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meine Verhältnisse zu teuer. Ich kam nun her, um Sie zu fragen, ob Sie vielleicht jemand im Dorf wüßten, bei dem ich unterkommen könnte.«

      »Da werden Sie gewiß sehr enttäuscht sein, daß wir Ihnen keine Auskunft geben können«, bedauerte Frauke. »Wir sind auch erst von Mitte März hier und so gar nicht mit den Verhältnissen im Dorf vertraut. Nur so viel wissen wir, daß vom Frühsommer bis Herbst Feriengäste herkommen, die zum Teil Privatquartier beziehen müssen, weil die Hotels und Gasthäuser überfüllt sind. Also werden die möblierten Zimmer nicht nur knapp, sondern auch sehr teuer sein, wenigstens während der Saison.«

      »Dann weiß ich nicht, was ich machen soll«, sagte Jadwiga niedergeschlagen. »Aus dem Stift, das sechs Jahre mein Zuhause war, mußte ich fort, weil es aufgelöst wurde. Und irgendwo muß ich doch bleiben.«

      »Natürlich müssen Sie das«, sagte Frauke herzlich. »Und zwar bei uns. Wir haben noch ein Zimmer frei, das wir Ihnen gern zur Verfügung stellen. Wenn es Ihnen zusagt, können Sie so lange darin wohnen, bis Sie eine andere Unterkunft gefunden haben.«

      »Wenn es mir zusagt«, murmelte Jadwiga. »Mir sagt jedes Zimmer zu, auch wenn es noch so primitiv wäre. Wochenlang suche ich schon danach, bin deshalb in Städten und Dörfern gewesen, doch mich wollte keiner haben. Und nun komme ich hierher und finde Menschen. Daß es überhaupt solche gibt, das läßt mich wieder an einen Herrgott glauben.«

      Es war so erschütternd gesagt, daß den beiden Mädchen die Tränen in die Augen stiegen. Sie sahen nicht mehr die altmodische Kleidung, nicht mehr das lächerliche Pincenez, sahen nur einen bitter einsamen, vom Leben schlecht behandelten und vom Glück vergessenen Menschen. Frauke mußte erst einige Male schlucken, bevor sie sprechen konnte:

      »Dann seien Sie uns als Hausgenossin herzlich willkommen, Fräulein von Schlössen. Ah, da kommt ja die liebe Hulda, die Dritte in unserm Bunde. Sie ist hier Haus- und Hofmeister, dem sich alle beugen müssen.«

      »Was auch ganz in Ordnung ist«, brummte Huldchen herzhaft die Hand drückend, die sich ihr zur Begrüßung entgegenstreckte. Die Obersttochter wußte sofort, wie sie diese robuste Person einzustufen hatte. Daß sie eine der treuen Dienerinnen war, die langsam zur Legende werden.

      »Fräulein von Schlössen wird bei uns wohnen«, erklärte Frauke. »Wir müssen das blaue Zimmer in Ordnung bringen.«

      »Ist schon längst geschehen, mein Herzchen. Gelüftet, abgestaubt, das Bett überzogen. Dürfte ich um Ihren Koffer bitten, gnädiges Fräulein?«

      »Ich habe keinen mit«, gestand Jadwiga verlegen. »Nur Nachtzeug, das sich in der Tasche befindet, die ich in der Diele abstellte. Ich konnte ja nicht ahnen, daß man mich hier nicht nur so lieb aufnehmen, sondern sogar hierbehalten würde. Nur Toilettensachen steckte ich ein, weil ich im Dorf zu übernachten gedachte.«

      »Und wo befindet sich Ihr großes Gepäck?« fragte Frauke.

      »Ich habe es in dem Gasthaus untergestellt, das in der Nähe des Stiftes liegt. Es ist ja nicht viel. Drei Koffer bergen meine ganze Habe.«

      »Die wir schon herkriegen werden«, brummte Hulda. »Gute Nacht, ich gehe jetzt zu Bett.«

      Als sie gegangen war, fragte Jadwiga:

      »Wohl eine Getreue Ihrer Familie, nicht wahr, Fräulein Gortz?«

      »Ja. Als ich zwei Jahre alt war, kam sie in unser Haus und hat sich auch nach dem Tode meiner Eltern nicht von mir getrennt. Trotz ihrer brummigen Art ist Hulda eine Seele von Mensch, dazu von unerschütterlicher Treue. Ich hätte nicht gewußt, und wüßte auch heute noch nicht, was ich ohne sie anfangen sollte.

      Sie hat natürlich auch ihre Eigenheiten, die man ihr nachsehen muß. Ich möchte zum Beispiel gern, daß sie mit uns zusammen die Mahlzeiten einnimmt, weil sie doch ohnehin ganz zur Familie zählt. Aber dazu ist sie nicht zu bewegen. Sie sagt, in der Küchenschürze kann sie nicht an den Tisch kommen, und sich ein paarmal am Tag umzukleiden, dazu hat sie keine Zeit und keine Lust – basta! Und nun werde ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen; denn Sie scheinen recht müde zu sein.«

      »Das bin ich«, gab Jadwiga unumwunden zu. »Ich habe in den letzten Nächten aus Angst, was aus mir werden soll, kaum geschlafen. Dann bin ich heute stundenlang in der Stadt auf Zimmersuche gewesen. Ich glaube, ich werde nach wochenlangem Hangen und Bangen zum erstenmal wieder richtig schlafen können.«

      »Ist doch unerhört, ein Stift aufzulösen, bevor die Damen nicht restlos anderweitig untergebracht sind«, empörte Frauke sich. »Und bei der Überweisung in andere Stifte werden die maßgebenden Persönlichkeiten auch nicht gerecht verfahren sein, habe ich recht, Fräulein von Schlössen?«

      »Ja. Die Oberin, Gräfin Warl, sorgte mal erst für die Damen vom titulierten Adel –«

      »Aha!« warf Frauke erbost ein. »Und wieviel Damen waren nicht ›tituliert‹?«

      »Außer mir noch zwei.«

      »Und die wurden einfach auf die Straße gesetzt mit der Begründung, daß leider in den in Frage kommenden Stiften momentan alle Plätze belegt wären. Doch sobald einer frei wäre, würde man selbstverständlich dafür sorgen, daß die liebe… und weiterer Phrasen mehr. War das nicht so, Fräulein von Schlössen?«

      »Genauso«, entgegnete Jadwiga verblüfft. »Woher wissen Sie das denn, Fräulein Gortz?«

      »Wissen nicht, ich kann es mir nur denken. Und was wurde aus den anderen beiden ›nichttitulierten‹ Damen?«

      »Die konnten bei Verwandten unterkommen. Nur ich habe keine, wenigstens nicht solche, die mich aufnehmen würden. Ich stehe ganz allein im Leben.«

      »Hm. Und in welches Stift hat sich die gnädigste Frau Oberin begeben?«

      »Vorläufig in keins. Sie will abwarten, bis wieder eine Oberinstelle frei wird.«

      »Na, hoffentlich leben diese Damen, die ja nicht durchweg – na ja – sein werden, über hundert Jahre. Und wo will denn die Allergnädigste auf den Tod einer Oberin warten?«

      »Zuerst unterzieht sie sich einer Kur und wird sich anschließend zu einem Neffen begeben«, erwiderte Jadwiga, eingeschüchtert durch Fraukes beißende Bemerkungen. »Und zwar zu einem Baron von Swidbörn.«

      »Waaas?« wurde Frauke jetzt hellhörig. »Gehört dem Baron etwa die Herrschaft Grünehöh?«

      »Ja.«

      »Na, da schlag einer lang hin«, gebrauchte Frauke nun doch Michels Spezialausdruck, und Ortrun, die bisher dem Gespräch schweigend gefolgt war, fuhr auf.

      »Frauke, das müssen wir Oda erzählen«, sagte sie aufgeregt, wozu die andere bekräftigend nickte.

      »Worauf du dich verlassen kannst. Wissen Sie eigentlich, wo Grünehöh liegt, Fräulein von Schlössen?«

      »Nein. Doch wie die Oberin sagte, soll es ein sehr großer, feudaler Besitz sein.«

      »Ist es auch. Sie können von der Terrasse aus das Schloß sehen.«

      »Das ist mir bereits aufgefallen, als ich vor dem Abendessen auf der Terrasse saß«, war es nun an Jadwiga, aufgeregt zu sein. »Und das gehört dem Baron von Swidbörn, einem der feudalsten Adligen im Land?«

      »Ganz recht. Sie können, wenn die gnädigste Oberin dort weilt, gegenseitig winkewinke machen. Und nun hören Sie mal zu, Fräulein von Schlössen…«

      Sie erzählte, wie sie zuerst die Baroneß und später deren Bruder kennenlernte, und Jadwiga faltete die Hände wie zum Gebet.

      »Ist das nun Zufall oder Vorsehung?«

      »Es ist letzteres, Fräulein von Schlössen. Doch darüber wollen wir jetzt nicht diskutieren, wir wollen schlafen gehen. Morgen ist auch ein Tag.«

      In dem Zimmer, das sie kurz darauf betraten, war die Einrichtung wohl zusammengewürfelt, gab jedoch dem Raum Behaglichkeit. Das breite Holzbett war weiß, der Schrank braun, die Kommode mahagoni, der zierliche Schreibtisch mit dem Aufsatz hell Birke, der Teppich rot, die

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