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      Sie lächelte wehmütig.

      »So lange ich dich liebe, werde ich die da drinnen lieben.«

      »Jetzt erst weiß ich, welch ein Mädchen du bist. Es ist schwer, von dir zu lassen.«

      »Lebe wohl, Gösta! Geh mit Gott. Meine Liebe soll dich nicht zur Sünde verleiten.«

      Sie wandte sich ab, um hineinzugehen. Er gab ihr das Geleite.

      »Wirst du mich bald vergessen?«

      »Fahre jetzt, Gösta. Wir sind nur Menschen.«

      Er sprang in den Schlitten, da aber kehrte sie zurück.

      »Denkst du nicht an die Wölfe?«

      »Freilich denke ich an die. Aber die haben ihren Nutzen getan. Mit mir haben sie diese Nacht nichts mehr zu schaffen.«

      Noch einmal streckte er die Arme nach ihr aus, Don Juan aber ward ungeduldig und sprang an. Er griff nicht nach den Zügeln. Er saß hintenübergelehnt und schaute zurück. Dann beugte er sich über den Rand des Schlittens und schluchzte wie ein Verzweifelter.

      »Ich habe das Glück besessen und es von mir gestoßen. Weswegen hielt ich es nicht fest?«

      Ach, Gösta Berling! Du Stärkster und Schwächster unter den Menschen!

      La cachucha

       Inhaltsverzeichnis

      Streitroß, Streitroß! Du altes, das jetzt auf dem Felde grast. Entsinnst du dich deiner Jugend?

      Entsinnst du dich des Schlachtentages, mutiges Roß? Du sprengtest voran, als trügen dich Flügel, deine Mähne flatterte über dir gleich wehenden Gluten, Blut und Schaum bedeckten deine schwarzen Flanken. In goldverziertem Zaum sprangst du dahin, das Feld erdröhnte unter deinem Hufschlag. Du zittertest vor Wonne, du mutiges Roß. Wie schön du warst!

      Über dem Kavalierflügel liegt graue Dämmerung. In dem großen Zimmer stehen die rot angestrichenen Kisten der Kavaliere an den Wänden, und ihre Sonntagskleider hängen in der Ecke. Der Schein aus dem Kamin fällt auf die weißgetünchten Wände und die gelb gewürfelten Gardinen, welche die Alkoven in der Wand verbergen. Der Kavalierflügel ist kein königliches Gemach, kein Serail.

      Aber Liliencronas Violine ertönt dort. Er spielt la cachucha in der Dämmerstunde.

      Wieder und wieder spielt er sie.

      Zerschneidet die Saiten, zertrümmert den Bogen! Weshalb spielt er diesen verdammten Tanz. Weshalb spielt er ihn gerade jetzt, wo Örneclou, der Fähnrich, im Bett liegt, von den heftigsten Gichtschmerzen geplagt, so daß er sich nicht rühren kann? Nein, entreißt ihm die Violine, werft sie gegen die Wand, wenn er nicht aufhören will!

      La cachucha, soll die für uns sein, Maestro? Kann die auf den schwankenden Brettern des Kavalierflügels, zwischen den engen von Rauch geschwärzten und mit Schmutz bedeckten Wänden, unter diesem niederen Dach getanzt werden? Wehe dir, wie du spielst!

      La cachucha, soll die für uns Kavaliere sein? Draußen heult der Schneesturm. Willst du die Schneeflocken lehren, im Takt zu tanzen. Spielst du den leichtfüßigen Kindern des Schneekönigs zum Tanze auf?

      Frauenkörper, die unter dem Pulsschlag des heißen Blutes zittern, kleine rußige Hände, die den Kochtopf beiseite schieben und zu den Kastagnetten greifen, nackte Füße unter hochgeschürzten Röcken, ein Hof mit Marmorfliesen, Zigeuner, die mit Sackpfeife und Tamburin am Boden kauern, maurische Bogengänge, Mondschein und schwarze Augen, hast du das, Maestro? Sonst laß deinen Bogen ruhen!

      Die Kavaliere trocknen ihre nassen Kleider am Feuer. Können sie sich in hohen, eisenbeschlagenen Stiefeln mit fingerdicken Sohlen im Tanze schwingen? Den ganzen Tag sind sie durch ellenhohen Schnee gewatet, um dem Bären auf die Spur zu kommen. Glaubst du, daß sie in feuchten, dampfenden Frieskleidern tanzen mögen, mit dem zottigen Petz als Dame?

      Sternenübersäter Abendhimmel, rote Rosen in dunklem Frauenhaar, berauschende Wärme in der Abendluft, angeborene Plastik in den Bewegungen, Liebe, von der Erde aufsteigend, vom Himmel herabregnend, in der Luft schwebend, hast du das, Maestro? Weshalb uns sonst dazu zwingen, uns nach alledem zu sehnen?

      Du Grausamer, bläst du das Kompaniesignal für das festgebundene Streitroß? Rutger von Örneclou liegt von Gichtschmerzen gefesselt in seinem Bett. Erspar ihm die Qual der schönen Erinnerungen! Auch er hat den Sombrero und das bunte Haarnetz getragen, auch er hat die Samtjacke getragen und den Dolch im Gürtel. Schone den alten Örneclou, Maestro!

      Aber Liliencrona spielt la cachucha, wieder und wieder la cachucha. Und Örneclou leidet wie der Liebende, der die Schwalbe den Weg zu der fernen Wohnung der Geliebten nehmen sieht, wie der lechzende Hirsch, der von den Verfolgern an der Quelle vorbeigetrieben wird.

      Liliencrona nimmt einen Augenblick die Violine unter dem Kinn fort.

      »Fähnrich, entsinnst du dich der schönen Rosalie von Bergen?«

      Örneclou stößt einen gewaltigen Fluch aus.

      »Sie war leicht wie eine Flamme. Sie glitzerte und tanzte wie der Diamant an der Spitze des Violinbogens. Du entsinnst dich ihrer wohl noch vom Theater in Karlstad. Wir sahen sie damals, als wir jung waren, entsinnst du dich dessen noch, Fähnrich?«

      Ob sich der Fähnrich dessen entsinnt! Sie war klein und wild und sprühend wie Feuer. Sie konnte la cachucha tanzen! Sie lehrte alle die jungen Herren in Karlstad la cachucha tanzen und Kastagnetten schlagen. Auf dem Balle des Landrats tanzten der Fähnrich und Fräulein von Bergen in spanischer Tracht la cachucha. Und er hatte so getanzt, wie man unter Feigenbäumen und Platanen tanzt – wie ein echter Spanier.

      Niemand in ganz Wermland konnte die Cachucha tanzen wie er. Niemand außer ihm konnte sie so tanzen, daß es sich verlohnte, davon zu reden. Welchen Kavalier verlor nicht Wermland, als die Gicht seine Glieder steif machte und sich über den Gelenken große Knoten bildeten! Welch ein Kavalier war er, so schlank, so schön, so ritterlich! »Den schönen Örneclou« nannten ihn diese jungen Mädchen, die sich seinetwegen auf Lebenszeit verfeinden konnten.

      Und Liliencrona stimmt abermals la cachucha an, wieder und wieder la cachucha, und Örneclou wird zurückversetzt in die alten Zeiten.

      Da steht er, und da steht sie – Rosalie von Bergen! Sie sind soeben allein im Toilettenzimmer gewesen. Sie war Spanierin, er Spanier. Er durfte sie küssen, aber vorsichtig, denn sie fürchtete seinen gewichsten Bart. Jetzt tanzen sie. Ach, wie man unter Feigenbäumen und Platanen tanzt! Sie weicht zurück, er folgt ihr, er wird kühn, sie stolz, er beleidigt, sie versöhnlich. Als er schließlich aufs Knie fällt und sie in den ausgebreiteten Armen auffängt, geht ein Seufzer durch den Saal, ein Seufzer des Entzückens.

      Er war ein Spanier gewesen, ein echter Spanier!

      Gerade bei dem Bogenstrich hatte er sich so herabgebeugt, die Arme so ausgestreckt, den Fuß vorgereckt, um auf den Zehenspitzen zu schweben, Welche Grazie! Man hätte ihn in Marmor aushauen können.

      Er weiß nicht, wie es zugeht, aber er hat den Fuß über den Rand des Bettes gesetzt, er steht aufrecht da, er beugt sich herab, er breitet die Arme aus, knipst mit den Fingern und will über den Fußboden dahinschweben wie in alten Tagen, als er so enge Schuhe trug, daß man die Füßlinge von den Strümpfen abschneiden mußte.

      »Bravo, Örneclou! Bravo, Liliencrona! Spiel’ Leben in ihn hinein!«

      Der Fuß versagt ihm, er kann nicht auf die Zehenspitze kommen. Er zappelt ein paarmal mit dem einen Bein, mehr kann er nicht, dann fällt er wieder aufs Bett hinunter.

      Schöner Señor, Ihr seid alt geworden. Die Señorita vielleicht ebenfalls?

      Nur unter Granadas Platanen wird la cachucha von ewig jungen Gitanos getanzt. Ewig jung sind sie wie die Rosen, denn jeder Lenz bringt neue.

      So ist denn die Zeit gekommen,

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