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in der Seele und im Leben konkret ausbilden.

      Jung kann den Archetypus religiös als »geistiges Ziel« und gleichzeitig biologisch als »Instinkt« beschreiben – so weit gefasst ist der Begriff. Seine Füllung findet sich in der Unmenge des geistes- und religionsgeschichtlichen Materials, das Jung heranzieht. Denn neben den drei genannten Archetypen gibt es zahlreiche weitere, die zusammen alle Bereiche menschlichen Daseins umfassen: Gott, Heiland, jungfräuliche Mutter, Baum, Berg, Riese, Zwerg und viele mehr. Jung spricht auch von einem Gottes-Archetypus, was jedoch nicht als Beweis für die Existenz Gottes zu verstehen ist. Seine Aufgeschlossenheit für religiöse Aussagen zeigt sich auch darin, dass Jung gern den in der Schulpsychologie unüblichen, weil religiös aufgeladenen Begriff der Seele verwendet.

      Die Archetypenlehre führt bis in die unterste Schicht der Seele. Die alte Vorstellung von Bewusstseinsschichten hatte schon Freud mit der Dreiheit von Bewusstem, Vorbewusstem und Unbewusstem aufgegriffen, sie dann aber wegen ihres statischen Charakters durch die Dynamik der drei Instanzen Es, Ich und Über-Ich ergänzt. Auf jeden Fall ist dieser Aufbau lediglich als Modell und nicht als reales Abbild der Psyche zu verstehen.

      Nach Jung gibt es fünf pyramidenartig aufeinander ruhende Schichten, und zwar, von oben angefangen: erstens das Ich, zweitens das Bewusstsein, drittens das persönliche Unbewusste, das dem Freudschen Unbewussten entspricht, viertens ein überindividuelles, so genanntes kollektives Unbewusstes, das bewusst gemacht werden kann, und fünftes ein ebensolches, das sich aber nicht bewusst machen lässt. Das kollektive Unbewusste teilen alle Menschen und Völker als gemeinsames seelisches Fundament; es enthält die Archetypen.

      Besonders wichtig sind die archetypischen Leitbilder der Großen Mutter und des Alten Weisen. Nach Jung stehen sie für die Entwicklungsstufe, die der Mensch in der zweiten Lebenshälfte erreichen soll, für die Hinwendung zum Geistigen, während in der ersten Lebenshälfte die Auseinandersetzung mit dem Seelenbild und dem Schatten wichtiger erscheint. Interessant ist: Für Jung reicht die Jugendzeit bis zur Lebensmitte. Aus den Wirren der Pubertät weisen die Ideale des beruflichen Erfolgs und der Familiengründung den Weg. Ab der Lebensmitte geht es dann um den Erwerb eines neuen Bewusstseins, um ein kulturelles Ziel. Gerade bei dieser Neuorientierung sieht die Analytische Psychologie ihre therapeutische Aufgabe.

      Den lebenslangen Reifungsprozess, der von den aufsteigenden und zur Verwirklichung drängenden archetypischen Bildern geleitet ist und in dessen Verlauf die individuelle Persönlichkeit errungen und immer neu bewahrt werden muss, nennt Jung Individuation – Selbstwerdung. Er begreift ihn als zielgerichtet. Auch das unterscheidet ihn von Freud, der die Psyche kausal determiniert sieht. Ziel der Individuation ist das Selbst, das nicht mit dem Ich verwechselt werden darf – dieses ist lediglich das Zentrum des Bewusstseins, gleichsam dessen auf sich selbst bezogener Teil. Das Selbst hingegen steht für die Einheit und Gesamtheit der Persönlichkeit und gilt ebenfalls als Archetypus. Jung sieht es beispielsweise im indischen Mandala symbolisiert, das er ausführlich erforscht und interpretiert.

      Überhaupt macht die Arbeit mit Bildern – individuellen und kollektiven – einen wichtigen Teil der therapeutischen Arbeit nach Jung aus. Wie bei Freud ist es Ziel der Therapie, mit Hilfe des Unbewussten einen bislang nicht gelösten Konflikt zu bewältigen. Doch während Freud die Neurose aus dem Konflikt zwischen Trieb und Abwehr erklärt, sieht Jung sie weiter gefasst. Für ihn ist sie das Resultat des Konflikts zwischen individuellen Bedürfnissen und der geforderten Anpassung, ein störender Komplex, der jedoch wichtig zu sein scheint, weil er auf Unerledigtes hinweist: auf Einseitigkeiten, die ausgeglichen, und auf Entwicklungsstufen, die erreicht werden wollen.

      Auch die Methoden unterscheiden sich. An die Stelle der freien Assoziation nach Freud tritt hier die erweiternde Deutung mit Hilfe der Archetypen. Denn die universellen Bilder, die der Menschheit in ihren religiösen und künstlerischen Erzeugnissen zur Verfügung stehen, sind durch das kollektive Unbewusste mit den Bildern identisch, die am Grund der individuellen Seele schlummern und in der persönlichen Lebensgestaltung Wirklichkeit werden wollen. Der Patient soll folglich auch versuchen, in seinem Inneren gegenständliche Bilder entstehen zu lassen, um mit ihrer Hilfe seine Situation und seine Träume zu deuten. Im therapeutischen Malen und anderen künstlerischen Ausdrucksformen wird mit dem imaginierten Material gearbeitet.

      Durch diese methodische Vielfalt hat Jung die Psychotherapie entscheidend bereichert und ihre Nähe zu den Geisteswissenschaften und zur Kultur gestärkt, er hat allerdings auch der Esoterik die Tür geöffnet. Der Therapeut etwa erscheint nach Jung in archetypischen Rollen – nicht nur als Vater oder Mutter, sondern auch als Heiler, Hexer, Riese oder Alchemist.

      Die oft gestellte Frage, wer »Recht« habe, Freud oder Jung, ist letztlich müßig. Während man Freud sein deterministisches, am naturwissenschaftlich-mechanistischen Denken orientiertes Menschenbild vorwerfen kann, ist Jung durch seinen Mystizismus angreifbar. Doch beide haben auf ihre Weise das Selbstverständnis des Menschen verändert, in beiden therapeutischen Richtungen kann man sich verstanden und begleitet fühlen. Mit der von ihm angeregten psychologischen Auswertung von Bildern und Mythen, mit seiner Typenlehre und der Deutung des menschlichen Lebenslaufs gehört Carl Gustav Jung zu den wichtigsten Vordenkern der Tiefenpsychologie.

      Anekdote: Eine Legende in Jungs Herkunftsfamilie besagte, dass C. G. Jungs gleichnamiger Urgroßvater väterlicherseits (1794–1864) ein unehelicher Sohn Goethes gewesen sei. Als Urgroßmutter war kurzzeitig sogar Goethes Altersliebe Marianne von Willemer (1784–1860) im Gespräch, bis klar wurde, dass dies wegen des geringen Altersunterschieds ausgeschlossen war. Zwischen Jungs echter Urgroßmutter und Goethe ließ sich keine Beziehung nachweisen.

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