechnung für einen Gast bestimmt, der darum gebeten hatte. Der Direktor schied, er war aufrichtig erschrocken, seine Entschuldigungen nahmen kein Ende, es war, als hätte er einen Unschuldigen zum Tode verurteilt, so überwältigte ihn die Reue. Er verbeugte sich noch einmal, zum letztenmal, tief, die Türklinke in der Hand, die Rechnung bergend, verschämt, in den Schößen seines Cuts.

      Später belebte sich das Haus, ein Bienenstock, in den die Bewohner mit süßer Beute einschwärmen. Hirsch Fisch kam und die Familie Santschin und viele andere, die ich nicht kannte, auch Stasia kam. Sie hatte Angst, in ihr Zimmer zu gehn.

      »Weshalb fürchten Sie sich?«

      »Es ist eine Rechnung da«, sagte Stasia, »und ich kann sie doch nicht bezahlen, Ignatz wird wieder mit dem Patent kommen müssen.«

      Was das für ein Patent wäre?

      »Später«, sagte Stasia. Sie ist sehr aufgeregt, sie trägt eine dünne Bluse, und ich sehe ihre kleinen Brüste.

      Auf ihrem Nachtkästchen lag eine Rechnung. Sie war ansehnlich; wenn ich sie bezahlen wollte, hätte sie mehr als die Hälfte meiner Barschaft verschlungen.

      Stasia erholte sich leicht. Vor dem Spiegel entdeckt sie einen Blumenstrauß, Nelken und Sommerblumen.

      »Die Blumen sind von Alexander Böhlaug«, sagt sie, »aber ich schicke niemals Blumen zurück. Was können sie dafür?«

      Dann schickt sie um Ignatz.

      Ignatz kam, mit forschendem Gesicht, und verbeugte sich tief vor mir. »Ihr Patent, Ignatz«, sagt Stasia.

      Ignatz zieht eine Kette aus der Hosentasche und greift nach einem Toilettenköfferchen vor dem Spiegel.

      »Das dritte«, sagt Ignatz und legt die Kette vierfach um den Koffer. Er hat dabei ein wollüstiges Gesicht, als fesselte er Stasia und nicht ihr Gepäck. Er hängt an die Kettenenden ein kleines Schloß, faltet die Rechnung und birgt sie in seiner abgegriffenen Brieftasche.

      Ignatz leiht jedem Geld, der Koffer hat. Er bezahlt die Rechnungen der Parteien, die ihm ihre Gepäckstücke verpfänden. Die Koffer bleiben in den Zimmern ihrer Besitzer, sie sind von Ignatz versperrt und können nicht geöffnet werden. Das Patentschloß hat Ignatz selbst erfunden. Er kommt jeden Morgen nachsehn, ob »seine« Koffer unberührt sind.

      Stasia begnügt sich mit zwei Kleidern. Drei Koffer hat sie verpfändet. Ich beschließe, einen Koffer zu kaufen, und ich denke, daß es gut wäre, das Hotel Savoy schnell zu verlassen.

      Mir gefiel das Hotel nicht mehr: die Waschküche nicht, an der die Menschen erstickten, der grausam wohlwollende Liftknabe nicht, die drei Stockwerke Gefangener. Wie die Welt war dieses Hotel Savoy, mächtigen Glanz strahlte es nach außen, Pracht sprühte aus sieben Stockwerken, aber Armut wohnte drin in Gottesnähe, was oben stand, lag unten, begraben in luftigen Gräbern, und die Gräber schichteten sich auf den behaglichen Zimmern der Satten, die unten saßen, in Ruhe und Wohligkeit, unbeschwert von den leichtgezimmerten Särgen.

      Ich gehöre zu den hoch Begrabenen. Wohne ich nicht im sechsten Stockwerke nur? Nicht acht, nicht zehn, nicht zwanzig? Wie hoch kann man noch fallen? In den Himmel, in endliche Seligkeit?

      »Sie sind so weit von hier«, sagt Stasia.

      »Verzeihen Sie«, bitte ich, ihre Stimme hat mich gerührt.

      VII

       Inhaltsverzeichnis

      Phöbus Böhlaug vergaß nie, auf den blauen Anzug hinzuweisen, er nannte ihn »eine Pracht von einem Anzug«, »wie auf Maß geschnitten«, und lächelte. Einmal traf ich bei meinem Onkel Glanz, Abel Glanz, einen kleinen, schäbig gekleideten, unrasierten Menschen, der furchtsam zusammensank, wenn man ihn ansprach, und die Fähigkeit hatte, automatisch kleiner zu werden, durch irgendeinen rätselhaften Mechanismus seiner Natur. Sein dünner Hals mit dem ruhelos rollenden Adamsapfel konnte sich zusammenziehen wie eine Harmonika und im weiten Stehkragen verschwinden. Nur seine Stirn war groß, sein Schädel lichtete sich, seine roten Ohren standen weit ab und erweckten den Eindruck, als hätten sie diese Stellung eingenommen, weil alle Welt sich erlauben durfte, an ihnen zu ziehen. Abel Glanz’ kleine Augen sahen mich gehässig an. Er betrachtete mich vielleicht als Rivalen.

      Abel Glanz verkehrt seit Jahren in Phöbus Böhlaugs Hause, er ist einer jener ständigen Teegäste, an denen die wohlhabenden Häuser der Stadt zugrunde zu gehn fürchten und die sie abzuschaffen niemals den Mut finden.

      »Trinken Sie einen Tee«, sagte Phöbus Böhlaug.

      »Nein, danke!« sagt Abel Glanz. »Ich bin mit Tee gefüllt wie ein Samowar. Das ist schon der vierte Tee, den ich ablehnen muß, Herr Böhlaug. Ich trinke, seitdem ich das Besteck fortgelegt habe, fortwährend Tee. Nötigen Sie mich nicht, Herr Böhlaug!«

      Böhlaug läßt sich nicht bekehren:

      »So einen guten Tee haben Sie in Ihrem ganzen Leben nicht getrunken, Glanz.«

      »Aber was denken Sie, Herr Böhlaug! Ich war einmal bei der Fürstin Basikoff geladen, Herr Böhlaug, vergessen Sie das nicht!« sagt Abel Glanz, so drohend, wie es ihm möglich ist.

      »Und ich sage Ihnen, selbst die Fürstin Basikoff hat so einen Tee nicht getrunken, fragen Sie meinen Sohn, ob man in ganz Paris so einen Tee bekommt!«

      »So, meinen Sie?« sagt Abel Glanz und tut, als ob er überlegte.

      »Dann kann man ja kosten, kosten kann niemals schaden.« Und rückt mit seinem Stuhl in die Nähe des Samowars.

      Abel Glanz war Souffleur in einem rumänischen kleinen Theater gewesen, aber er fühlte sich zum Regisseur berufen und hielt es in seinem Kasten nicht aus, wenn er zusehn mußte, wie die Leute »Fehler« machten. Glanz erzählte jedem Menschen seine Geschichte. Es war ihm eines Tages gelungen, probeweise Regie zu führen. Eine Woche später wurde er eingezogen und kam in die Sanitätsgruppe, weil ein Feldwebel den Beruf »Souffleur« für etwas Medizinisches gehalten hatte.

      »So spielt der Zufall mit den Menschen«, schloß Abel Glanz.

      »Glanz wohnt ja auch im Savoy«, sagte Phöbus Böhlaug einmal, und es schien mir, als wollte der Onkel einen Vergleich anstellen zwischen dem Souffleur und mir. Für Phöbus Böhlaug gehörten wir beide zusammen, wir waren irgendwo »Künstler«, irgendwo halbe Schnorrer, obwohl man gerecht zugeben mußte, daß der Souffleur sich redliche Mühe gab, einen anständigen Beruf zu ergreifen. Er wollte Kaufmann werden, und das wurde man am besten, indem man »Geschäfte machte«.

      »Siehst du, Glanz macht ganz gute Geschäfte«, sagt Onkel Phöbus.

      »Was für Geschäfte?«

      »Mit Valuta«, sagt Phöbus Böhlaug, »gefährlich ist es, aber sicher. Es ist eine Glückssache. Wenn einer keine glückliche Hand hat, soll er nicht anfangen. Aber wenn einer Glück hat, kann er in zwei Tagen Millionär sein.«

      »Onkel«, sagte ich, »warum handeln Sie nicht mit Valuta?«

      »Gott behüte«, schreit Phöbus, »mit der Polizei will ich nichts zu tun haben! Wenn man gar nichts hat, handelt man mit Valuta.«

      »Phöbus Böhlaug soll mit Valuta handeln?« fragt Abel Glanz. Und diese Frage kommt aus tiefer Empörung.

      »Es ist nicht leicht, mit Valuta zu handeln«, sagt Abel Glanz. »Man setzt sein Leben aufs Spiel – es ist ein jüdisches Schicksal. Man läuft den ganzen Tag herum. Brauchen Sie rumänische Leis, bietet Ihnen jeder Schweizer Franken. Brauchen

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